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ObdachloseInitiativen in Rhein-Sieg warnen vor der Eiseskälte

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In einer Nische eines Ladenlokals ist ein Matratzenlager mit Plastiktüten , Schlafsack und einem Kissen eingerichtet. Turnschuhe, eine Getränkedose und eine Dose Ravioli stehen davor.

In einer Nische des Forums in Troisdorf wohnt seit Monaten ein Obdachloser und schützt sich mit Plastiktüten und Decken vor der Kälte.

Initiativen im Rhein-Sieg-Kreis helfen bei der Eiseskälte verstärkt Menschen, die auf der Straße leben. Oft haben diese nicht einmal warme Kleidung.

Lebensgefährlich ist die grimmige Kälte, die in diesen Tagen das Rheinland überzieht. Menschen, die auf der Straße leben, drohen bei den Minustemperaturen zu erfrieren – vor allem nachts.

„Ganz, ganz furchtbar“ sei die Situation, sagt Angela Holtmann von „Siegburg hilft“. Massiv gestiegen sei die Zahl der Menschen, die auf der Straße oder in Notunterkünften leben, in den drei Jahren seit der Gründung der Obdachlosenhilfe. Damals war es ein ähnlich kalter Winter, und spontan ging Holtmann mit Decken, Jacken und Wärmendem zum Siegburger Bahnhof.

50 bis 60 Menschen werden von der Initiative „Siegburg hilft“ versorgt

Sie traf dort auf Unterstützer, und sie traf auf viele, die Hilfe brauchen. Längst nicht nur Obdachlose seien dies, berichtet die Ehrenamtlerin: „Es sind ganz normale Leute, die ihren Kühlschrank nicht voll kriegen. Alleinerziehende Mütter, Senioren, Behinderte. Zu denen fahren wir nach der Essensausgabe nach Hause und versorgen sie.“

Mit ihrem Lebensgefährten und weiteren Aktivisten kümmert sich Holtmann an zwei Tagen in der Woche auf dem Gelände des ehemaligen Autohauses Bäßgen an der Frankfurter Straße um Bedürftige. 50 bis 60 Menschen versorgt sie dort, und gerade jetzt sei die Hilfe bitter nötig.

Da sind Menschen, die haben keine dicken Jacken, da stehen sogar Leute im T-Shirt
Angela Holtmann, „Siegburg hilft“

„Da sind Menschen in der Warteschlange, die haben keine dicken Jacken, da stehen sogar Leute im T-Shirt. Viele haben keine warmen Schuhe.“ Sie habe ausgegeben, was sie hatte, aber es reichte nicht. Sie musste etliche Obdachlose ohne warme Kleidung gehen lassen. „Dann gucken die einen so traurig an, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.“

Ein Siegburger Ehepaar habe sich spontan bereit erklärt, die benötigten Winterschuhe zu kaufen, berichtet Holtmann dankbar, insgesamt sei die Spendenbereitschaft überwältigend: „Wir haben für 2000 Euro Mützen, Schals und Handschuhe kaufen können!“

Mit einem Wärmebus fährt sie regelmäßig raus, bringt Schlafsäcke, Decken, warme Sachen, heißes Wasser. „Viele Mitmenschen rufen uns an, wenn sie jemanden in der Kälte auf der Straße gesehen haben.“ Dort schaue sie dann, welche Hilfe noch nötig sei: „Kennen wir denjenigen, möchte die Person auf der Straße bleiben, kommt sie alleine klar? Wenn nicht, rufen wir das Ordnungsamt oder einen Krankenwagen und bleiben, bis die Person versorgt wurde.“

Obdachlose im Rhein-Sieg-Kreis: Das Don-Bosco-Haus nimmt im Winter jeden auf

Auch Werner Christmann, Leiter des Don Bosco-Hauses, empfiehlt, sofort die Polizei anzurufen oder direkt die Notschlafstelle des SKM, wenn man eine Person bei Eiseskälte auf der Straße sehe – und zwar, ohne Kontakt mit der betroffenen Person aufzunehmen. Diskretion sei dann fehl am Platz: „Hier ist Gefahr im Verzug.“


Was tun, wenn Sie einen Obdachlosen in der Kälte sehen?

Passanten sollten aufmerksam sein, wenn sie einen Obdachlosen entdecken, der zusammengerollt auf dem Bürgersteig oder in einer Ecke liegt. Das sagt Werner Christmann, Leiter des Don Bosco-Hauses. Die Notschlafstelle des SKM ist rund um die Uhr erreichbar unter 02241/590-100.

„Siegburg hilft“ nimmt Sach- und Geldspenden entgegen, Wärmesohlen zum Beispiel würden gerne genommen, sagt Angela Holtmann. Aber auch Hilfe beim Essenkochen, beim Abholen der Spenden und der Lieferung an Senioren wird benötigt.

Auch die Johanniter im Rhein-Sieg-Kreis haben eine Kältehilfe, um Obdachlose vor dem Erfrieren zu schützen. Mit warmen Decken, Kleidung, Lebensmitteln und Getränken versorgen sie die Menschen, bieten auch medizinische Hilfe. Die Geschäftsstelle in Sankt Augustin ist zu erreichen unter 02241/234230.

In Troisdorf wurde die unkomplizierte Hilfsaktion „Ein Kaffee mehr“ ins Leben gerufen: Gäste zahlen zwei Kaffee, trinken aber nur einen – den anderen können dann Bedürftige in Anspruch nehmen. 


Das habe vor wenigen Tagen ein Geschäftsmann in Troisdorf erkannt, der einen schlafenden Menschen in der Fußgängerzone entdeckt hatte. Der Mann alarmierte sofort das Don-Bosco-Haus. Ein Fahrzeug mit Helfern wurde umgehend losgeschickt, der Mann versorgt und nach Siegburg in die Einrichtung in der Luisenstraße gebracht.

Auch wenn nicht unmittelbar die Gefahr durch Erfrieren droht: „Von Oktober bis März haben wir eine Winterregelung. Wir nehmen jeden auf; es soll keiner draußen bleiben“, sagt Christmann, der sich über die große Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung freut. „Decken, Schlafsäcke, warme Sachen – die Spenden reißen nicht ab; die Leute haben ein Bewusstsein für dieses Problem.“

Streetworker suchen die Menschen an ihren Schlafplätzen auf und bieten Hilfe an

Für den SKM Siegburg ist außerdem eine Streetworkerin im Einsatz, die Obdachlose an ihren Plätzen aufsucht, an Bahnhöfen und Campingplätzen, und Hilfe anbietet.

In Troisdorf steht den Menschen zum Aufwärmen tagsüber das   Café Koko gegenüber vom Bahnhof offen, dort gibt es mittags auch eine warme Mahlzeit. Ebenso könnten die Menschen dort duschen und ihre Kleidung waschen, berichtet Amtsleiterin Ulrike Hanke.

Ordnungsaußendienst und SKM arbeiteten eng zusammen. Aber in eine Unterkunft zwingen könne man niemanden: „Trotz aller Angebote gibt es Personen, die sich gegen eine Unterbringung entscheiden und weiter im Freien schlafen möchten. Das müssen wir akzeptieren.“

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