Ein großes Team organisiert in der Gaststätte von Stefan Höller an der Hauptstraße in Much seit zehn Jahren die stimmungsvolle Feier an Heiligabend.
WeihnachtsfeierFür Alleinstehende hat die Schublade in Much an Heiligabend geöffnet

Paul Radau sang mit vier engagierten Kindern bei der Weihnachtsfeier für Alleinstehende in der Schublade in Much Weihnachtslieder.
Copyright: Ralf Rohrmoser-von Glasow
„Das ist ein Weihnachtscafé für Menschen, die allein sind, oder gerade jemand verloren haben“, Anita Schlimbach vom Hospizdienst ist gerade auf dem Weg in die Küche der Schublade, der Gaststätte von Stefan Höller an der Hauptstraße in Much. Sie gehört zum großen Team, das die Weihnachtsfeier an Heiligabend organisiert.
Gerd Binder ist einer von den 45 Gästen, die das Angebot gerne annehmen: „Ich bin das erste Mal hier. Meine Frau ist im Juli gestorben“, erzählt er. „Am 29. Dezember ist unser Hochzeitstag. Es ist das erste Weihnachten ohne sie.“ Er nimmt die Gelegenheit wahr, Menschen in Much kennenzulernen. Denn den Kopf in den Sand zu stecken, ist nicht seins. Gerade ist er im Gemeinderat zum Inklusionsbeauftragten gewählt worden.

Gerd Binder war zum ersten Mal bei der Feier dabei.
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Dabei ist er selber noch nicht ganz fit, ist auf seinen Rollator angewiesen. „Einsamkeit ist schon ein Punkt, auf den wir im demografischen Wandel achten müssen“, weiß er aus eigener Erfahrung. Die Feier genießt er, nicht zuletzt, weil er Kontakte knüpfen kann. „Ich kann mich mit den Problemen genau so identifizieren wie mit den Aufgaben.“ Sagt’s und klaut sich vom Nachbartisch ein Stück Kuchen.
Manchem Gast fällt sonst zu Hause die Decke auf den Kopf
Ihm gegenüber sitzt Anita Klein, auch zum ersten Mal an Heiligabend in der Schublade. „Ich bin schon sehr lange allein“, verrät sie, „jetzt war ich lange krank. Du musst mal raus, habe ich mir gesagt, mir fiel zu Hause die Decke auf den Kopf.“ Eine Bekannte hat sie einfach mitgenommen, die schon zum fünften Mal dabei ist. Ihren Namen verrät sie nicht, aber ihre Motivation: „Sonst würde ich zu Hause sitzen und den Fernseher beschimpfen fürs schlechte Programm.“
Du musst mal raus, habe ich mir gesagt, mir fiel zu Hause die Decke auf den Kopf.
Die Idee zu der wirklich stimmungsvollen Sause hatte Hilla Schlimbach vom Hospizdienst. Ich kannte viele Menschen, die allein sind, erinnert sie sich, irgendwas wollte ich machen am Nachmittag des Heiligabends. Schnell kam sei auf den Gedanken, Stefan Höller als Gastgeber zu fragen. Der sagte spontan zu: „Kein Problem, ich koche Kaffee.“
Es sind viele Menschen, die uns helfen, freut sie sich. Die andere Schlimbach, übrigens nicht verwandt, und Lucia Henn, ebenfalls vom Hospizdienst, die Höller-Familie, Gaby Hofsümmer vom Seniorenbüro der Gemeinde und natürlich Paul Radau, Leiter der Musikschule und Tausendsassa an vielen Stellen. Er hat seine Gitarre mitgebracht und stimmt immer wieder Weihnachtslieder zum Mitsingen an.
Unterstützung bekommt er von vier engagierten Mädchen. Die kamen an St. Martin in die „Schublade“ und da entstand die Idee, dass sie auch an Heiligabend ein bisschen vorsingen könnten. Gesagt, getan, standen sie auf der improvisierten Bühne und begeisterten unter anderem mit ihrem „Dicke, rote Kerzen“.
Die Besucherinnen und Besucher des Weihnachtscafés kommen aus allen Ecken des Gemeindegebiets. Wir holen die Menschen von zu Hause ab und bringen sie auch wieder zurück, beschreibt Hilla Schlimbach den Full-Service. Tatsächlich sind die Meisten alleinstehend und leben nicht in einer Senioreneinrichtung.

Paul Stommel fand es außerordentlich gut, er ist regelmäßiger Gast des Weihnachtscafés.
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Paul Stommel ist so einer. „Ich komme schon seit Jahren hierher, das gefällt mir außerordentlich gut.“ Er hat an seinem Tisch eine Männerrunde aufgemacht, die Herren amüsieren sich gut. Auf Tabletts stapeln sich die Leckereien, wer mag, kann sich gerne was mitnehmen.
„Das ist Restkuchen von den Bäckereien Dornseifer, Pan-Pan und Funken in Marienfeld, das spenden die“, sagt Anita Schlimbach. Höller kommt in die Küche gerauscht. „Wir müssen den Kaffee verdünnen, schreiben Sie das ruhig, so voll war es noch nie“, meint er. „Das ist eine sehr nette Sache, deshalb machen wir wirklich gerne mit.“
Hier sind auch Stammgäste, von denen ich weiß, dass die sonst allein zu Hause sitzen.
Seine Gaststätte ist der ideale Ort, mitten im Ortszentrum. Hier ist alles, Kaffee- und Spülmaschine, Tische und Stühle, sein Blick schweift durch seinen Laden. „Gemeinsam macht das mehr Spaß.“ Und bei der Auswahl der Gäste hilft er mit. „Hier sind auch Stammgäste, von denen ich weiß, dass die sonst allein zu Hause sitzen.“
Manni spielt auf seinem Keyboard zwei anspruchsvolle Stücke
Ihm gefällt darüber hinaus der christliche Grundgedanke. Dazu passt ja, dass Pfarrer Josef Gerards vorbeischaut, eine Tasse Kaffee trinkt und mit den Gästen plaudert. Den vier Mädchen spendet er kräftigen Applaus. Und dann kommt noch Manni, Höller nennt ihn seinen Mitarbeiter. Manni ist ein Mensch mit Handicaps, aber jeden Abend zündet er die Kerzen in der Schublade an. Bei der Feier spielt er auf dem Keyboard zwei Stücke, ein bisschen abgedreht, aber anspruchsvoll.

Manni, der in der Schublade jeden Abend die Kerzen anzündet, spielt auf seinem Keyboard.
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„Musik hat immer etwas Verbindendes“, weiß Paul Radau, der mit Moderation, Gesang und Gitarrenspiel durch den Nachmittag führt. „Den Menschen bedeutet es etwas“, glaubt er, der Blick in die Gesichter gibt ihm recht. „Ich bereite den Menschen gerne Freude. Ich muss einfach Sachen machen, die ich machen kann“ – ein Versprechen für Heiligabend 2026.

