Es wird kälter, vor allem kurz vor Weihnachten steigt der Bedarf an existenzieller Hilfe für Wohnungslose. Im Rhein-Sieg-Kreis wächst die Zahl der Betroffenen.
Mehr Obdachlose als in BonnWie Wohnungslosen in Rhein-Sieg geholfen werden kann

Karl-Josef Schmitz und Ulrich Marsitz von der Stiftung Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg, Markus Kühn (Geschäftsführer SKM Rhein-Sieg) und Bert Becker (Fachbereichsleitung Wohnungslosenhilfe SKM)
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„Wir haben im Rhein-Sieg-Kreis jetzt mehr Obdachlose, als Bonn hat – in etwa 3800“, sagt Bert Becker, Fachbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe des SKM. „Ich habe vor 26 Jahren angefangen, da waren es 400.“ Im Winter wird vor allem die existenziell notwendige Hilfe für Wohnungslose zentral: Das Einrichten von Notschlafstellen und das Bereitstellen von Schlafsäcken und weiterer Ausrüstung gegen die Kälte.
Diese Methoden zur existenziellen Sicherung in der Wohnungslosenhilfe hat die Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg kurz vor Weihnachten mit einer Spende von 5000 Euro unterstützt. Eine Unterstützung, die man gerade jetzt sehr gut brauchen könne, denn kurz vor Weihnachten verschärfe sich der Bedarf an Notschlafstellen wie der im Siegburger Don-Bosco-Haus. „Aktuell sind wir nicht voll, wir warten aber auf die Welle kurz vor Weihnachten. Da werden oft noch Leute von der Couch geschubst“, so Bert Becker. „Wir haben aber natürlich auch eine Menge Leute, die kein Interesse haben an so einer Schlafstelle – da lässt sich nicht jeder drauf ein.“
Notfallschlafstellen, Schlafsäcke, Wärme-Iglus – so kann geholfen werden
Gründe dafür, dass Menschen auf der Straße schlafen, statt in eine Notschlafstelle zu gehen, seien unter anderem psychische Erkrankungen, aber auch schlechte Erfahrungen in Gemeinschaftsunterkünften, so Becker. Dass sich Menschen hier gegenseitig beklauen, komme zwar selten vor, sei aber oft eine Sorge. Menschen, die auf der Straße schlafen, seien aber nicht nur gefährlicher Kälte, sondern auch möglichen Gewalttaten ausgesetzt, sagt SKM-Geschäftsführer Markus Kühn.
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Neben Schlafsäcken gibt die Obdachlosenhilfe des SKM auch sogenannte „Wärme-Iglus“ aus. Noch ist der Winter relativ mild, unklar ist, wie lange das so bleibt. „Wenn es wieder so kommt, werden wir sicher auch darüber nachdenken müssen, ob wir noch andere Orte öffnen als die Notschlafstellen“, sagt Markus Kühn. Das können beispielsweise Schlafcontainer an Bahnhöfen sein.
Wir haben im Rhein-Sieg-Kreis jetzt mehr Obdachlose, als Bonn hat – in etwa 3800.
„Früher war eine Person, die unter einer Brücke geschlafen hat, gefühlt immer ein alter Mensch. Heute ist das anders. Oft sehe ich Leute, die könnten so alt wie mein Sohn sein, der ist 30“, sagt Karl-Josef Schmitz von der Stiftung der Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg, der die Spende gemeinsam mit Ulrich Marsitz überreicht hat. Dass wohnungslose Menschen deutlich jünger werden, könne der SKM aus eigenen Statistiken bestätigen, sagt Markus Kühn.
Im letzten Jahr habe man sehr viele junge Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren in der Notschlafstelle aufgenommen, sagt Anett Zenker, Sachgebietsleiterin bei der Wohnungslosenhilfe. „Es haben sich tatsächlich auch viele Eltern ratsuchend an die Fachberatung gewandt. Die sind teilweise echt verzweifelt gewesen“.
Kaputter Wohnungsmarkt: Politik in der Verantwortung
Die Gründe für den Anstieg an Wohnungslosigkeit haben sich über Jahre aufgebaut, sagt Bert Becker: „Das hat nichts mit Flüchtlingen oder dem Ukraine-Krieg zu tun - das kommt alles auf einen Wohnungsmarkt oben drauf, der ohnehin schon kaputt war.“ Er sieht ganz klar die Politik in der Verantwortung, die öffentlich geförderten Wohnungsbau seit Jahrzehnten vernachlässige.
Neben existenzieller Hilfe in Notlagen leistet der SKM Rhein-Sieg Präventionsarbeit, damit Menschen ihre Wohnungen gar nicht erst verlieren. Dazu kommen die Fachberatungen des SKM, die Betroffene dabei unterstützen sollen, wieder eigenmächtig handeln zu können. Eine enge Zusammenarbeit mit Vereinen wie der Nachbarschaftshilfe sei grundlegend für die Wohnungslosenhilfe. „Ohne diese Netzwerke würde unsere Arbeit nicht funktionieren“, sagt Bert Becker.
Was können Bürgerinnen und Bürger tun, um wohnungslose Menschen bei Kälte zu unterstützen? Neben Sach- und Geldspenden sei es immer sinnvoll, bei der Wohnungslosenhilfe des SKM oder anderen Stellen Bescheid zu geben, wenn man eine Person auf der Straße schlafen sehe, sagt Bert Becker. Dann habe man die Möglichkeit, die Betroffenen aufzusuchen und ihnen ihre Möglichkeiten zu erklären. „Am Ende kann man natürlich niemanden zwingen, die Hilfe auch anzunehmen“, sagt Bert Becker, „aber es hilft, die Augen offen zu halten.“
Die Wohnungslosenhilfe des SKM Rhein-Sieg ist telefonisch unter 02241 1272852 oder per E-Mail an wohnungslosenhilfe@skm-rhein-sieg.de zu erreichen.
Die Notfallschlafstelle befindet sich im Don-Bosco-Haus, Luisenstraße 111a in Siegburg.

