Künstler und TaxifahrerSiegburger Pumpwerk zeigt Werke von Josef Šnobl

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Im Pumpwerk zeigen Kunstvereins-Chef Reinhard Lättgen (l.) und Kurator Ralf Merian Werke des Tschechen Josef Šnobl.

Siegburg –  Für Fabrikhallen und Brachen, für verfallene Hinterhöfe oder einsame Unterführungen hatte Josef Šnobl (1954-2021) von klein auf ein Faible. Aufgewachsen ist er in einem Industrieviertel in Prag, hinter dem Haus lag ein Güterbahnhof. Den Geruch von verrostetem Eisen hatte er noch als Erwachsener in der Nase, wie der Tscheche in seinem Fotobuch „Nachtfahrt“ schreibt.

Diese Sensibilität und der Sinn für den rauen Charme der städtischen Peripherie prägt die Kunst Josef Šnobls. Im Pumpwerk ist ihm eine sehenswerte Ausstellung gewidmet, die noch zu Lebzeiten geplant war, doch im vergangenen Jahr starb der Künstler unerwartet.

Nächtliche Momentaufnahmen

Kurator Ralf Merian hat aus dem umfangreichen Werk 75 Schwarz-Weiß-Aufnahmen ausgewählt. Dabei erweist sich das einstige Wasserwerk als visueller Verstärker für die meist nächtlichen Momentaufnahmen, die in ihrer Körnigkeit, in ihren Unschärfen und Verwischungen spontan und improvisiert wirken.

Betont wird dies durch die Präsentation: Abzüge und Drucke sind wie Wäschestücke an die Leine geklammert. Šnobl blickte selten durch den Sucher, wenn er auf den Auslöser seiner Pocketkamera drückte. Als „Archivar des Zufälligen und Fragmentarischen“ bezeichnet Reinhard Lättgen, Vorsitzender des Kunstvereins Rhein-Sieg, denn auch den Künstler.

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Die längst verschwundene Rievkoochebud vor dem Kölner Hauptbahnhof war ein Motiv des Künstlers Josef Šnobl.

Und doch werden diese Schnappschüsse von einer eigenen Handschrift bestimmt, wenn oft aus klassischer Zentralperspektive das Malerische und Poetische der Motive in den Blick rückt: So präsentiert sich der Heliosturm in Ehrenfeld, das Graffiti-Gesicht an einer Hauswand, das längst abgerissene Rievkooche-Büdchen vor dem Kölner Hauptbahnhof. Und wie ein Traumbild taucht schließlich der Dom aus schimmernder Flut auf.

In Köln Fotografie studiert

Als 25-Jähriger war Josef Šnobl nach Köln gekommen, um an der Fachhochschule Fotografie zu studieren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich viele Jahre als Nacht-Taxifahrer. Viele Aufnahmen schoss er direkt aus dem Wagen, entdeckte in den alltäglichen und oft banalen Sujets Fremdheit und auch Tristesse, die der Bluesfan musikalisch in der zwölftaktigen Form gespiegelt fand.

Die Ausstellung ist in vier Kapitel gegliedert. Neben den Aufnahmen der „Nachtfahrt“ sind Auszüge aus dem „Kalendarium“ zu sehen. Fototagebücher, die Josef Šnobl in Monatsblöcke sortierte, jeder farblich anders gestaltet.

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Wie ein Traumbild taucht der Dom aus der Flut auf.

Mit dieser Inventur der Tagesthemen, die Personen oder Alltagsgegenstände darstellen, versuchte der Künstler, das Kontinuum der Zeit sichtbar zu machen. „Wirbellose“ wiederum war ein Kunstprojekt, das im Garten der Schmetterlinge von Schloss Sayn entstand. Mit einer Lochkamera, die Šnobl später fliederfarben bemalte, fing er den Zauber dieses tropischen Waldes ein.

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Hier begegnet man einem Porträt des Künstlers und findet ihn schließlich auch im „Buch der Toten“ wieder. Glasobjekte zeigen gestorbene Freunde auf grobfaserigem Papier, und auch Šnobl selbst reiht sich dort ein. Fast gespenstisch mutet der Soundtrack zu dieser fragilen Installation an: Vom Band ertönen Nachrichten, die diese Freunde auf dem Anrufbeantworter für Josef Šnobl hinterlassen haben.

Die Ausstellung ist bis zum 13. Mai im Pumpwerk in Siegburg, Bonner Straße 65, zu sehen.

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