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Peter Hirseler im Interview„Wir haben in Bergheim eine Tradition als Energiestadt“

6 min
Peter Hirseler trägt ein dunkelblaues T-Shirt und hat einen Bart. Hinter ihm sieht man einige Bäume und das Medio Rhein Erft.

Die Grünen haben Peter Hirseler als Bürgermeisterkandidat gewählt. 

Peter Hirseler will Bergheims Bürgermeister werden. Der Grüne Fraktionsvorsitzende will mehr Klimaschutz und mehr Bürgerbeteiligung.

Peter Hirseler, geboren 1964, ist der Bürgermeisterkandidat und Fraktionsvorsitzender der Grünen in Bergheim. Aufgewachsen in Büsdorf, kam er 1983 über eine Friedensinitiative zu seinem politischen Engagement bei den Grünen. 1986 war Hirseler erstmalig in einem Ausschuss aktiv und ist seit 1989 Mitglied im Rat der Stadt Bergheim. Seine Ausbildung als Energieanlagenelektroniger absolvierte er bei Rheinbraun. Heute arbeitet er als Techniker im Haus Sandberg, einem Seniorenheim in Oberaußem.

Peter Hirseler, welche Erfahrungen aus Ihrer Vita möchten Sie als Bürgermeister einbringen?

Peter Hirseler: Ich trete als Handwerker an. Ich habe bei Rheinbraun gelernt und habe mein Leben lang hier in Bergheim gearbeitet. Als Praktiker geht man Lösungen anders an als jemand, der vom Schreibtisch aus Entscheidungen trifft. Das ist ein bisschen der Gegenpart zum Bürgermeister und den anderen Kandidaten. Außerdem kann ich Dinge anders beurteilen als jemand, der sich für jedes Gewerk fünf Berater holen muss. Ich werde die auch brauchen, aber ich kann mir vorab schneller eine Meinung dazu bilden.

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Hirseler findet, der Bürgermeister habe viele Erwartungen nicht erfüllt

Wie bewerten Sie Volker Mießelers Amtszeit?

Der Bürgermeister macht nicht alles falsch, wir haben ihn schließlich damals mit auf den Schild gehoben. Wir hatten ihn als Leiter der Stadtwerke kennengelernt und alle gehofft, dass wir Erneuerbare Energien in Bergheim wirklich ausbauen würden. Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Er hat viele Erwartungen nicht erfüllt, Versprechen nicht eingehalten. Das hängt nicht nur an ihm. Ich denke, die CDU hat auf vieles einfach keine Lust. Dabei hätte er sich mehr durchsetzen können. Ohne Volker Mießeler wäre die Galionsfigur weg, die eigentlich alles macht. Aber ich denke, er ist in seinem Denken immer noch ein Verwaltungsangestellter, kein Politiker.

Was ist denn gut gelaufen unter dem heutigen Bürgermeister?

Wenn man sich die Ausschusssitzungen zum Sozial- oder Kulturbereich ansieht, gibt es da fast nur einstimmige Beschlüsse. Das zeigt, dass der Rat da größtenteils an einem Strang zieht. Der ganze Bereich Kinder und Jugend läuft ganz gut – mit ein paar Einschränkungen.

Wir bauen auch neue Kindergärten, aber schon für die jetzigen haben wir zu wenig Personal, sodass die Eltern erst morgens erfahren, ob ihre Kinder betreut werden oder ob wieder Notgruppe angesagt ist.
Peter Hirseler

Welche Einschränkungen meinen Sie?

Zum Beispiel bauen wir eine dreizügige Grundschule an der Albrecht-Dürer-Allee, wo gegenüber schon die vierzügige Astrid-Lindgren-Schule ist. Das hat rein monetäre, aber keine schulpolitischen Gründe: Es war eben gerade ein Grundstück frei, weil man mit Landeszuschüssen ein Hochhaus abreißen konnte und an öffentliche Nutzung gebunden ist. Die Grundschule wird von Kindern besucht werden, die aus Ahe oder Quadrath weit mit dem Bus anreisen müssen, anstatt die Schule im Heimatort zu bauen. Wir bauen auch neue Kindergärten, aber schon für die jetzigen haben wir zu wenig Personal, sodass die Eltern erst morgens erfahren, ob ihre Kinder betreut werden oder ob wieder Notgruppe angesagt ist. Die Arbeitskräfte fallen ja nicht vom Himmel. Keiner hat da ein Patentrezept für, aber bevor wir eine neu gebaute Gruppe aufmachen, müssen wir die Bestehenden ans Laufen bekommen.

Was sind Ihre konkreten Pläne für den Klimaschutz in Bergheim?

