BrühlFast vergessene Krippenfiguren bekommen Ehrenplatz

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Aus den Trümmern der Schlosskirche wurde Maria mit dem Jesuskind geborgen.

Aus den Trümmern der Schlosskirche wurde Maria mit dem Jesuskind geborgen.

Brühl – Die Künstlerin Carolina Seidenfaden (1898 bis 1989) ist nahezu vergessen. Dabei gehörte die Tochter eines wohlhabenden Ziegeleibesitzers zu den ersten Frauen, die an der Kunstakademie in Düsseldorf studierten. Lina, wie sie genannt wurde, machte hier 1926 ihren Abschluss und war anschließend als Kunstlehrerin tätig.

Nach dem frühen Tod der Eltern übernahm sie die Führung der Dampfziegelei Johann Seidenfaden; um ihren Lebensunterhalt und den ihrer jüngeren Geschwister zu bestreiten, führte sie nach dem Verkauf des Werks zeitweise einen Kinderhort.

Die Hirten haben ausdrucksstarke Gesichter.

Die Hirten haben ausdrucksstarke Gesichter.

Ihre künstlerische Tätigkeit nahm sie erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder auf. Die gebrochene Biografie mag der Grund dafür sein, dass sie keine überregionale Bekanntheit erlangte. „Durch Familienverhältnisse bedingt, konnte ich meinen erlernten Malerberuf erst ab meinem 65. Lebensjahr ausüben und war dann natürlich altmodisch“, äußerte sich Lina Seidenfaden selbstkritisch.

Im Elternhaus an der Rheinstraße hatte sie ihr Atelier. Dort dürften auch die Krippenfiguren entstanden sein, die sie vermutlich in den späten 1950er Jahren als Auftragswerk für die Schlosskirche St. Maria von den Engeln anfertigte. Bis 2011 wurde hier alljährlich zu Weihnachten die Krippe mit Lina Seidenfadens Werken aufgebaut, dann erwarb die Kirchengemeinde eine neue Krippe.

Die alten Figuren wurden eingelagert und gerieten in Vergessenheit

Einem Zufall ist es zu verdanken, dass Marie-Luise Sobczak davon erfuhr. Umgehend sicherte sie sich das Ensemble für eine Ausstellung im Museum für Alltagsgeschichte. „Damit habe ich ein Thema für die traditionelle Weihnachtsausstellung, zugleich kann ich an eine Brühler Künstlerin erinnern“, freute sich die Museumsleiterin. Wegen des Corona-bedingten Lockdowns sind die Hirten und die Heiligen Drei Könige, Josef, Maria und der Jesusknabe allerdings erst ab 20. Januar der Öffentlichkeit zugänglich, sofern nicht neue Corona-Bestimmungen auch diese Pläne durchkreuzen.

Wer die Kleidung der Figuren schuf, ist unklar.

Wer die Kleidung der Figuren schuf, ist unklar.

Die Neuanfertigung der Figuren war erforderlich, weil die Schlosskirche und das Inventar bei einem Bombenangriff am 28. Dezember 1944 erheblich beschädigt wurden. Einige Krippenfiguren konnten allerdings aus den Trümmern geborgen werden. Maria und das Jesuskind, Caspar, Melchior und Balthasar und das Kamel waren unversehrt geblieben.

Nach dem Vorbild der verbliebenen Heiligen Drei Könige gestaltete Lina Seidenfaden dann die neuen, etwa 35 Zentimeter großen Figuren.

Rund 35 Zentimeter sind die Figuren groß.

Rund 35 Zentimeter sind die Figuren groß.

Aus einer Mischung von Sägespänen und Leim hat die Künstlerin sie modelliert, möglicherweise hat sie sogar Fragmente der alten Figuren verwendet. Ob sie auch die Kleidung gefertigt hat, ist allerdings fraglich.

Beim genauen Hinsehen erkennt man, dass Seidenfadens Figuren deutlich gröbere Züge tragen als die Maria, die vermutlich aus der Barockzeit stammt. „Lina Seidenfaden ist bei ihrer Gestaltung auf den damals herrschenden Zeitgeist eingegangen“, stellt Marie-Luise Sobczak fest, „ihre Figuren erscheinen sehr volkstümlich“. Den Hirten gab Lina Seidenfaden ausdrucksstarke Charakterköpfe, Maria erscheint weicher und weiblich.

In Privatbesitz

Doch Lina Seidenfadens Werke sind auch weiter verstreut. Zwei weitere Krippen der Künstlerin befinden sich in Brühler Privatbesitz.

Das Grabmal der Familie Seidenfaden auf dem Südfriedhof steht unter Denkmalschutz, ebenso ihr früheres Wohnhaus in der Rheinstraße 4.

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Die Ortsgemeinschaft Brühl-Ost, die das im Dezember 2018 erschienene Heft 4 der „Verzällche usem Veedel“ der Künstlerin gewidmet hat, sähe es gerne, wenn eine Straße nach Lina Seidenfaden benannt würde.

Die Ausstellung im Museum für Alltagsgeschichte in der Kempishofstraße ist vom 20. Januar bis 7. Februar mittwochs und samstags von 15 bis 17 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.

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