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Neuer Wohnraum
Die Wiehler Ortschaft Drabenderhöhe wird eine zollfreie Zone

3 min

Sehr viel Lagerplatz bieten die Hallen mitten in Drabenderhöhe. Der Zoll hatte darin sogar Kühlräume. Die BEW-Geschäftsführer Ulrich Stücker (r.) und Torsten Bellingrath wollen auf dem Grundstück mindestens zehn Wohneinheiten errichten lassen. 

Die Stadt Wiehl will ehemaliges Zolllager in der Ortsmitte abreißen und mit Wohnhäusern bebauen lassen

Im letzten Augenblick drohte der Deal, um das alte Zolllager zu platzen. Nämlich als die Bundeswehr im Oktober massiven Eigenbedarf für bundeseigene Immobilien anmeldete. Als Bürgermeister Ulrich Stücker davon im Radio hörte, rief er prompt Torsten Bellingrath an. Sein Mitgeschäftsführer bei der städtischen Bau- und Entwicklungsgesellschaft Wiehl (BEW) wollte gerade beim Notar den Verkauf besiegeln. „Sind wir betroffen?“, wollte Stücker wissen.

Doch Bellingrath konnte bald Entwarnung geben. Die Bundeswehr hatte kein Interesse an den Hallen mitten in Drabenderhöhe. Dem Verkauf des Komplexes an der Straße „Im Biesengarten“, um den sich die Stadt schon seit zehn Jahren bemühte, stand nichts im Wege. Bis Ende 2021 nutzte das Kölner Hauptzollamt die Hallen, um alte Akten aufzubewahren. Beim Ortstermin zeugt eine verlorene Aktenklemme auf dem Boden noch von dieser Vergangenheit. Ansonsten ist drinnen viel, viel Platz. 1600 Quadratmeter groß sind die beiden Hallen. Das ganze Grundstück umfasst 3000 Quadratmeter, dazu kommen weitere 1000 Quadratmeter eines angrenzenden unbebauten Privatgeländes, das die Stadt ebenfalls erworben hat.

Mindestens zehn neue Wohneinheiten sollen entstehen

Nun soll hier Wohnbebauung entstehen. Bürgermeister Stücker berichtet, dass der Plan, die Gebäudehülle zu erhalten und innen Appartements einzurichten, bald verworfen wurde. Stattdessen werden die Hallen abgerissen und bald mehrere neue Gebäude entstehen, mindestens zehn Wohneinheiten, wahrscheinlich sowohl Mehrparteien- als auch Reihenhäuser. Alles soll sich harmonisch in die Umgebung einfügen. Stücker verspricht, dass die Bevölkerung an den Plänen intensiv beteiligt wird, wie in Drabenderhöhe inzwischen üblich. Zunächst will er Gespräche mit möglichen Investoren führen, aber auch prüfen, ob die BEW selbst als Bauherr auftritt. „Ich bin von der Fläche begeistert“, schwärmt der Bürgermeister, „so etwas wünscht man sich.“

Das Gelände sei bereits versiegelt, es gebe also keinen neuen Flächenverbrauch. Das Grundstück ist zentral gelegen, Schule und Kirche und Supermärkte sind fußläufig erreichbar. Torsten Bellingrath, der selbst in Drabenderhöhe wohnt, nickt, als Stücker berichtet: „Der Bedarf hier in Drabenderhöhe ist sehr groß. Sowohl aus der Bevölkerung heraus als auch von außen, weil Drabenderhöhe so eine reiche Infrastruktur hat und so gut an die Autobahn angebunden ist.“ Bis die Bagger anrücken, wird allerdings noch einige Zeit vergehen.

Die BEW wird die Hallen wohl zunächst wieder als Lager vermieten und auch der Stadt zur Verfügung stellen, sagt Geschäftsführer Bellingrath. Der städtische Bauhof kann immer Unterstellmöglichkeiten gebrauchen und bald vielleicht auch die Schulen, wenn im Gymnasium und in der Sekundarschule die Bauarbeiten beginnen. Zigaretten oder Tigerfelle werden aber wohl nicht mehr gelagert.


Röntgengeräte und alte Akten

 Gebaut wurde das Lager 1961 von dem Kölner Geschäftsmann Hans Hartges, einem Brenn- und Baustoffhändler. 1972 wurde es von der Bau- und Liegenschaftsverwaltung der Oberfinanzdirektion Köln erworben. Danach wurde dort Materialien des Zivilschutzes gelagert, berichtet Nachbar Jochen Suck. Hinter der Lagerhalle stand eine Hochleistungssirene. Suck erinnert sich, dass mobile Feldlazarette mit Röntgengeräten, OP-Beleuchtungen und Medikamenten aufbewahrt wurden. Kurz nach der Wende Anfang der 90er Jahre sei alles mithilfe der zivilen Angestellten des Munitionsdepots Brächen auf Lkw verladen und nach Kasachstan gebracht worden.

Bis vor vier Jahren nutzte der Zoll die Hallen. Dieser hat eine Gebläseheizung einbauen lassen, es gibt sogar Kühlräume. BEW-Geschäftsführer Torsten Bellingrath sagt lächelnd: „Man munkelt, dass dort Corona-Masken lagerten. Auch Zigaretten, Tigerfelle und anderes, was man bei Flughafenkontrollen konfisziert hat.“ Nach Auskunft des Hauptzollamts Köln waren es vor allem alte Akten und Büromaterial, die in langen Metallregalen aufbewahrt wurden, „aber keine Asservate“. (tie)