Grabungsteam des LVR-AmtesHistorische Funde in Erftstadt-Erp entdeckt

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Diese noch gut erhaltene Urne wurde auf dem Gräberfeld bei Erp gefunden.

Diese noch gut erhaltene Urne wurde auf dem Gräberfeld bei Erp gefunden.

Erftstadt-Erp – Einer spannenden Zeitreise glich das, was ein Grabungsteam des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege auf der geplanten Erweiterungsfläche der Kiesgrube Rhiem & Sohn am Ortsrand von Erftstadt-Erp in monatelanger Arbeit freilegte.

Dass es in weniger als einem Meter Tiefe unter der Oberfläche des früheren Ackers einiges zu entdecken gab, war bereits vorher bekannt. „Denn es gab schon 2012 und 2016  erste Untersuchungen“, berichtet Archäologin Petra Tutlies, Leiterin der Nideggener Außenstelle des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Vor Jahren seien schon Urnen gefunden worden.

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Als nun feststand, dass die Kiesgrube ihr Betriebsgelände erweitert, war die Zeit gekommen, die obere Bodenschicht systematisch  unter die Lupe zu nehmen, bevor sie abgebaggert wird. „Die Herausforderung vor Ort bestand darin, dass in dem rötlichen Boden mögliche Fundstellen nur schwer zu sehen waren“, berichtet Archäologin Tutlies. Daher sei mit einer speziellen Methode das Erdmagnetfeld gemessen worden.

Das von einer Drohne aufgenommene Übersichtsbild zeigt die Größe eines der Kreisgräben im Vergleich zu einem Bagger.

Das von einer Drohne aufgenommene Übersichtsbild zeigt die Größe eines der Kreisgräben im Vergleich zu einem Bagger.

Tatsächlich wurde eine Menge entdeckt. Im Boden wurden große, kreisförmige Verfärbungen sichtbar. Mit bloßem Auge sind sie für den Laien kaum wahrnehmbar. Fachleute hingegen erkennen die Verfärbungen sogleich. Auf Luftbildern, die mit Hilfe einer Drohne gemacht wurden, sieht man sie ganz deutlich.

22 Meter Durchmesser

Die Kreise markieren sozusagen den Umfang eines Hügels, unter dem sich eine Urne befand. „In der Vorgeschichte wollte man die Ahnen im Blick haben“ erläutert Tutlies. Solche Hügel konnten durchaus einige Meter hoch sein. „Sie waren richtige Landmarken. Je höher der Hügel, desto bedeutender war die dort begrabene Persönlichkeit.“ In Erp maß der größte Kreisgraben 22 Meter im Durchmesser. „Aber es wurden noch deutlich größere in der Region gefunden“, berichtet die  Archäologin. Im Bergheim-Paffendorfer Gewerbegebiet war ein Kreisgraben mit 45 Metern Durchmesser entdeckt worden.

Das Besondere an der Grabung in Erp bestand laut Tutlies darin, dass immer neue Gräben sichtbar wurden, sobald eine tiefere Schicht freigelegt war. „Die Kreise überschneiden sich zum Teil, daraus ergibt sich eine zeitliche Abfolge.“ Datiert werden könnten die Anlagen auf etwa 1000 bis 600 vor Christus. Auch Reste einer Siedlung seien gefunden worden. Pfostengruben wurden entdeckt, also jene Stellen im Boden, in denen die Pfosten der Wohnhäuser und Ställe eingelassen waren.

Viele Menschen dürften hier nicht gelebt haben. „Vielleicht waren es zehn, wohlmöglich eine Familie oder ein Clan“, erläutert die die Fachfrau vom LVR. Die Zahl der Grabstellen, verteilt über die Jahrhunderte, deute darauf hin. Die Gruppe lebte offenbar sehr lange auf dem Gehöft.

