Glühwein und TannenbäumeDauerstress statt Besinnlichkeit in der Weihnachtszeit
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Ingrid Schreiber (l.) und Silke Voss (r.) haben in der Enzianhütte alle Hände voll zu tun. Simon Burggraf (l.) und Gregor Moritz (r.) verkaufen Weihnachtsbäume.
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Brühl – Eigentlich steht die Adventszeit für Ruhe und Besinnlichkeit, doch zum gemütlichen Spekulatiusessen und Teetrinken bei Kerzenschein kommen in den Tagen vor Weihnachten nicht alle. Für einige ist es die arbeitsreichste Zeit. Und die will gemeistert sein.
Darin hat Ingrid Schreiber Übung. Seit 20 Jahren sei sie auf dem Brühler Weihnachtsmarkt in der Enzianhütte die „gute Seele“, sagt ihre Kollegin Silke Voss anerkennend. „Gerade in den letzten Tagen vor Weihnachten geht hier die Post ab“, berichten die beiden Frauen. „Wenn es auf Heiligabend zugeht, bewältigen wir hier manchmal wirklich Massen“, berichtet Voss. „Aber für mich ist das positiver Stress“, erzählt Schreiber. Viele Gesichter sind ihr inzwischen sehr vertraut, da weiß sie, was der Kunde mag. Die Getränkeliste kennt sie längst auswendig. Ob Kölsch, Glühwein, Winzertraum oder der beliebte Eierpunsch nach einem Rezept des Hauses, das nicht verraten wird, „wenn der Ansturm kommt, muss jeder Handgriff sitzen.“ Dann heißt es für das ganze Team, Gläser rausgeben, wieder entgegennehmen, spülen, neu füllen.
Schreiber arbeitet gern in der von Gastronom Konrad Steinmann betriebenen Hütte, deren Eingang ein 16-Ender-Geweih ziert und die im hinteren Teil gemütlich mit Fellen ausgestattet ist. „Die Leute können sich hier vom stressigen Einkaufen erholen. Das ist für mich auch ein schöner Lohn.“
Ingrid Schreiber (l.) und Silke Voss (r.) haben in der Enzianhütte alle Hände voll zu tun. Simon Burggraf (l.) und Gregor Moritz (r.) verkaufen Weihnachtsbäume.
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Während es sich die einen mit Glühwein gut gehen lassen, kaufen andere nur ein paar Meter weiter in der Brühler Fußgängerzone bei Erwin Nyland aus dem holländischen Hängelo die verschiedensten Sorten Käse ein. Manche frieren ihn sogar fürs nächste Jahr ein. Denn nach dem 24. Dezember ist der Händler wieder weg. Vor 17 Jahren kam er zum ersten Mal als Besucher eines holländischen Standes auf den Brühler Weihnachtsmarkt und hat sich in das „nette Städtchen sofort verguckt“. Seitdem kommt er jedes Jahr mit seinem Käsestand für vier Wochen hierher – „und in dieser Zeit nicht mehr zum Friseur“, verrät er und schmunzelt. „Jetzt merke ich schon, dass mir Schlaf fehlt.“ Denn Erwin Nyland arbeitet auch den Wochenenden von 9 bis 20 Uhr durch. „Doch dieser Stress hält mich irgendwie auch lebendig, und die Hektik gehört fast zur Vorfreude aufs Fest.“
Die Weihnachtsvorbereitungen treffen unterdessen seine Frau und seine Tochter. Nylands Rezept für gestresste Einkäufer: ein Stück Käse – ob mit Pesto, Kräutern oder Trüffeln.
Fehlt nur noch der Baum. „Den holen sich jedes Jahr immer wieder auch einige Leute erst am 24. Dezember“, erzählt Gregor Moritz. Seit 38 Jahren verkauft seine Familie Tannen am Kaiserbahnhof. Für Spätentschlossene ist hier an Heiligabend noch geöffnet. „In den Tagen zuvor arbeiten wir schon im Akkord“, berichtet der 22-Jährige. „Das heißt, wir bringen die Bäume hierher, netzen sie ein und sägen den Stamm an.“
Angesagt sei bei den meisten Familien eine Nordmann-Tanne mit dichteren Zweigen. „Manche lassen sich auch erst acht, neun Exemplare präsentieren, bevor sie sich entscheiden“, erzählt Simon Burggraf, der beim Verkauf zur Hand geht. „Sie haben klare ästhetische Vorstellungen, wie der Baum gewachsen sein soll, damit auch Kerzen und Schmuck perfekt passen“, so der 26-Jährige. „Andere sind pragmatisch, schauen ihn sich kurz an, nehmen den Baum und bezahlen den Preis.“ Etwas entschädigt die beiden Männer für ihre vollen Tage: Das Strahlen der Menschen, wenn sie ihren Weihnachtsbaum gefunden haben.