Udo Beißel zum Urteil und den Tumulten nach der Verhandlung über das Zugunglück in Hürth im Amtsgericht Brühl

KommentarTumulte im Gericht nach Urteil zum Zugunglück in Hürth

Familienangehörige der Opfer traten bei der Gerichtsverhandlung als Nebenkläger auf.
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In dieser Woche ging der Prozess zum Zugunglück in Hürth vor dem Amtsgericht Brühl zu Ende. Bei dem Unglück waren im Mai 2023 zwei junge Gleisarbeiter (27/31) von einem IC überfahren worden, weil die Strecke zwischen Hürth und Brühl nicht gesperrt worden war. Angeklagt war ein Mann, der mit für die Sicherheit an den Gleisen zuständig war.
Schon vor dem ersten Prozesstag war klar, dass die Angehörigen der Opfer, die als Nebenkläger auftraten, unabhängig vom Urteil nicht zufrieden sein würden. Den Verlust zweier geliebter Menschen kann kein Richterspruch nur annähernd wiedergutmachen. Respekt verdienen einige Familienangehörige und dabei insbesondere die Mutter eines der Opfer. Sie verfolgte alle drei Verhandlungstage und ließ sich alle Details von einem Dolmetscher übersetzen. Nicht selten sackte die Frau in sich zusammen und konnte oftmals kaum die Tränen unterdrücken.
Nicht zu akzeptieren ist jedoch das Verhalten anderer Angehöriger der Opfer und deren Freunde im Zuschauerraum. Zwischenrufe gehören nicht in einen Gerichtssaal, auch wenn diese vom Bruder eines der Opfer kommen. Das machte der Richter dem Mann schnell und unmissverständlich deutlich.
Dass der Vorsitzende mehrfach betonen musste, dass während der Verhandlung nicht mit dem Handy hantiert wird und auch die Baseball-Kappe im Saal nicht auf den Kopf gehört, sind nur zwei Randaspekte. Toleranz zeigte er, als sich im Zuschauerraum nicht alle von den Plätzen erhoben, als Schöffen und Richter den Saal betraten. Kein Verständnis brachte er auf, als am zweiten Tag ein Zeuge nicht erschien. Diesen ließ er von der Polizei umgehend vorführen. Der Angeklagte wurde schließlich freigesprochen, da ihm die Schuld nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. In dubio pro reo. Das gilt es zu akzeptieren – auch für die Angehörigen. Sie haben die Möglichkeit, Revision gegen das Urteil einzulegen. Inakzeptabel ist daher, dass es im Anschluss zu Tumulten im Gerichtssaal kam.
Die Schwester eines Opfers brüllte den Freigesprochenen an, er möge doch mit der Mutter sprechen und sagen, was wirklich passiert sei. Drohgebärden waren zu sehen. Ein Familienmitglied ging im Vorraum die Staatsanwältin verbal an und stellte den von ihr geforderten Freispruch infrage. Zwei Männer folgten der Staatsanwältin, sodass auch Außenstehende ein mulmiges Gefühl beschlich. Richter und Justizangestellte ließen sich nicht einschüchtern. Sie schirmten den Freigesprochenen und seinen Anwalt ab und bremsten die beiden Männer, die der Staatsanwältin folgen wollten, geschickt an der Schleuse am Gerichtsausgang aus – gut so. Wie auch immer man zu dem Urteil steht, die Justiz hat einen guten Job gemacht.