„Es hat keinen Spaß mehr gemacht“Rolf Gurbat verabschiedet sich aus dem Wiehler Rat

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Freigeist mit Sinn für Humor: Rolf Gurbat plädiert für die Rückkehr zur überparteilichen Zusammenarbeit.

Freigeist mit Sinn für Humor: Rolf Gurbat plädiert für die Rückkehr zur überparteilichen Zusammenarbeit.

  • Rolf Gurbat ist heute 74 Jahre alt und wurde 1987 Ratsmitglied.
  • Er übernahm damals im Zuge eines Generationswechsels sogleich den Vorsitz der FDP-Fraktion und war somit über mehr als drei Jahrzehnte eine prägende Figur der Wiehler Kommunalpolitik.
  • Reiner Thies sprach mit ihm über den Abschied aus dem Rat.

Ist ein Leben ohne Politik nach so langer Zeit vorstellbar?

Gurbat: Ich bleibe der Fraktion ja noch als Sachkundiger Bürger erhalten. Eigentlich wollte ich schon zur Mitte der Wahlperiode aufhören, aber dann ist mein Nachfolger ausgefallen. Ich habe aber beizeiten den Fraktionsvorsitz an Dominik Seitz abgegeben, und das war eine große Erleichterung. Gerade bei einer kleinen Fraktion bleibt viel Arbeit am Vorsitzenden hängen.

Wie hat sich die Arbeit im Stadtrat über die Jahrzehnte verändert?

Ich muss sagen, dass es zuletzt nicht mehr so viel Spaß gemacht hat. In meinen ersten Jahren war die interfraktionelle Zusammenarbeit von Vertrauen geprägt, zu 80 Prozent ging es um die Sache und nicht um die Partei. Das liegt nicht nur, aber auch an den Leuten, mit denen man zu tun hat. Die Grünen sind immer dagegen, die UWG will sich krampfhaft profilieren. Als ich damals ins Amt kam, habe ich meiner Partei klar gesagt, dass ich meine Meinung nicht dem Fraktionszwang opfern werde und mich nicht in Koalitionen festlegen lasse. Es hat der Stadt Wiehl immer gut getan, wenn Mehrheiten gefunden werden mussten. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Mitglieder des neuen Rates sich wieder stärker auf Sachfragen konzentrieren. Es gibt genug zu entscheiden. Die Stadt hat viele Baustellen, und das nicht nur im Wortsinn.

Einen Konsens zu erzielen, wird mit nun sieben Fraktionen nicht einfacher.

Vielfalt muss nicht schlecht sein. Ich halte übrigens nichts davon, die AfD auszugrenzen. Man muss aber Fingerspitzengefühl haben, damit man nicht wie mein Parteifreund Thomas Kemmerich in Thüringen von der AfD vorgeführt wird. Es hätte das Amt des Ministerpräsidenten nicht annehmen dürfen.

Was halten Sie von der FDP-Kritik an den Corona-Maßnahmen?

Es geht ja weniger um Kritik an konkreten Maßnahmen als um die Forderung, dass die Parlamente mitentscheiden sollen! Man muss die Politik auf eine breite Basis stellen. Sonst gibt es wieder nur neue Gerichtsurteile. Und unsere Kinder und Enkel müssen das am Ende alles bezahlen. Übrigens hätte ich nicht gedacht, dass es so viele Experten für Virologie in Deutschland gibt.

Sie sprachen von den vielen Wiehler Baustellen. Haben Politik und Verwaltung in früheren Jahren zu viel liegen lassen?

Wir haben viel angefangen und nicht zu Ende geführt, vielleicht, weil wir uns übernommen haben. Darum war schließlich fremde Hilfe nötig, und wir mussten viel Geld für Planer und Gutachter ausgeben. Beim Gymnasium hätten wir früher zu einer Entscheidung kommen müssen, dann hätten wir heute ein Problem weniger.

War es für Partei und Fraktion von Vorteil, dass die Stadt jahrzehntelang von dem FDP-Mann Werner Becker-Blonigen geführt wurde?

Nein, er ist ja nie als FDP-Mann aufgetreten, weil das mit seinem Amtsverständnis nicht vereinbar war. Wir haben nicht mehr erfahren als die anderen Fraktionen. Was hätten wir sonst für einen schönen Wahlkampf führen können!

Bei welchem Thema sind Sie gescheitert?

Der Ehrenamtspass war mir ein persönliches Anliegen. Die Ablehnung durch CDU und SPD mit fadenscheinigen Argumenten war eine große Enttäuschung.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Da fällt mir unser Verzicht auf übermäßige Wahlwerbung ein. Nachdem wir uns entschieden hatten, dort Geld einzusparen, haben wir über die Jahre an die 30 000 Euro an die Wiehler Schulen spenden können.

Zeitgleich mit ihrem Einstieg in die Politik haben Sie in Bielstein den Karneval auf den Weg gebracht. Gibt es Parallelen?

In beiden Gebieten darf man sich nicht zu ernst nehmen. Der Karnevalsverein steht heute übrigens so gut da, dass er die Corona-Pause überstehen wird. Für die Absage gibt es breite Akzeptanz. Wenn wir beim Rosenmontagszug eineinhalb Meter Abstand halten müssten, würde der ja bis Bergisch Gladbach reichen.

Der berufliche Ruhestand ist aber noch nicht gekommen, oder?

Ich sage immer, dass ich mit 80 in den vorgezogenen Ruhestand wechsele. Ich arbeite noch halbtags als Berater in der Maschinenbaubranche, derzeit für eine Meinerzhagener Firma. Das macht Spaß. Zu Hause bekomme ich doch nur den Staubsauger in die Hand gedrückt und werde hinterher noch angemeckert, dass ich es nicht gut gemacht habe. (lacht)

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