Wiehler Bürgermeister und Stadtplaner„Möchte nicht in der Großstadt leben“

Lesezeit 4 Minuten
Schulbetrieb mit Visier: Ulrich Stücker und seine oberbergischen Amtskollegen bemühen sich mit großem Aufwand, die Infektionsschutzbestimmungen in ihren Kommunen umzusetzen.

Schulbetrieb mit Visier: Ulrich Stücker und seine oberbergischen Amtskollegen bemühen sich mit großem Aufwand, die Infektionsschutzbestimmungen in ihren Kommunen umzusetzen.

Wiehl – Corona ist eine Herausforderung für die Kommunen. Droht nach der Krise ein harter Sparkurs? Reiner Thies sprach mit Ulrich Stücker, Diplom-Ingenieur für Raumplanung und Wiehler Bürgermeister, über die Perspektiven für den ländlichen Raum.

Die Gewerbesteuereinnahmen brechen zusammen und werden sich wohl so schnell nicht wieder erholen. Müssen die Kommunen bei der Stadtentwicklung auf die Bremse treten?

Stücker: Eine Stadt muss sich immer weiterentwickeln. Dabei geht es wohlgemerkt nicht nur ums Bauen von Gebäuden und Straßen. Aber wenn wir uns nicht auf die Zeit nach Corona vorbereiten, wachsen sich die wirtschaftlichen Herausforderungen zu gesamtgesellschaftlichen Problemen aus. Die Stadtentwicklung ist zudem auch Wirtschaftsförderung. Nach der Krise wird die öffentliche Hand verstärkt Aufträge erteilen müssen. Damit wir dazu in der Lage sind, bedarf es der Unterstützung durch Bund und Land.

Haben Sie die Schockstarre überwunden, die der Ausbruch der Corona-Krise im Rathaus ausgelöst haben dürfte?

Es geht darum, die Stadt auf Kurs zu halten, statt die Heizung im Büro abzudrehen und abzuwarten, bis die Krise vorbei ist. Natürlich müssen wir in uns gehen und manches Projekt hinterfragen. Eine Schockstarre können wir uns nicht leisten.

Werden auch die armen Stärkungspaktgemeinden eine Chance haben, nach der Krise durchzustarten?

Auch hier in Wiehl müssen wir in diesem und im nächsten Jahr Einbrüche bei den Steuereinnahmen hinnehmen. Für viele oberbergische Gemeinden gilt gleichermaßen, dass es ohne einen kommunalen Rettungsschirm nicht gehen wird. Bund und Land werden noch mehr erkennen müssen, dass die Musik in den Kommunen spielt, also dass wir für die Zufriedenheit der Menschen mit dem Staat entscheidend sind.

Welche Lehren können Sie aus der Krise jetzt schon für die kommunale Selbstverwaltung ziehen?

Wir haben gelernt, welche Bedeutung Digitalisierung und Homeoffice für unsere Arbeit haben. Aber wir haben auch gesehen, dass die Selbstverwaltung in der Krise funktioniert. Das habe ich meinem Team zu verdanken und dem Ältestenrat des Stadtrats, der uns zu dieser Zeit den Rücken gestärkt hat. Ebenso wichtig ist aber gewesen, dass sich die Bürgerschaft selbst organisiert hat. Es war großartig zu sehen, wie sich überall in der Stadt Hilfsinitiativen bewährt haben sowie neue entstanden sind, die sich etwa um den Einkauf für ältere Mitbürger kümmern. Das alles hätte die Verwaltung nie alleine leisten können. Dieses bestärkt uns darin, eine Stelle für die Ehrenamtskoordinierung aufzubauen.

Gibt es neue Chancen für den ländlichen Raum?

Ich selbst möchte bei aller Wertschätzung derzeit nicht in einer Großstadt leben und arbeiten müssen. Die Krise bestätigt deshalb unsere Prioritäten der Stadtentwicklung. Ich glaube, dass Homeoffice auf dem Dorf künftig eine viel größere Rolle im Arbeitsleben spielt. Prognosen sprechen davon, dass bis zu 30 Prozent der Arbeitsplätze nach Hause verlagert werden und damit auch in den ländlichen Raum. Dies verringert auch den Pendlerverkehr und hat somit positive Auswirkungen auf den Klimaschutz. Der längere Aufenthalt der Menschen an ihren Wohnorten in den Dörfern bringt aber auch neue Ansprüche und Nachfragen mit sich.

Was meinen Sie?

Das Angebot an Wohnraum, Einzelhandel, Mobilität, Gesundheitsvorsorge und Internetversorgung muss stimmen. Daran werden wir verstärkt arbeiten. Auch die Erholung vor der eigenen Haustüre gewinnt an Bedeutung. Die oberbergischen Talsperren und die Wanderwege müssen sich attraktiv präsentieren. Darüber hinaus hatte ich täglich Anrufer, die wissen wollten, wann wir den Wiehlpark endlich wieder aufmachen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Also birgt die Corona-Krise auch positive Perspektiven für Oberberg?

Zunächst einmal: Die Krise trifft uns alle sehr hart. Wir müssen den Blick nach vorne richten und uns auf ein Wiederanlaufen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens einstellen. Hierzu bedarf es nachhaltiger Konjunkturprogramme, die auch das Thema Klimaschutz stärker berücksichtigen.

Halten Sie es für sinnvoll und praktikabel, im September die Kommunalwahl durchzuziehen?

In dieser Zeit der Krisenbewältigung bleibt für mich persönlich keine Zeit für Wahlkampf, unabhängig davon, ob die Wahl verschoben wird oder auch nicht. Im Hinblick auf den konkreten Wahltermin müssen wir jetzt abwarten, was auf Landesebene entschieden wird.

Rundschau abonnieren