Angebote in Rhein-SiegHier gibt es frisches Obst und Gemüse direkt vom Acker

Lesezeit 4 Minuten
Solidarische_Landwirtschaft1

Saisonal und regional: Im Coronajahr 2020 nutzten viele Kunden neue Vertriebswege für Obst und Gemüse.

  • Bei diesem Bericht handelt es sich um einen Text aus dem Archiv, der unsere Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 20.01.2021 veröffentlicht.

Rhein-Sieg-Kreis – Gut, dass wir davon nicht leben mussten. Wohl die wenigsten hätten sich im vergangenen Jahr als Selbstversorger durchschlagen können: Zu kümmerlich waren die Kartoffeln, der Salat ein gefundenes Fressen für die Schnecken, kleine Pflänzchen in sengender Sonne verbrannt. Und so erlebten andere Vertriebswege für Obst und Gemüse eine große Nachfrage. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit haben wir uns umgesehen.

Die Glücklichen

Vor drei Jahren haben Kathrin und Evgeny Ivanov auf einem Acker in Troisdorf-Kriegsdorf ihr „Gartenglück“ gestartet: Sie vermieten Parzellen, die mit einer Erstbepflanzung versehen sind, an Menschen, die sie „Gartenglückler“ nennen. Mit Workshops, wöchentlichem Pflanzenmarkt und Ratschlägen helfen sie den mehr oder weniger erfahrenen Bio-Bauern. Mit den sogenannten Wachs-Mal-Kisten lieferten sie Jungpflanzen an die Interessierten. „Corona speziell haben wir nicht bemerkt“, berichtet Evgeny Ivanov. Wohl aber den Klimawandel, wie er betont. „In den letzten drei Jahren war es immer ein Jahrhundertsommer“; den mittlerweile 70 Troisdorfer Kunden fahren Ivanov und Ehefrau Kathrin in solchen Trockenperioden zweimal wöchentlich auch Wasser aufs Feld.

Biohof_Gaertnerei_Suechterscheid

Aus Süchterscheid bringen Susanne und Tillmann Hüsgen sowie Rita Lemmen-Hüsgen (links) die Biokiste auf den Weg zu mittlerweile 1700 Kunden.

Aber, so weiß er: „Man kann mit Gießen den Regen nicht ersetzen.“ Die steigenden Temperaturen – „wir haben hier ein bisschen spanische Verhältnisse“ – haben auch noch andere Auswirkungen: Weil alles später wächst, geht das Erntejahr erst Ende Januar zu Ende.

Die Solidarischen

„Wir teilen die Ernte“, beschreibt Bernd Schmitz aus Hennef-Hanf das Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi). „Bei uns haben sich die Mitglieder für ein Jahr zur Gemeinschaft mit dem Hof zusammengeschlossen.“ Damit sind sie auch an den Kosten beteiligt: Sie bezahlen monatlich einen vorher kalkulierten Preis, der Lohn- und Anschaffungskosten für Saatgut, Pflanzen oder die neue Bewässerung abdeckt.

Initiatorin_Katrin_Ivanova

Auf gepachteten Flächen unweit von Troisdorf-Kriegsdorf arbeiten die Kunden von Kathrin Ivanov-Below.

Geteilt wird zudem das Risiko, da die Mitgliedschaft keine Liefermengen garantiert. „Angemessene Löhne“ seien damit möglich, sagt Bernd Schmitz. Für Händler mit Marktpreisen sei das „unter Umständen ein Problem“. Grundsätzlich ist jede der aktuell etwa 70 Einheiten – im Vorjahr zum Monatspreis von 75 Euro – so zugeschnitten, dass sie zwei Menschen versorgt. Entsprechend werde gepflanzt, berichten Bernd Schmitz und Natalie Fehling; verteilt wird an den drei Depotstandorten, was der Boden hergibt.

„So kommt auch Qualität der zweiten Wahl in den Verzehr“; die weniger lang haltbaren Feldfrüchte werden sogar als erstes verteilt. Und unter Umständen auch gemeinsam gehegt und gepflegt. Hin und wieder rufen Schmitz und Fehling zum gemeinsamen Ackern ein, zum Stecken von Zwiebeln oder Absammeln von Kartoffelkäfern zum Beispiel.

Die Bequemen

Gemüse bis vor die Haustür – dieses Angebot unterbreitet seit vielen Jahren der Biohof Hüsgen in Hennef-Süchterscheid. Rund 1700 Abonnenten waren es bis zum Beginn des vergangenen Jahres, 600 sind mittlerweile hinzugekommen. „Wir haben einfach ein Superteam“ , antwortet Rita Lemmen-Hüsgen auf die Frage, wie sie das geschafft hätten. „Ein bisschen stolz“ ist sie auch, dass sie schon früh einen Boom des Lieferservice vorausgesehen haben.

So wurden Arbeitsschritte vereinfacht, die Bestellfrist ein wenig verändert, zusätzliches Personal half dabei, täglich rund zwei Tonnen Obst und Gemüse in die bestellten Kisten zu packen. Mangel an Nachschub gab es nicht – abgesehen von den Getreideprodukten. Wohl könnte es in den kommenden Wochen aber bei der Lagerware eng werden: Weißkohl ist aufgrund der Trockenheit im Vorjahr deutlich kleiner, Rosenkohl wuchs gar nicht, die Apfellager sind praktisch leer.

Gegen die Mutmaßung, dass sie sich an der Krise eine goldene Nase verdienten, verwahrt sich Rita Lemmen-Hüsgen. „Wir hatten auch viele Kosten“, Personalaufwand ebenso wie Investitionen. Und „mental war es ’ne irre Verantwortung“.

Die Anonymen

Die Kunden, die bei ihr auf dem Hof frisches Fleisch von Wild und Vieh, Gemüse, Obst oder Eier kaufen, bekommt Steffi Alda oft gar nicht zu sehen: 24 Stunden ist „Stracks Hofladen“ in Uckerath täglich geöffnet, an sieben Tagen in der Woche. Hier liegen neben der angebotenen Ware eine Waage und ein Taschenrechner; der Kunde bedient sich auch hier selbst. Den fälligen Betrag nimmt ein Holzkasten an der Wand auf, in einen Schälchen liegt Wechselgeld. „Aus der Not heraus“ sei die Idee im September 2019 in die Tat umgesetzt worden, berichtet Steffi Alda. Wer 70 Tiere halte, könne schlecht noch lange im Geschäft stehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Schon gar nicht zu den Öffnungszeiten des kleinen Ladens. „Bis tief in die Nacht“ kommen die Kunden, bewusst legen sich das zu Corona-Zeiten manche so, damit sie allein einkaufen können. Weil sie dann unbeobachtet sind? „Natürlich haben wir auch schlechte Erfahrungen gemacht“, räumt Steffi Alda ein. Erst am Vorabend hat jemand hochwertiges Wildgulasch mitgenommen und nicht bezahlt. Aber eigentlich sei die Kundschaft sehr ehrlich.

Rundschau abonnieren