Auch Reste von Knochen, Zähne und Grabbeigaben

Nicht nur Kreisgräben kamen zum Vorschein, sondern auch Urnen. Das kleinste der  40 entdeckten Behältnisse hat einen Durchmesser von gerade mal zehn Zentimetern, das größte ist sechsmal so groß. In dem durch Regenwürmer und Wurzeln gut belüfteten Boden seien organische Funde, also Knochen, nicht zu erwarten, erläutert Tutlies. Bei Keramik und Stein sehe das anders aus. Und auch verkohlte organische Reste seien bisweilen gut erhalten. Tatsächlich lässt sich in den Urnen nicht nur Asche finden, sondern auch Reste von Knochen, Zähne und Grabbeigaben. Dazu zählen Bruchstücke eines Rasiermessers in der Grabstelle eines Mannes und keramische  Gefäße als Beigabe für ein Frauengrab. „Aus der Qualität der Beigaben lässt sich der Rang der beigesetzten Menschen in der Sozialstruktur folgern.“

Petra Tutlies zeigt an ihrem Arbeitsplatz in Nideggen Aufnahmen von Funden aus Erp.

Petra Tutlies zeigt an ihrem Arbeitsplatz in Nideggen Aufnahmen von Funden aus Erp.

So viel lasse sich wohl sagen: „Hochgestellte Persönlichkeiten waren hier nicht beigesetzt, es handelte sich um Menschen einfachen Ranges.“ Erdbestattungen gab es damals aus religiösen Gründen nicht. Von der Ukraine bis nach Frankreich habe es etwa von 1200 bis 800 vor Christus fast nur Urnen als Bestattungsform gegeben, erläutert Tutlies.

„Nur kleine Exemplare überstanden die Zeit unbeschadet“

So erfreut die Archäologen über die Urnenfunde und ihre Aussagekraft auch nach Jahrtausenden sind, so traurig sind sie über die Tatsache, dass bislang kein einziger Verbrennungsplatz in der ganzen Region entdeckt wurde. „Die Erklärung dafür ist einfach. Diese Plätze befanden sich zu dicht an der Bodenoberfläche und verschwanden mit der Zeit“, berichtet die Expertin. Durch die intensive Nutzung der fruchtbaren Äcker und das Pflügen hätten die meisten Aschegefäße Schaden genommen.  „Nur kleine Exemplare überstanden die Zeit unbeschadet.“

Immerhin werde inzwischen in der Landwirtschaft dazu übergegangen, den Boden zu grubbern (also aufzulockern) statt ihn tief durchzupflügen. Zudem gebe es Zwischensaaten, damit der Boden nicht bloßliege und von Wind und Regen abgetragen werde. Dennoch sei die Lage für die Bodendenkmalpflege schwierig.  Tutlies: „Die Bodenerosion lässt immer weniger übrig von den Zeugnissen aus der Vorgeschichte. Die Archäologie kämpft gegen die Zeit.“

Tierknochen, Hundezähne und Hirschgeweihe

Auf einer Fläche von 9630 Quadratmetern hat ein Team aus fünf bis sechs Menschen von Ende Juli bis Mitte Januar jeden Quadratmeter gründlich untersucht. Das Team wurde geleitet vom Grabungstechniker Abdolreza Mousavian.

Die vielen Funde, zu denen auch Tierknochen, Hundezähne und Hirschgeweihe  zählen, wurden zur Außenstelle des Bodendenkmalamtes nach Nideggen-Wollersheim gebracht. Hier werden sie  getrocknet und zwischengelagert.  Restauratoren des Landesmuseums Bonn setzen Scherben der beschädigten Urnen zusammen.

Nach einer Erstauswertung folgt die wissenschaftliche Feinarbeit, die detaillierte Dokumentation in den Bonner Jahrbüchern des Rheinischen Landesmuseums. Die Funde werden  in speziellen Depots aufbewahrt und nach Möglichkeit  eines Tages in einer Ausstellung über das Urnengräberfeld von Erp präsentiert.

Interessantes Dokument aus der Vorgeschichte

Die Kooperation zwischen LVR und dem Kiesgrubenbetreiber, der Firma Rhiem & Sohn, ist laut Archäologin Petra Tutlies  sehr angenehm gewesen.„Wir haben gern mit Gerät ausgeholfen. Und das Ergebnis der Ausgrabungen ist ein überaus interessantes Dokument aus der Vorgeschichte“, betont seinerseits Heinz Czerwonsky, Prokurist der Kiesfirma Rhiem.

Die gesamten Kosten für die archäologischen Arbeiten in Erp belaufen sich nach Schätzung des LVR auf einen sechsstelligen Betrag. Die größten Posten sind Ausgaben für Personal und technisches Großgerät. Finanziert werden die Arbeiten vom Land.

www.bodendenkmapflege.lvr.de

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