Sport mit ZulaufTaktik wichtiger als Muskelberge – In Troisdorf trainieren Armwrestler

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Armwrestling in Spich: Marc Schendzielorz (weißes T-Shirt) und Nima Glatt betreiben diesen Sport und erklären die Unterschiede zum Armdrücken.

Armwrestling in Spich: Marc Schendzielorz (weißes T-Shirt) und Nima Glatt betreiben diesen Sport und erklären die Unterschiede zum Armdrücken.

Seit Anfang des Jahres trainieren Armwrestler unter dem Dach des FC Spich. Zahlreiche Aktive aus dem Raum Köln-Bonn sind dabei.

Biergeschwängerte Luft, hochrote Köpfe, hochgekrempelte karierte Ärmel – das ist Armdrücken. „Damit hat Armwrestling nichts zu tun“, stellen Marc Schendzielorz und sein Sportfreund Nima Glatt gleich klar.  Dafür sei bei ihrem Sport viel zu viel Technik mit im Spiel. Seit Anfang des Jahres trainieren die beiden unter dem Dach des FC Spich im Sportpark Auf den Höhen, zur WhatsApp-Gruppe gehören über 40 Aktive aus dem Großraum Köln-Bonn. Und deren Zahl wächst.

Die schlaflose Nacht vor einer Flugreise brachte Marc Schendzielorz, der heute in Swisttal lebt, 2015 zum ersten Mal mit dem Sport in Berührung. Er habe während der Schulzeit gern mit dem Vater oder Lehrern Armdrücken gemacht, erinnert sich der 29-Jährige. „Ich war da ziemlich gut drin.“ Die Begegnung mit dem Armwrestling aber, das er auf seiner Australienreise auch ausprobieren konnte, eröffnete ihm „eine ganz andere Welt“. 

Armwrestling in Spich: Marc Schendzielorz (weißes T-Shirt) und Nima Glatt betreiben diesen Sport und erklären die Unterschiede zum Armdrücken.

Armwrestling in Spich: Marc Schendzielorz (weißes T-Shirt) und Nima Glatt betreiben diesen Sport und erklären die Unterschiede zum Armdrücken.

Einen ersten Tisch kaufte er sich noch selbst, das Zimmer in der Koblenzer Wohngemeinschaft wurde zum Magneten für eine wachsende Zahl von Interessierten, die 2018 als Abteilung beim TV Koblenz-Moselweiß landeten. Vor drei Jahren stieß Nima Glatt dazu, der damals noch aus Siegburg zum Training pendelte. „Ich bereue, dass ich es so spät in meinem Leben kennengelernt habe“, sagt der heute 30-Jährige aus Siegburg.

Man lernt es nie zu 100 Prozent
Nima Glatt, Armwrestler

„Man ist abhängig von den Armen des Anderen“, beschreibt Nima Glatt , was ihn an dem Sport fasziniert: „Dass man den Menschen braucht und gemeinsam stark wird.“ Karate und Boxen hatte er ausprobiert; „nie gefallen“ habe es ihm, dass er anderen weh tat. Im Training wie im Wettkampf helfe man sich beim Armwrestling, gibt sich gute Ratschläge; erfahrene Aktive geben ihr Wissen an Neulinge weiter.

Armwrestling in Spich: Marc Schendzielorz (weißes T-Shirt) und Nima Glatt betreiben diesen Sport und erklären die Unterschiede zum Armdrücken.

Auch unter dem Tisch passiert beim Armwrestling eine Menge.

Und doch: „Man lernt es nie zu 100 Prozent“, sagt Nima, der am 1. November ins Referendariat für Mathematik und Physik an einem Gymnasium im Raum Köln geht. 

Die richtige Technik bringt oft den Sieg gegen vermeintlich stärkere Gegner

„Sehr individuell“ gestaltet jeder Athlet sein Training zu Hause. „Man fragt drei Profis und kriegt vier Meinungen“, übersetzt das Marc Schendzielorz, der gerade an seiner Doktorarbeit in Biologie arbeitet. Nicht jeder gehe ins Fitnessstudio; auch kleinere Aktive mit weniger Muskelmasse können den „Schrank“ gegenüber schlagen, wenn sie mit einer guten Taktik kämpfen.

Eine Weile hätten sie „so drauf los gewrestelt“, inzwischen haben Patrick Jundt und Dimitrion Kamelidis mehr Wissenschaft in das sonntägliche Training hineingebracht: Für die zentralen Techniken gibt es nun Unterlagen, Jundt hat darüber sogar eine Bachelorarbeit geschrieben. Über 30 Muskeln gibt es allein im Arm und die zu kennen ist wichtig für das Regenerationstraining zuhause. Und das machen eigentlich alle. Denn, so Nima, „es macht so viel Spaß, dass man sich manchmal beim Tischtraining zu sehr vorausgibt.“ Die beanspruchten Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke bräuchten dann eine gute Regeneration. 

Zug und Druck zur rechten Zeit sind die entscheidenden Parameter in der Auseinandersetzung am Stehtisch. „Unzählige Kraftvektoren wirken in die Hand und auf den Arm des Gegners“ lautet dafür Schindzielorz' wissenschaftliche Erklärung. Nach Möglichkeit geben die Kämpfenden die kompakte Haltung nie auf. Anders als beim Armdrücken wird aus der Rückenmuskulatur gezogen, ist der Körper stets hinter dem drückenden Arm und bewegt sich als Einheit mit.  Starke Sehnen sind unverzichtbar für die Handdrehungen, die den Gegner in eine ungünstige Position bringen sollen.

Millimeterarbeit ist unter Umständen schon die „setting“ genannte Startposition, schon nach einer Sekunde kann der Kampf  zweier Athleten – oder Athletinnen – vorbei sein. Marc setzt beim Start auf Explosivität und schätzt die schnelle Aktion, Nima spielt lieber auf Zeit und wartet, „bis der Gegner aufgibt.“ Aber auch nach dem eigenen Ausscheiden mache ein Turnier noch viel Spaß, erzählen die beiden: Weil es „Side-Tables“ gibt, Tische außerhalb der Wettkampfzone, an denen man sich trifft, kämpft und voneinander lernt.

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