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Geschäftsreisen fehlenTourismus in Rhein-Sieg stagniert – „Welcome Card“ soll Reisende locken

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Die Drachenburg im Siebengebirge ist ein beliebtes Ausflugsziel im Kreis: Blick vom Drachenfels auf die Drachenburg und Bonn.

Die Drachenburg im Siebengebirge ist ein beliebtes Ausflugsziel im Kreis: Blick vom Drachenfels auf die Drachenburg und Bonn. (Archivbild)

Die Tourismusgesellschaft für Bonn und Rhein-Sieg stellt sich neu auf. Mit „Visit Region Bonn“ sollen mehr Reisende angezogen werden.

Beethoven haut ins Piano, dass sich die Tasten biegen. Über ihm bimmelt eine Glocke, Geige und Cello haben Flügel und heben über einer schwankenden Häuserzeile ab: Diese comicartige Szene ist abgebildet auf der neuen „Welcome Card Region Bonn“, die die Tourismus & Congress GmbH (T & C) Besuchern anbietet und ihnen damit – je nach Kaufpreis – zahlreiche Vergünstigungen verspricht.

Die Willkommenskarte unter dem Motto „Visit Region Bonn“ ist Teil des Neuanfangs der Tourismusgesellschaft, mit dem Reisende in die Bundesstadt, den Rhein-Sieg-Kreis und den Kreis Ahrweiler gelockt werden sollen. Für Kongress- und Tagungsgäste gibt es einen ähnlichen Service unter der Überschrift „Meet Region Bonn“. Auch hier ist Beethoven das Leitbild.

Dauerhaftes Minus von sechs Prozent bei Übernachtungen erwartet

Nach der Vertragsauflösung von T & C-Geschäftsführer Udo Schäfer haben Hans-Helmut Schild und Ulrich Keinath übergangsweise bis Ende Januar die Leitung der Vermarktungsorganisation übernommen; sie arbeiten ab Anfang Januar den künftigen Chef Daniel Letocha ein.

Schild und Keinath haben mit dem neuen Werbeauftritt eine Duftmarke gesetzt, die auch der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg gefällt. Sie hatte als Mitglied im Tourismus-Förderverein, einem der Hauptgesellschaft der T & C, heftige Kritik an der GmbH geübt, weil die Übernachtungszahlen in der Region erheblich zurückgegangen waren, und vermehrte Anstrengungen gefordert, die Statistik aufzubessern.

Doch die ist immer noch nicht so, dass das Gastgewerbe jubiliert. IHK-Geschäftsführerin Claudia Betzing sagte jetzt, die Region steuere bei den Übernachtungszahlen auf ein „dauerhaftes Minus von sechs Prozent“ gegenüber 2019 zu. Das gilt als „Referenzjahr“, weil danach die Corona-Pandemie den Tourismus in der Region fast zum Erliegen gebracht hatte.

Vor allem Rückgang im Geschäftsreisetourismus fällt auf

Im September 2025 wurden an Rhein und Sieg 279.743 Übernachtungen gezählt, im gleichen Monat des Vorjahres waren es 275.949 gegenüber 307.723 im September 2019. Von Januar bis Ende August 2025 wurden 2.183.982 Übernachtungen verbucht, im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres 2.216.388 und in 2019 waren es 2.316.849.

Das Minus liegt nach Beobachtungen der Kammer vor allem an einem Rückgang im Geschäftsreisetourismus, die Lücke konnten Freizeitreisende nicht komplett auffüllen. Folge: Die Stimmung in der Branche entspricht gar nicht dem positiven Bild, das sie den Urlaubern vermitteln will.

Der Geschäftsklimaindex befindet sich laut Betzing mit 85 Punkten auf einem Dreijahrestief – ein Rückgang von 22 Punkten gegenüber dem Frühjahr 2025 und von zwölf Punkten gegenüber Herbst 2024. Die Lage im Tourismus sei damit schlechter als in der übrigen Wirtschaft im IHK-Bezirk; dort weist der Index 92 Punkte aus. Die Grenze, an der sich gut und böse scheiden, liegt bei 100 Punkten.

Rahmenbedingungen durch Wiedereröffnung der Beethovenhalle verbessert

Die Region blickt neidisch auf das Münsterland und auf die Nachbarstadt Köln, wo sich die Übernachtungszahlen mittlerweile über dem Vor-Corona-Niveau eingependelt hätten. Betzing sieht in Bonn und im Umland dennoch Potenzial: „Mit der Neuaufstellung der Tourismus & Congress GmbH und der Wiedereröffnung der Beethovenhalle sind die Rahmenbedingungen zukünftig deutlich besser – die Region muss diese Chance jetzt nutzen.“

IHK-Vizepräsidentin Ruth Maria Winterwerb-van den Elzen kennt als Direktorin des Hotels Leoninum in Bonn (65 Zimmer, 130 Betten) die Sorgen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Da hört sie, dass fast jedes zweite der 212 Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe von rückläufigen Umsätzen berichte. „Die anhaltende schlechte Wirtschaftslage wirkt sich auf die Reise- und Ausgehfreudigkeit der Menschen aus. Sie halten das Geld stärker zusammen.“ Gleichzeitig stiegen die Arbeitskosten, niemand wisse, wie sich die niedrigere Gastro-Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Speisen ab dem 1. Januar auswirke, wenn sie denn vom Bundesrat so beschlossen werde.

Die Betriebe versuchen also, zu sparen. Winterwerb-van den Elzen erklärte, sie überlege, ob sie 2026 für das Restaurant im Leoninum nach dem Sonntag einen zweiten Ruhetag einführe. Aber sie bleibt Optimistin: „Gastgeber zu sein ist ein sehr schöner und abwechslungsreicher Beruf, weil man morgens nicht weiß, was bis zum Abend die Wundertüte füllt.“