InklusionZwei Frauen in Bergheim helfen behinderten Menschen mit Gebärdensprache und Empathie

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Tanja Langer sitzt am Schreibtisch, vor ihr die Tastatur und ein Notizbuch. rechts daneben sitzt Martina Schankin im Rollstuhl und hält eine Broschüre in ihrer Hand.

Tanja Langer und Martina Schankin helfen behinderten Menschen, ihr Leben zu meistern.

Tanja Langer und Martina Schankin beraten in der EUTB in Bergheim auf Augenhöhe, weil sie selbst behindert sind.

Es kann jedem passieren: Ein Autounfall, ein Bein ist schwer verletzt. Die Ärzte haben keine Wahl — sie müssen das Bein amputieren. Ein solches Ereignis reißt Menschen aus ihrem Leben. Nicht nur der neue Alltag, auch der mühsame Kampf mit Ämtern um Leistungen und Hilfe raubt ihnen Kraft.

Tanja Langer und Martina Schankin von der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) kennen die Probleme. Die Frauen helfen Menschen mit Einschränkungen, ihr Leben zu meistern. Und das nicht nur trotz, sondern auch wegen ihrer eigenen Handicaps.

Auf den ersten Blick ist das Büro der EUTB an der Ecke Südwest- und Marienstraße nicht leicht zu finden. Wer den Eingang entdeckt, den begrüßt Schankin in ihrem Rollstuhl. Deutschlandweit hat die EUTB etwa 500 Beratungsstellen. Drei sind es im Rhein-Erft-Kreis: in Bergheim, Hürth und Frechen. Doch die Bergheimer Beratungsstelle hat ein Alleinstellungsmerkmal, weil Langer und Schankin selbst behindert sind.

Anträge kosten Betroffene viel Kraft

Schankin fehlen der rechte Arm, der rechte Unterschenkel und ein Teil des linken Fußes. Eine Sepsis mit multiplem Organversagen machte die Amputationen notwendig. Sie haben ihr Leben gerettet.

„Nach einem solchen Ereignis streben die meisten danach, wieder ins alte Leben zurückzukommen“, erläutert Schankin. „Wer vorher gesund war, der weiß nicht, was sich alles ändert.“ Menschen mit Amputationen brauchen eine Reha-Therapie, Prothesen, einen Behindertenausweis. Dazu kommen Dutzende Behördenanträge, eventuell Pflege und die Frage, wer das alles bezahlt. Nicht selten brauchen auch Familie oder Partner Beratung.

Wer vorher gesund war, der weiß nicht, was sich alles ändert.
Martina Schankin

Schankin kennt das Warten. Noch Monate nach ihrer Amputation war sie auf Angehörige angewiesen, weil sie keinen elektrischen Rollstuhl erhielt. Und als sie ihn hatte, drohte das nächste Problem: Ihre alte Arbeitsstelle war 50 Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. „In diesem Fall lassen sich Zuschüsse für den Umbau des Autos beantragen“, sagt sie. Die Ämter würden aber streng prüfen, wie wirtschaftlich das sei.

Auch psychisch Kranke können sich beraten lassen

Doch auch in strittigen Fällen sind die Sozialarbeiterinnen für die Menschen da. „Manche Leute haben längst aufgegeben. Wir kämpfen ihren Kampf für sie weiter“, sagt Langer. Sie kämpfe für Familien mit schwerbehinderten Kindern, für Autisten, für Senioren oder Unfallopfer.

„Wir haben auch viele psychisch Kranke. Menschen mit schweren Depressionen oder Borderline-Syndrom, Schizophrenie. Da müssen wir einfühlsam sein.“ Beratung auf Augenhöhe — das ist Langers Motto. Die Sozialarbeiterin ist schwer hörgeschädigt und deshalb auf eine Computerassistenz oder einen Dolmetscher angewiesen. Doch sie spricht auch Gebärdensprache und kann deshalb Beratung in Gebärdensprache anbieten — auf dem Land eine Seltenheit.

Termine sind bei der EUTB montags und mittwochs von 8.30 bis 14.30 Uhr, dienstags und freitags von 8.30 bis 14.30 Uhr sowie donnerstags von 9.30 bis 18 Uhr möglich. Donnerstags bietet die EUTB von 14.30 bis 16.30 Uhr eine offene Sprechstunde an. Hörgeschädigte können sich mittwochs zwischen 9 und 11 Uhr beraten lassen, auch in Gebärdensprache. Sie können aber auch die termingebundenen Sprechzeiten nutzen. 

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