Troisdorfer MuseumStudierende untersuchen alte Kunststoffe

Mit einem USB-Mikroskop untersucht Hannah Jacobs Clogs aus Kunststoff.
Copyright: Dieter Krantz
Troisdorf – Drei Tage hat sich Moritz Erdmann mit dem Stück Kunststoff befasst, nun hat der junge Mann die unscheinbare braunmelierte Platte „verstanden“: Es handelt sich um den Kunststoff Cellonex, der zwischen 1978 und 1987 in Troisdorf hergestellt wurde. Das vor ihm liegende Stück war wohl ein Musterstück, das zu Messen mitgenommen wurde. Und das – im Farbton „Top Bali“ von 1979 – als Material für Brillengestelle verwendet wurde.
Die Aufgabe: Das Objekt „verstehen“
„Es ist ein bisschen Detektivarbeit“, beschreibt Friederike Waentig, was sie mit sechs Studierenden der Technischen Hochschule in diesen Tagen im Depot des stadtgeschichtlichen Museums Musit tut. „Das Objekt verstehen, Fragen stellen und Details nicht übersehen“, so die Dozentin, sind die Aufgaben der Übung, die die Sechstsemester im Studiengang für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft an der Technischen Hochschule absolvieren.
Bei Gemälden sei das noch „relativ simpel“, bei den Kunststoffen aber weit komplexer: Welcher Kunststoff wurde hier verwendet? Welche Entwicklung liegt dem zugrunde und welche Herstellungstechniken sind nachzuvollziehen? Wichtige Fragen, deren Antworten auch entscheidend sind für eine mögliche Restaurierung.
Die Augen sind das wichtigste Werkzeug
„Das wichtigste Werkzeug sind die Augen“, betont die Professorin. Gleichwohl haben sie und die Studierenden reichlich Gepäck nach Troisdorf mitgebracht: Starke Fotolampen und eine Kamera für Makroaufnahmen richtet Karlotta Cimander auf einen Brieföffner mit Dynamit Nobel Werbeprägung.

Mit einem gegossenen Brieföffner befasst sich Karlotta Cimander.
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Mit einem USB-Mikroskop untersucht Hannah Jacobs unterdessen einen hellrosa Kunststoff-Clog. „Meine Schwester hatte solche und ich habe immer gerne darauf rumgedrückt“, erklärt sie, warum sie sich aus der umfangreichen Sammlung in einem Gebäude des Industrieparks in Troisdorf gerade dieses Objekt ausgesucht hat. Die genaue Analyse der Zellstruktur, aber auch der Spuren eingesetzter Werkzeuge und Maschinen stehen heute auf ihrem Tagesprogramm.
Kunststoffgeschichte ist Alltagsgeschichte
„Das ist Alltagsgeschichte“, erklärt Friederike Waentig die Bedeutung solcher Forschung, bei der den angehenden Fachleuten für Restaurierung und Konservierung auch umfangreiches Textmaterial und nicht zuletzt das umfassende Wissen von Volker Hofmann zugute kommen, der vor Jahren das Kunststoffmuseum gründete, dessen Bestände an das Musit übergangen sind.
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Eine Forschung, deren Bedeutung kontinuierlich wächst, wie Museumsleiterin Pauline Liesen und Dozentin Waentig wissen. „Der Denkmalschutz hat das Kunststofffenster entdeckt“, erzählt die Professorin. Wichtig sei nun, herauszufinden, wie man die einst verpönten Fenster länger erhalten kann.
Viele Objekte müssen betreut werden
Auch im Musit lagern viele Objekte der eng mit dem Kunststoff verbundenen Troisdorfer Stadtgeschichte, die früher oder später konservatorisch betreut werden müssen. Auf Expertise aus Troisdorf hat sogar das weltberühmte Guggenheim-Museum in New York schon zurückgegriffen.
Bauhaus-Künstler nutzte Platte
Die Bitte aus New York kam überraschend: Das berühmte Guggenheim-Museum bat vor einigen Jahren in Troisdorf um Hilfe bei der Restaurierung des Bildes „Tp2“ des Bauhaus-Künstlers Làzló Moholy-Nagy aus dem Jahr 1930.
Es folgte eine intensive Korrespondenz zwischen Troisdorf – hier war vor allem die Expertise von Volker Hofmann gefragt, dem Vorsitzenden des Kunststoffmuseums-Vereins – und den USA, wo an der North-Western University im Staate Illinois Jenny Salvant den Troisdorfer Sachverstand gern nutzte.
Ergebnis der gemeinsamen Forschung: Der Künstler, damals in Berlin lebend, kann die Platte nur aus Troisdorf bezogen haben. Denn nur dort wurde Trolit, fußend auf einem Patent des Troisdorfer Entwicklungsleiters Gustav Leysieffer, in den passenden Maßen hergestellt. „Kein Zufall“, ist Pauline Liesen überzeugt, war die Wahl des Materials. Moholy-Nagy habe immer wieder bewusst in künstlerischer Art auf die genutzten Materialien reagiert.
Das eigentlich transparente und harte Material ließ er einfärben, bevor er selber darauf malte und von hinten die Platte auch ritzte. Übrigens hat Troisdorf auch im Namen des Kunstwerks Spuren hinterlassen – die man allerdings zu deuten wissen muss: „Tp“ steht für „Trolit poliert“. (dk)
In der Zwischenzeit ist Franziska Eber mit ihrer Spurensuche weit gekommen. Eine unscheinbare Scheibe hat sie auf ihrem Arbeitstisch liegen, „an eine Hantelscheibe“ hat die junge Frau gedacht, ehe sie das Rätsel der Scheibe entschlüsseln konnte: In einem Antriebsmotor der Firma Opel war das Teil mit den Textilspuren verbaut.
Schon früher wurde hier gelernt
Dass Vulkanfiber nichts mit dem Vulkanisieren zu tun hat, konnte Domenika Marks bei der Untersuchung eines Transportkorbs aus den 60er Jahren herausfinden.

Domenika Marks gehört ebenfalls zu den Studierenden der Technischen Hochschule Köln, die im Depot des Musits forschten.
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Und Konstantin Fischer hat ein Zeugnis für frühere Ausbildung hier gefunden: Die Gedenkplakette aus Bakelit, hergestellt 1969 zur Erinnerung an die erste Mondlandung, ist so sichtlich unvollkommen, dass es sich wohl um Lehrstück handeln muss.