Ärztemangel in LohmarStatistik verschleiert fehlende Mediziner

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In Lohmar gibt es nicht mehr genug Hausärzte.

Lohmar – Arztmangel in Lohmar? Gibt es nicht, laut Statistik. Die Erfahrung der Bürger ist eine andere, wer einen Hausarzt im Ort sucht, hört häufig: „Wir nehmen keine Patienten mehr an.“ Auch Fachärzte sind rar, eine Augenärztin behandele entgegen der Vorschriften nur Privatpatienten, hieß es im Sozialausschuss. Dort stand die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rhein-Sieg, Dr. Jacqueline Hiepler, Rede und Antwort. Die Politik will nun tätig werden.

Warum liefert die Statistik ein verzerrtes Bild?

Vereinfacht gesagt, zählen Arztsitze in der Kreisstadt Siegburg für Lohmar mit. Der Rhein-Sieg-Kreis ist in Mittelbereiche (MB) eingeteilt. Die meisten Kommunen, darunter die Stadt Niederkassel mit einer vergleichbaren Einwohnerzahl und die kleinere Gemeinde Eitorf, bilden einen eigenen Mittelbereich mit einer von der KV Nordrhein festgelegten Zahl von Arztsitzen, ein Hausarzt betreut rechnerisch 1800 Einwohner.

Wie ist die Lage in Lohmar?

In Siegburg (rund 40.000 Einwohner) gibt es 67,25 Arztsitze, in Lohmar (etwa 32.000 Einwohner) nur 13,75, von denen jüngst noch zwei wegfielen, weil Ärzte in den Ruhestand gingen, ihre Praxis aufgaben und den Sitz an die KV Nordrhein verkauften. Das nutzten Gemeinschaftspraxen in Siegburg, um sich zu vergrößern, legitim und üblich in einem Mittelbereich (MB). Vor der Bildung der MB 2015 sei die Lage im Ländlichen noch schlechter gewesen, so Hiepler, da die Ärzte im Kreis ihren Sitz frei wählen durften und vor allem in die Zentren Siegburg und Troisdorf zogen.

Ärzteversorgung in anderen Rhein-Sieg-Kommunen

Bad Honnef hat von allen Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis die meisten Hausärzte pro Kopf (Versorgungsgrad 137,39), danach folgen Rheinbach (rund 113) und Bornheim (110).

Schlusslichter sind Eitorf (Versorgungsgrad 97), wo es noch einen freien Arztsitz gibt, und Hennef (95) mit zwei freien Hausarztsitzen.

Alle Kommunen haben einen eigenen Mittelbereich, bis auf eine Ausnahme: Siegburg, Lohmar, Neunkirchen und Much sind zu einem MB zusammengefasst, was zu Lasten der ländlichen Kommunen geht. (coh)  

Warum wurden Siegburg und Lohmar zusammengefasst?

Zum Mittelbereich gehören auch noch Much und Neunkirchen-Seelscheid, die Hiepler für ihre Gegenüberstellung aber herausrechnete. Laut KV Nordrhein werden die MB in der Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses festgelegt: „Grundlage sind die Definitionen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, das die lokalen räumlichen Verflechtungen, die Infrastrukturen sowie die (berufliche) Mobilität der Einwohner berücksichtigt.“

Wie lässt sich die Situation ändern?

Ärzte sind Freiberufler, niemand könne sie zwingen, ihren Sitz zum Beispiel von Siegburg nach Lohmar zu verlagern, erklärte die Vorsitzende der KV Rhein-Sieg. Weil die Versorgung im MB mit einem Grad von 106 Prozent statistisch übererfüllt ist, dürfe sich zudem kein neuer Hausarzt in Lohmar niederlassen.

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Jacqueline Hiepler

Denkbar sei aber eine Dependance-Lösung, also die Bildung einer Filialpraxis. Oder die Teilung eines Arztsitzes, der 60 Stunden umfasst. Das sei gut machbar, wenn ein Arzt in den Ruhestand gehe.

In den kommenden fünf Jahren werde es hier Bewegung geben. Jüngere Kollegen und vor allem Kolleginnen bevorzugten Teilzeit-Stellen in einer Gemeinschaftspraxis, um Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Diese arbeiteten „mit Esprit“ und schafften zusammen wesentlich mehr als ein Vollzeitarzt.

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Wer 30 Stunden für Kassenpatienten da sei, könne noch zehn Stunden Privatpatienten behandeln. Die KV habe eine Niederlassungsberatung und eine Praxisbörse und spreche gezielt Mediziner über 60 Jahren an.

Was ist mit den Fachärzten?

Hier ist da Lage vergleichbar. Eine Wartezeit von sechs bis acht Wochen auf einen Termin sei laut Hiepler zumutbar, für andere Fälle empfehle sie den Terminservice der KV. Wenn Fachärzte keine Kassenpatienten annähmen, verletzten sie den Versorgungsauftrag. Die KV habe das bei der Augenärztin schon schriftlich angemahnt.

Was will die Politik tun?

Das Ziel: Lohmar soll aus dem Mittelbereich mit Siegburg herausgelöst werden. Hierfür sollen nun bei den entsprechenden Stellen Anträge gestellt werden. Bedauerlicherweise seien die Kommunen vor der Einteilung nicht gefragt worden. Jacqueline Hiepler sagte zu, das Vorhaben zu unterstützen. In diesem Fall würde Siegburg bei einer Praxisschließung diesen Arztsitz verlieren und Lohmar einen hinzugewinnen können. Dann müssten nur noch Ärzte dazu bewegt werden, in die Stadt zu kommen.

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