Das Gehirn der EnergiewendeNeue Netzleitwarte in Pulheim-Brauweiler vorgestellt

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Rund um die Uhr haben die Ingenieure die Stromversorgung auf dieser Großbildanzeige in Brauweiler im Blick.

Rund um die Uhr haben die Ingenieure die Stromversorgung auf dieser Großbildanzeige in Brauweiler im Blick.

Pulheim-Brauweiler – Europa ist am 8. Januar dieses Jahres haarscharf an einem Blackout vorbeigeschrammt. Eine Umspannanlage in Kroatien hatte sich abgeschaltet und hätte damit beinahe einen flächendeckenden Stromausfall verursacht. Dass die Lichter nicht ausgingen, war nicht zuletzt der neuen Hauptschaltleitung (HSL) in Brauweiler zu verdanken.

„Nach einer Stunde hatten wird das Gesamtsystem wieder synchronisiert“, berichtet Dr. Hendrik Neumann, als Chief Technology Officer (CTO) ist er der oberste Techniker bei Amprion. Der Netzbetreiber – einer von vieren in Deutschland – habe rund 100 Millionen Euro in diese Netzleitwarte investiert, sie sei die größte in Europa.

Hochmoderne Rechner

Künstliche Intelligenz und zwei hochmoderne Rechenzentren: „Die Hauptschaltleitung ist das Gehirn der Energiewende“, formuliert Neumann. Er schiebt gleich noch einen Superlativ hinterher: Die Großbildanzeige habe eine Fläche von 108 Quadratmetern und sei damit die größte in Europa und die drittgrößte der Welt.

Ingenieure haben dort 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche im Blick, ob genügend Strom mit der richtigen Spannung fließt. Etwa 30 Beschäftigte arbeiten in Brauweiler. Sie überwachen die Netze von Nordfrankreich bis Tschechien und von Dänemark bis Norditalien. Das sei das größte Beobachtungsgebiet in Europa, und Amprion sei damit dafür verantwortlich, dass rund 500 Millionen Menschen mit Strom versorgt würden.

Komplexe Abläufe

Die HSL ist so aufgebaut, dass sie jederzeit um neue Elemente erweitert werden kann. Denn die Lage ändere sich schnell. „Wir verlieren sukzessive die Großkraftwerke, die eigentlich der Schmierstoff sind, um die Spannung aufrechtzuerhalten“, sagt Neumann. Je mehr Strom aus Sonne und Wind erzeugt werde, desto komplexer würden die Abläufe im Netz. Selbstlernende Algorithmen könnten die Energiemenge mittlerweile so präzise vorhersagen, dass die Prognose nur 1,5 bis drei Prozent von der Realität abweiche. Neumann: „Durch technische Innovation ermöglicht die HSL unseren Schaltingenieuren in Sekundenschnelle die Bewertung des globalen Systemzustands. Dies gewinnt umso mehr an Bedeutung, je stärker wir das Netz an seinen technischen Grenzen betreiben.“ Komplizierter werde die Arbeit in der Leitwarte auch dadurch, dass immer mehr kleine Energielieferanten an die Stelle der großen Kraftwerke träten, der Ausbau der Leitungen aber nicht so schnell vorankomme, wie man sich das wünsche.

Amprion leitet nicht nur Strom aus Windkraftanlagen an der Nordsee Richtung Süddeutschland, sondern bindet auch Gas und Wasserstoff ein.

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„Die HSL ist ein Baustein für ein sicheres, klimaneutrales Energiesystem“, sagt Amprion-CEO Dr. Hans-Jürgen Brick. Er fordert mehr Klimaschutz und weniger Bürokratie: „Die Zeit für ordnungspolitische Debatten ist vorbei.“ Als positives Beispiel führt er Allegro an. So heißt die erste Leitung zwischen Belgien und Deutschland, durch die Gleichstrom fließt. Von der Planung bis zum Betrieb habe es nur vier Jahre gedauert. Wenn man den Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz lösen wolle, dürfe man sich nicht Kleingedruckten verlieren.

Mit Blick auf die Energieversorgung der Zukunft habe Amprion das Projekt „Systemvision 2050“ gestartet. Mit Partnern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft werden dort weitere Ideen entwickelt.

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