Nicht nur für die Zuhörer war der Saisonauftakt des Symphonieorchesters des Oberbergischen Kreises ein Gewinn. Sondern auch und besonders für die Teilnehmer der Odesa International Violine Competition.
SymphonieorchesterKonzert in Gummersbach war ein Hauptgewinn

Die Akkordeon-Spielerin Tetiana Muchychka aus der Ukraine (l.) gehörte zu den Gästen des Kreisorchesters.
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Der ganze Saal erhebt sich zum Applaus, als Dirigent Anar Bramo und die drei Solistinnen sich am Ende vor der Menge verbeugen. Tosen, Klatschen, Pfiffe. Selbst eine ältere Dame mit Gehstock, die bei den vorherigen stehenden Ovationen sitzen geblieben war, hält es nicht mehr auf dem Sitz.
Das Gummersbacher Publikum feiert die Musiktalente, die an diesem Abend zur Eröffnung der neuen Spielzeit des Symphonieorchesters des Oberbergisches Kreises zu hören waren. Das Motto des Konzerts lautete „Rising Stars“. Die Jugend zu fördern, ist Orchesterchef Bramo ein Anliegen, wie er gegenüber dem Publikum zu Beginn des Konzerts erläutert hat: „Ich bin ja auch selbst Geiger. Ich weiß, wie wichtig das ist, wenn man als junger Student die Möglichkeit hat, mit Orchester zu spielen. Und da hatten wir diese Idee: Warum nicht ein Talent vom Odesa-Wettbewerb auswählen und ihm eine Chance geben?“
Ukrainerinnen spielten in Oberberg
Er fuhr also im Namen des Orchesters nach Monheim, wo der Odesa International Violine Competition aufgrund des Ukrainekrieges dieses Jahr stattgefunden hat. Einer der Preise war der Auftritt mit dem oberbergischen Kreisorchester. Bramo berichtet: „Ich wollte ursprünglich an eine Geigerin den Preis verleihen. Aber da mich dann zwei so sehr beeindruckt haben, haben wir entschieden: Wir geben zwei Solistinnen diese Möglichkeit.“
Er stellt die erste Solistin vor: Sofiia Plakhtsinska stammt aus der Ukraine, hat bereits zahlreiche Violin-Wettbewerbe gewonnen und erhielt 2022 ein Stipendium des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Bramo lobt ihre fantastische Musikalität, ehe sie unter großem Beifall die Bühne betritt. Wir hören von ihr und dem Orchester ein Stück von Mendelssohn-Bartholdy: das Konzert in d-Moll . Ursula Anton, die Vorsitzende des Orchestervereins, erläutert: „Zu Unrecht ist dieses Werk kaum in Konzertsälen zu hören. Zumal der Solist wahnsinnig herausgefordert ist. Es ist ein hochtechnisches Werk.“ Es ist kaum zu glauben, dass der Komponist dieses Werk im Alter von 13 Jahren verfasst hat. Plakhtsinska gibt eine fantastische Darbietung und erntet stürmischen Applaus.
Prüfer sitzt im Gummersbacher Konzertsaal
Nach einer kurzen Pause wird uns die zweite Virtuosin des Abends vorgestellt: Tetiana Muchychka stammt ebenfalls aus der Ukraine. Bramo betont: „Ein Zufall!“ Ihr Instrument ist das Akkordeon. Die zierliche Person verschwindet fast dahinter. Die junge Virtuosin zeigt in ihrem Spiel aber eine Energie und Leidenschaft, die den ganzen Saal beherrscht. Wir hören „Aconcagua“ von Astor Piazzolla. Muchychka stellt ihr Instrument vor den Klang des Streichorchesters und fügt es dennoch harmonisch in das große Ganze. Die Aufführung ist zugleich die Examensprüfung der Solistin, deren Prüfer im Publikum sitzen. Ein gutes Zeichen: Sie erhält stehende Ovationen und nicht enden wollenden Applaus.
Die dritte Solistin, die ebenfalls beim Wettbewerb in Odessa ausgewählt wurde, ist die aus Seoul (Korea) stammende Jiyoung Kim. Von ihr hören wir Introduktion und Rondo capriccioso op. 28 von Camille Saint-Saëns.
Ursula Anton merkt zu dem Stück an: „Unsere Solistin wird aufs Höchste herausgefordert, und ihre Finger und Bogen fliegen nur so über die Seiten. Lassen Sie sich in ihren Bann ziehen.“ Auch diese Solovioline ist höchst beeindruckend.
Es ist sehr verständlich, warum sich Bramo zwischen den zwei Geigen, die beide das Publikum verzaubern, nicht entscheiden konnte. Als die junge Virtuosin und das Orchester verstummen, erhebt sich der gesamte Saal. Noch lauter werden die begeisterten Stimmen, als alle Solistinnen des Abends auf die Bühne treten und sich verneigen. Die „Bravo“- Rufe sprechen für sich.