Lukas Hradecky ist nicht nur Torwart und Kapitän von Bayer 04 Leverkusen. Der Finne ist auch meinungsstark und sagt offen, was er denkt. Zum Beispiel, dass mehr Defensive dem Fußball-Bundesligisten gut tut.
Bayer LeverkusenFür Hradecky „heiligt der Zweck die Mittel“

Geht häufig vorneweg: Bayer Leverkusens Kapitän Lukas Hradecky.
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„Tarkoitus pyhittää keinot“. Diese Buchstabenfolge zeigt nicht etwa, dass der Autor beim Tippen auf der Tastatur ausgerutscht ist. Vielmehr haben die drei Wörter im Finnischen eine große Bedeutung. Wörtlich übersetzt könnte man vom „Zweck“ sprechen, der „die Mittel heiligt“. Auch Lukas Hradecky kennt die Redewendung und brachte bei Bayer Leverkusen so seine Meinung zum Ausdruck. „Wir sind nicht so gut eingestellt für eine Pressing-Mannschaft“, findet der finnische Torwart und Kapitän der Werkself, „deswegen haben wir uns ein bisschen zurück positioniert.“
Nach 100 Tagen unter dem neuen Coach Xabi Alonso und anderthalb Wochen vor dem Bundesliga-Start 2023 steht Bayer 04 nicht nur tabellarisch am Scheideweg zwischen Europa-Pokal- und Abstiegsplätzen, sondern auch vor der Frage, ob der fußballerische Ansatz weiter destruktiv auf defensive Stabilität ausgerichtet oder doch wieder der offensivfreudigen Bayer-DNA angepasst wird. Als Tabellenzwölfter müssen Hradecky und Co. schon vor dem richtungsweisenden Auftritt bei Borussia Mönchengladbach am 22. Januar eine Spielphilosophie ausloten. „Es war die einfachere Lösung, den Gegner erstmal aufbauen und Fehler machen zu lassen“, denkt Hradecky an die letzten Pflichtspiele in 2022. Zum Abschied aus der Champions-League gab es ein 0:0 gegen Club Brügge und die drei Bundesliga-Siege gegen Union Berlin (5:0), beim 1. FC Köln (2:1) und gegen Stuttgart (2:0).
Rückkehr von Wirtz und Bellarabi tut gut
Dass die neue Kompaktheit unter Alonso mit nur noch einem Gegentor in vier Spielen einherging, freut den 33-jährigen Nationalkeeper und er lobt die Hybrid-Fünferkette, bei der einzig Jeremie Frimpong als Supersprinter nach vorne stoßen darf. Andererseits fordert er auch: „Mit Ball müssen wir klar besser werden.“ Da tue es gut, dass Florian Wirtz und Karim Bellarabi als „Pressingtypen“ zurück in die erste Elf drängen. „Die ziehen die anderen Jungs mit. Das war nicht so da in 2022.“
Als zusätzlichen Faktor nennt der Finne die Zeit. Erstmals seit drei Monaten kann Xabi Alonso den Bayer 04-Profis seine Fußball-Idee auf dem Trainingsplatz näherbringen. „Er hat da sehr detaillierte und genaue Vorstellungen. Spanische Genauigkeit eben“, beschreibt der Torwart die energische Art des Trainers und verrät das Hauptthema der zweiten Vorbereitungswoche: „Spielaufbau“.
Ich bin eben auch nur ein Mensch.
Hradecky verschweigt nicht, dass er auch mit Alonsos Vorgänger Gerardo Seoane sehr gut auskam: „Dass Gerardo wegmusste, hat eine Spur hinterlassen“, erklärt er die große Verunsicherung im Herbst – auch bei sich selbst. „Ich habe mehr Stabilität erwartet, war aber vielleicht zu viel mit anderen Sachen als Kapitän beschäftigt. Ich bin eben auch nur ein Mensch.“
Ein Mensch, der im Fußballgeschäft schon viel erlebt und ein feines Gespür entwickelt hat. Deswegen geht der Routinier auch nicht mit, wenn Vereinsführung, Umfeld und teilweise auch eigene Mitspieler die große Aufholjagd in der Bundesliga ausrufen. „Wegen der langen Winterpause dürfen wir nicht vergessen, dass wir immer noch in der Scheiße stehen“, sagt Hradecky vor der Generalprobe am Sonntag (13 Uhr, BayArena) gegen den FC Kopenhagen, „ich will erstmal wirklich den Klassenerhalt schaffen.“
Mit diesem Statement kommt der Finne zurück auf „Tarkoitus pyhittää keinot“. Schließlich rutschte die Werkself 2022 auch in die Krise, weil Situationen verkannt und schöngeredet wurden. Hradecky setzt nun auf geschärfte Sinne und offene Augen. Ein Mittel, das den Leverkusenern, bei lediglich 18 Punkten aus 15 Spielen, heilig sein dürfte.