Wir müssen unsere Emissionen von Treibhausgasen verringern. Das Klimaschutzkonzept benennt die Probleme. In den Bereichen Wohnen und Verkehr hinken wir wie der Bund in der Bilanz hinterher. Im Energiebereich werden wir schneller, obwohl wir lange Zeit nichts gemacht haben: Der neue Plan der Bezirksregierung sieht deutlich mehr Fläche für Windkraft in Bergheim vor. Ich möchte außerdem jedes Dach mit Solarpanelen bestücken. Mit günstigem Strom müssen die Leute weniger zahlen und wir haben einen Standortvorteil für die Industrie. Außerdem müssen wir die Stadt widerstandsfähig gegen Folgen des Klimawandels machen. Dafür brauchen wir viel mehr Grün, vor allem in den bebauten Stadtteilen. Ärgerlich ist es, wenn wie in Quadrath vor dem Kulturbahnhof genau das nicht gemacht wird. Das hätte viel schöner werden können, als es heute ist, und jetzt habe ich eine riesige Fläche, die komplett versiegelt ist, mit ein paar Bäumchen auf Restflächen.

Kandidat der Grünen will mehr Bürgerbeteiligung

Was sind die drei Dinge, die Sie als Bürgermeister sofort anpacken würden?

Ich würde die Bauakten digitalisieren. Tausende Akten, die im Keller seit Jahrzehnten gehortet werden, müssen ja nicht so schnell digitalisiert werden, aber was wir jetzt reinbekommen, also Antragstellung und Bearbeitung, würde so schneller und einfacher werden. Das zweite, und das kostet gar kein Geld: Ich würde im Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden dafür sorgen, dass der Rat wieder zu einem Parlament wird. Das bedeutet: Gute Argumente zählen, nicht das Ergebnis der Vorberatungen einer Mehrheitsfraktion. Das kann man nicht erzwingen, aber man kann dazu beitragen, indem man die Fraktionsvorsitzenden-Runde, die maximal fünfmal im Jahr stattfindet, mindestens zweiwöchentlich macht, vielleicht wöchentlich. Der Informationsfluss wird so deutlich besser wird und wir können wieder offener diskutieren. Und dann kommen wir wieder zu besseren Ergebnissen, weil unterschiedliche Meinungen und Aspekte in die Entscheidung miteinbezogen werden. Das dritte ist: Die Bürgerbeteiligung endlich ernst nehmen.

Man sollte nicht für jede Kleinigkeit einen Verwaltungsweg beschreiten müssen, der dann in vielen Fällen schon dazu geführt hat, dass man es hat sein lassen.
Peter Hirseler

Passiert das aktuell noch nicht?

Es fällt doch auf, dass der Bürgermeister just ein halbes Jahr vor der Wahl wieder anfängt, Bürger.Mit.Wirkungs-Termine in den Ortsteilen zu machen. Dann tingelt man da hin und hält Vorträge zu den tollen Dingen, die man macht. Dabei müsste Bürgerbeteiligung auch die schwierigen Dinge ansprechen, bei denen man noch nicht weitergekommen ist. In Bergheim zum Beispiel war die Remigiusschule erst auf Nachfrage ein Thema, es wurde kein Wort über die Fläche an der Beißelstraße verloren. Man muss häufiger mit den Leuten ins Gespräch kommen, alle Themen ansprechen, das vernünftig dokumentieren. Und damit auch ein Ansporn da ist, sollte man es mit einem Stadtteilbudget verknüpfen. Wenn ich Leute fit machen will, sich um die Belange ihres Ortes zu kümmern, dann brauchen die Geld. Man sollte nicht für jede Kleinigkeit einen Verwaltungsweg beschreiten müssen, der dann in vielen Fällen schon dazu geführt hat, dass man es hat sein lassen. Das muss praktischer und schneller gehen. Und man muss es den Leuten so einfach wie möglich machen.

Wenn wir fünf Jahre in die Zukunft schauen, wo steht Bergheim dann idealerweise?

Ich glaube, fünf Jahre ist da zu kurz gegriffen. Wir sind da noch am Anfang eines wichtigen Prozesses, nämlich die Nachnutzung der Kraftwerksfläche zu planen. Deshalb müsste man eigentlich sagen – wo stehen wir 2040? Als RWE kam, hat sich die Stadt komplett umgekrempelt. Da kamen Tausende Leute von weit her und haben neue Gedanken mitgebracht. Jetzt wird sich die Stadt wieder mit den Menschen verändern, die eine andere Sichtweite mitbringen. Bei allem Fortschritt brauchen wir weiterhin Leute, die aufs Dach klettern können, die Gas und Wasser anschließen können. Ohne die wird es nicht funktionieren. Dass KI wichtig werden wir, ist ein vorgezeichneter Weg. Aber wir haben eine Tradition als Energiestadt. Das war lange schmutzige Energie - mein Vater hat in Quadrath noch in der Grube gearbeitet. Jetzt kommen wir zu sauberer Energie. Wenn wir das vernünftig machen, können wir Energiestadt bleiben und verbinden die Tradition mit der Moderne.