Zehn Jahre späterHennefer drehte einen Film über das heutige Leben in Fukushima

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Das Kraftwerksgelände in Fukushima ist eine Riesenbaustelle, gut 1000 Tanks mit belastetem Wasser stehen auf dem Areal.

Das Kraftwerksgelände in Fukushima ist eine Riesenbaustelle, gut 1000 Tanks mit belastetem Wasser stehen auf dem Areal.

Hennef – Er hat es schon wieder getan. Reinhart Brüning ist für eine Fernseh-Dokumentation zur Reaktorkatastrophe in Fukushima nach Japan gereist, zum zweiten Mal nach 2014. Schon die Anreise war wegen Corona diesmal ein Abenteuer. „Wird das Projekt überhaupt möglich sein? Im September und Oktober war das Land komplett dicht“, berichtet der Diplom-Physiker, der auch einen Doktortitel der Philosophie trägt.

Ab 1. November 2020 war die Einreise möglich. Doch im Dezember musste das dreiköpfige Team zunächst in die Quarantäne. Danach kam die Überraschung: „In Japan tragen die Leute eh schon Masken“, erzählt er. „Jetzt kamen wir in ein mehr oder weniger normales Leben.“ Restaurantbesuche und Einkaufen waren möglich.

Berge von Sondermüll durch Dekontamination

In seinem Film konzentrierte sich der Autor auf besonders stark belastete Regionen wie Iitate, das zwar 30 Kilometer von dem 2011 havarierten Reaktor entfernt liegt, aber damals durch Winde erheblich betroffen war, und die unmittelbare Umgebung des ehemaligen Kraftwerks.

Auslöser Erdbeben

Ein Erdbeben der Stärke 9 auf der Richterskala hat am 11. März 2011 einen Tsunami ausgelöst, der die Küste der japanischen Präfektur Fukushima traf. Mehr als 18 000 Menschen verloren ihr Leben. Teile des Kernkraftwerks Fukushima-Daichi wurden überflutet. In mehreren Blöcken des Reaktors löste dies die Kernschmelze aus. Große Mengen Radioaktivität wurden freigesetzt. Der olympische Fackellauf soll 2021 im inzwischen gesäuberten ehemaligen Sperrgebiet beginnen.

„Die Japaner sind in den vergangenen zehn Jahren bis an die Grenzen des Machbaren gegangen“, resümiert er. Dazu gehören „gewaltige Dekontaminationsmaßnahmen“. Die Präfekturhauptstadt Fukushima hat knapp 300 000 Einwohner. Alle versiegelten Flächen sind abgewaschen worden. Von landwirtschaftlichen Flächen in der Region sind die oberen fünf Zentimeter abgetragen worden. „Das ist übers Ziel hinausgeschossen“, glaubt der Wissenschaftler Brüning, gerade das sei die besonders wertvolle Humusschicht.

Mit japanischen Experten, so Yaichi Tao, hat er über alternative Methoden gesprochen, Wasserausschwemmungen etwa, oder Einlagerung der radioaktiven Cäsium-Atome in Raps und Sonnenblumen. So müssten nur die Pflanzenreste entsorgt werden. Die angewandten Radikalmethoden haben Berge von Sondermüll hervorgebracht. Rund 14 Millionen Kubikmeter Erde lagern in schwarzen Säcken auf eigens dafür angelegten Deponien und in Sortieranlagen.

„Leute aus Fukushima werden gemobbt.“

Die Wiederbesiedlung der Gegend hat begonnen. Die Behörden haben entschieden, dass der Grenzwert dafür bei 0,23 Mikrosievert pro Stunde liegt. 0,1 Mikrosievert sind natürliche Strahlung. Beim Hinflug hat Brüning nach eigenen Angaben 23 Mikrosievert abbekommen.In den Wäldern allerdings ist die Strahlendisposition weit höher, dafür gibt es noch keine Lösung.

Erinnerungen an den Tsunami begegnete der Filmemacher in Namie in einem Museum, in dem angespülte Gegenstände ausgestellt sind wie Brillen und Plüschtiere. Ganze Schulen wurden damals ausgelöscht, weil Schüler und Lehrer auf die als Evakuierungsort vorgesehene Brücke und nicht auf die umliegenden Hügel gegangen sind.

Das Filmteam konnte im Reaktor nur in Schutzkleidung drehen (l.). In schwarzen Säcken werden rund 14 Millionen Kubikmeter radioaktiv strahlender Boden gesammelt (M.). In einem Restaurant steht bis heute die Karte vom 11. März 2011.

Das Filmteam konnte im Reaktor nur in Schutzkleidung drehen (l.). In schwarzen Säcken werden rund 14 Millionen Kubikmeter radioaktiv strahlender Boden gesammelt (M.). In einem Restaurant steht bis heute die Karte vom 11. März 2011.

Viele junge Leute kommen nicht hierher zurück. „Es gibt Strahlendiskriminierung“, hat Brüning erfahren. „Leute aus Fukushima werden gemobbt.“ Ältere ziehen gerade deshalb wieder hierher. Azby Brown hat er begleitet, der Strahlenmessgeräte im Bausatz herstellt und das weltweit genaueste Messnetz aufgebaut hat. Das Kraftwerk selbst hat sich verändert, nur noch vier Prozent der Fläche können betreten werden, ausschließlich unter Vollschutz.

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Etwa 1000 Tanks mit verstrahltem Wasser stehen auf dem Gelände. Nach einem ersten Reinigungsgang liegen 70 Prozent des Inhalts immer noch über den erlaubten Grenzwerten. Der Betreiber kommuniziert das ganz offen. Ungelöst ist die Kernschmelze, radioaktive Lava erstarrt am Meeresboden. Brüning: „Die Japaner haben dort gute Arbeit gemacht, aber sie kommen an ihre Grenzen.“

Der Beitrag „Strahlende Zukunft? Fukushima zehn Jahre danach“ läuft im ZDF in der Reihe „Planet E“ am 28. Januar um 16.30 Uhr.

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