Leichter zurück ins LebenAdipositas-Tag in Sieglarer Krankenhaus

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Adipositas Tag Sieglar

Zur Nachsorge gehört Bewegung, das zeigten die Mitglieder der Selbsthilfegruppe und eine Therapeutin beim Adipositas-Tag.

Troisdorf – Angela Drewing ist nur eine halbe Portion: 60 Kilogramm wiegt die 59-Jährige, 120 Kilo waren es vor ihrer Magenverkleinerung. Drewing muss regelmäßig zur Nachsorge, schluckt Calcium, Eisen und Multivitamine, Gartenarbeit und Sport gehören wieder zu ihrem Leben: „Früher war ich ständig außer Atem. Wenn ich mich hinkniete, kam ich nicht mehr hoch“, erzählt die Finanzbuchhalterin beim Adipositas-Tag im Sieglarer Krankenhaus. Hier standen neben Ärzten und Therapeuten auch Selbsthilfegruppen als Ansprechpartner bereit.

Fettleibigkeit erzeugt einen gewaltigen Leidensdruck, das weiß auch Frank Schumachers. Der gelernte Intensiv-Krankenpfleger hat auch in seinen schwersten Zeiten Vollzeit gearbeitet, Fahrradfahren konnte er mit seinen 196 Kilogramm schon nicht mehr: „Meine Knie stießen an den Bauch.“ Der Wendepunkt kam bei seinem Hausarzt. Der sagte dem damals 45-Jährigen: „Wenn Sie so weitermachen, haben Sie nur noch ein halbes Jahr zu leben.“ Da war gerade sein Kind zur Welt gekommen.

Problem „Jo-Jo-Effekt“

Schon als kleiner Junge war er dick, er war oft bei der Uroma, die im Krieg und in der Nachkriegszeit gehungert hatte. Sie meinte es nur gut: „Iss, Junge.“ Als Jugendlicher machte er erstmals Diät, danach immer wieder: Trennkost, Weight Watchers, Pillen, Null-Diät. Die Kilos schwanden, kamen wieder, mehr als zuvor, „der Jo-Jo-Effekt“.

Mit seinem heutigen Gewicht, 130 Kilo, sei er zufrieden, sagt der 50-Jährige, mittlerweile Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen und Leiter der Postoperativen Adipositas-Selbsthilfegruppe. Die Gemeinschaft tausche Informationen aus und gebe Halt, denn eine Magenverkleinerung löse nicht automatisch alle Probleme. Es gebe zum Beispiel die Gefahr einer Suchtverlagerung: Alkohol, Tabletten, Spielsucht. Schumachers: „Man wird am Bauch operiert und nicht am Kopf.“

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Schon vor einer möglichen Magenverkleinerung muss der Patient sein Leben ändern, die Ernährungsberatung besuchen und ein Mahlzeiten-Tagebuch führen, sich einer (Reha-)Sport-Gruppe anschließen, und er sollte das Für und Wider abwägen. Manche Patienten könnten nach der OP nur noch kalte Speisen zu sich nehmen, andere nichts Fettiges oder keine Kohlehydrate mehr essen. Viele Allerwelt-Medikamente wie das Schmerzmittel Ibuprofen seien tabu, weil sie den Magen belasteten.

Den Kampf gegen die Kilos will Melanie Kohnert ohne Unterstützung der Chirurgen gewinnen. Mit 42 wurde sie zum dritten Mal Mutter, mochte danach gar nicht mehr in den Spiegel gucken. „Ich trug Größe 56, habe in Umkleidekabinen geheult.“

Weg der Besserung

Vor einem Jahr fand sie den Weg in die Selbsthilfegruppe, die sie mittlerweile mit leitet. „Die Ernährungsberaterin hat mein Leben geändert“, sagt die Hauswirtschafterin, die – als junge Frau schlank – zu ihren schwersten Zeiten nur stundenweise arbeiten konnte und heute, schon 20 Kilo leichter, einen Halbtagsjob ausfüllt.

Ihr helfe, dass sie nicht mit allen Gewohnheiten brechen müsse, so Kohnert: „Einmal in der Woche darf ich alles essen, was ich möchte.“ Der Heißhunger allerdings sei ausgeblieben, die 45-Jährige gönnte sich ab und zu ein Eis. Toll sei es, wieder Treppen zu steigen und täglich zu schwitzen beim einstündigen Work-out mit der erwachsenen Tochter. Und in Größe 48 zu passen, Melanie Kohnert strahlt: „Mit Gummizug schon in 46.“

Die Adipositas Selbsthilfe Interessengemeinschaft hat eine große Datenbank aufgebaut. In ihr finden sich viele Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland.

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