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AmtsgerichtCum-Ex-Anbau sorgt für Ärger bei Anwohnern in Siegburg

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Jaroslaw Plichta blickt von seiner Wohnung im Dachgeschoss auf Bäume. Im Hintergrund sind Gebäude in Siegburg zu sehen.

Jaroslaw Plichta hat eine Wohnung im Dachgeschoss von Bahnhofstraße 21 und schaut bislang auf die Wipfel der mächtigen Platanen auf dem Parkplatz des Amtsgerichts.

Auf dem bisherigen Parkplatz des Siegburger Amtsgerichts soll ein Neubau für Cum-Ex-Prozesse entstehen. Dann müssten für das Projekt auch etliche Platanen gefällt werden.

„Da kann man alt werden“, dachte Willi Ennenbach, als er vor einigen Jahren eine Wohnung an der Bahnhofstraße kaufte. Inzwischen hat der demnächst 70-Jährige daran Zweifel. Statt auf Bäume werde er in Zukunft auf Beton schauen, den geplanten Anbau des Siegburger Amtsgerichtsgebäudes. „Meine Wohnqualität nimmt dann rapide ab.“

Die Nähe zum Bahnhof – „ich habe kein Auto“ – und zum Siegburger Ärztehaus waren Argumente für den Kauf der Wohnung in der ersten Etage, nicht zuletzt aber auch die vielen Bäume vor dem Balkon über dem Mühlengraben. „Ein kleines Paradies“ für Ennenbach, der früher in der Modebranche tätig war und dann die Coffeelounge an der Kölner Apostelnstraße betrieb.

Cum-Ex-Prozess: 43 Millionen Euro für Anbau in Siegburg

Am Wochenende spielten die Kinder auf dem Parkplatz des Amtsgerichts, viele Vögel lebten dort. „Das ist eigentlich wie ein Park“, der nun für einen Neubau geopfert werde, „und nach zehn Jahren wissen die nicht, was sie mit den Hallen machen sollen.“

Was aber nun kaputt gemacht werde, „ist auf immer kaputt.“ Versuche, bei der Stadtverwaltung zu intervenieren, seien missglückt, berichtet der Rentner. Hin und her sei er zwischen Bauamt und Umweltamt verbunden worden, „danach wusste ich genauso viel wie vorher.“

Wie berichtet, sollen auf dem heutigen Parkplatz neue Gerichtssäle als Außenstelle des Bonner Landgerichts entstehen, um die erwarteten großen Cum-Ex-Prozesse zu verhandeln. Geplant ist eine Investition von rund 43 Millionen Euro.

Siegburger über Planungen für Cum-Ex-Prozess „schockiert“

„Schockiert“ ist über die aktuelle Planung auch Ennenbachs Nachbarin Ivana Radu. Erst im Juli hat sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine Wohnung in der ersten Etage des Vorderhauses gekauft, seit Oktober wohnt das Paar dort. „Wir wussten, dass ein Anbau geplant ist“, sagt Radu. „Aber nicht in der Dimension.“

Maximal ein Baum werde stehenbleiben, hat sie der Onlineübertragung einer Sitzung des städtischen Planungsausschusses entnommen; statt ins Grüne werde sie von ihrer großen Dachterrasse dann auf Beton schauen: 16 Meter hoch werde das Gebäude, so ihr Wissen aus der Ausschusssitzung.

„Auf jeden Fall“ hat auch Ivana Radu Sorge um den Wertverlust ihrer Immobilie. Erst vor einem Jahr waren sie und ihr Partner überhaupt nach Siegburg gezogen. Die Nähe zum ICE-Bahnhof war für die beiden, die zur Arbeit pendeln müssen, ausschlaggebend.

Das sagt die Stadt Siegburg zu den Beschwerden der Anwohner

Im Neubau schräg gegenüber auf der anderen Seite der Bahnhofstraße haben Jaroslaw Plichta und seine Familie eine Penthousewohnung gemietet. „Paradiesisch“, schwärmt er, mit Blick auf den Michaelsberg und das Grün vor dem Haus. Dafür nehmen die Plichtas – Ehefrau und Tochter leben ebenfalls hier – eine Miete in Kauf, die Plichta selbst als „enorm“ bezeichnet. Doch nun, so seine Befürchtung, werde ihnen der schöne Ausblick „weggenommen“. Die Familie habe daher „große Sorgen“.

Noch allerdings ist nicht aller Tage Abend, ist doch das Vorhaben bislang nicht genehmigt, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilte: „Grundsätzlich erscheint die Erweiterung des Amtsgerichts genehmigungsfähig“, teilte Rathaussprecher Jan Gerull mit. Die Einreichung des Bauantrages sei für den Dezember angekündigt. Dabei sei allerdings die ursprünglich vorgesehene Hochgarage „vorerst nicht mehr Teil der Planung“. Ohne diese Garage würde das Bauvolumen auf dem Areal insgesamt schrumpfen.

Im weiteren Verlauf ist, so Gerull, eine Anliegerinformation geplant. Dann, voraussichtlich ebenfalls noch im Dezember, werde der Vorhabenträger die Planung und den vorgesehenen Ablauf vorstellen. Mit den Anwohnern stehe die Verwaltung aber schon jetzt in Kontakt, erklärte Jan Gerull.

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