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Kitzretter Rhein-ErftAcht junge Rehkitze in Bergheim vor der Mahd geborgen

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt eines der Rehkitze. Es liegt auf dem Gras.

Dieses Kitz und sieben weitere überlebten die Mahd in Oberaußem dank der Kitzretter Rhein-Erft.

Mähmaschinen erwischen immer wieder mal Wildtiere. In Bergheim konnten die Kitzretter Rhein-Erft acht Tiere vor diesem Schicksal bewahren.

Wo das hohe Gras vor wenigen Stunden ein gutes Versteck bot, lag es gegen Mittag auf den frisch gemähten Feldern darnieder. Die Nachricht erreichte schnell einige Greifvögel: Ein Rotmilan kreiste über die Felder, ein Falke stand im Rüttelflug in der Luft.

Sie wissen: Wo die Mähmaschine durchfährt, erwischt es immer wieder auch mal Wildtiere. Auch die beiden Felder bei Oberaußem hatten acht Rehkitzen als Versteck gedient. Diese konnten alle gerettet werden: Während die Felder gemäht wurden, saßen sie bereits geschützt in ihren grünen Boxen, im Schatten einiger Büsche.

Bergheim: Kitzretter Rhein-Erft suchen Wiesen vor der Mahd ab

Das ist den Kitzrettern Rhein-Erft zu verdanken. Der Verein steht in Kontakt mit Jägern und Landwirten, um Rehkitze vor der Mahd aus den Feldern zu holen und anschließend wieder freizulassen, nachdem die Maschinen fertig sind. „Wir sind für die Kitzrettung im kompletten Rhein-Erft-Kreis da“, sagt Michael Vormann, der sich im Verein engagiert. „Wir suchen vor der Mahd alle Wiesen ab und holen sie raus.“

Das Bild zeigt eines der Rehkitze in der gerade geöffneten grünen Box. Daneben weitere, noch verschlossene Boxen.

Daniel Schiefer von den Kitzrettern und Jäger Andreas Kersting befreiten die Tiere aus ihren Boxen.

Die Notwendigkeit der Rettungsaktion ist ersichtlich, als die ehrenamtlichen Tierretter Michael Vormann, Lukas Schiefer und Jäger Andreas Kersting die Boxen öffnen, um die Kitze wieder freizulassen. Sie müssen die Boxen kippen, damit die Tiere sie verlassen, und selbst dann ergreifen zwei von ihnen nicht die Flucht, sondern plumpsen schlichtweg auf das Gras und bleiben dort sitzen.

Verein Kitzretter Rhein-Erft gründete sich 2023

„Sie haben keinen Fluchtinstinkt“, sagt Michael Vormann. „Die haben einen Duckreflex und gehen nicht raus, wenn die Maschinen kommen“. Das hat der Ehrenamtler auch schon selbst erfahren. „Ich mache selber auch Heu. Ich hatte 25 Jahre lang kein Kitz vermäht.“ Vor fünf Jahren erwischte er dann gleich drei an einem Tag. Alle drei überlebten die Mahd, mussten aber dann erschossen werden, um sie von ihrem Leid zu erlösen. Daraufhin besorgte sich Michael Vormann eine Drohne.

Jäger Andreas Kersting muss die Box kippen, damit das Rehkitz herauskommt.

2023 gründete sich dann der Verein der Kitzretter. Die Methode der Drohne hat sich bewährt. Wenn die Ehrenamtler sie über das Feld fliegen lassen, sehen sie mit ihren Wärmebildkameras, ob Rehkitze irgendwo im hohen Gras versteckt liegen. „In der Regel fangen wir um fünf, sechs Uhr morgens an“, sagt Vormann. Für ein zwei Hektar großes Feld wie das am Mittwoch brauche er lediglich zwei Minuten, um die Tiere zu finden. Dann rückt das Bodenpersonal aus, das durch das hohe Gras marschiert und die Rehkitze einsammelt. Bei Bedarf fangen sie die Tiere mit einem Kescher.

Zusammenspiel von Landwirten, Jägern und Ehrenamtlern

Meistens würden die Landwirte von selbst auf den Verein zukommen, manchmal auch die Jäger. „Die Bekanntschaft wächst langsam. Das Verständnis der Landwirte wird auch immer besser“, findet Michael Vormann. „Es ist so ein Zusammenspiel zwischen Jägern und Landwirten.“

In diesem Fall sei der Besitzer des Hallerhofs auf den ortsansässigen Jäger zugegangen, der wiederum die Kitzretter kontaktierte. Denn zu den Pflichten eines Jägers gehört auch die Hege. „Zur Hege gehört ein angepasster Wildbestand“, sagt Andreas Kersting. „Wir leben ja in einer Kulturlandschaft mit landwirtschaftlichen Flächen und nicht in einer freien Wildbahn. Da müssen wir natürlich dafür Sorge tragen, dass das in einem Gleichgewicht ist.“ Ohne die Freigabe des zuständigen Jägers dürften die Kitzretter die Tiere auch nicht herausholen.

Die Landwirte wiederum sind verpflichtet, vor der Mahd die Wiesen absuchen zu lassen, um Rehkitze zu schützen. „Die meisten sind da sehr gewillt“, sagt Kersting. Bloß der Termindruck könne ihnen da in die Quere kommen, denn in der Landwirtschaft muss es schnell gehen. Passt das Wetter, kann eine Anfrage an die Kitzretter, die alle ehrenamtlich arbeiten, auch sehr spontan kommen.

In diesem Jahr hätten sie bereits um die 50 bis 60  Kitze gerettet, schätzt Vormann. Ein wichtiges Anliegen der Ehrenamtlern und der Jäger: Spaziergänger mit Hunden. „Da verzweifeln wir dran“, sagt Michael Vormann. „Immer wieder bekomme ich Anrufe: Wir haben hier eine totgebissene Ricke, was machen wir mit den Kitzen?“ Die Aufzuchtstationen seien zurzeit überfüllt.

Andreas Kersting wünscht sich, dass Halter stärker sensibilisiert werden und ihre Hunde an Feldern und Wäldern angeleint lassen, insbesondere bis Ende Juli. Denn diese finden Rehkitze auch dort, wo Menschen sie übersehen.