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Kommentar

Nach WM-Quali
Deutschland sollte bei der WM kleinere Brötchen backen

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Trainer Julian Nagelsmann

Trainer Julian Nagelsmann

Nach der erfolgreichen Qualifikation wächst die Euphorie – doch die DFB-Elf ist fragiler als gedacht. Bevor von Titelambitionen gesprochen werden kann, muss die Mannschaft sich erst beweisen.

Nach dem emotionalen Viertelfinal-Aus gegen Spanien bei der Heim-EM im vergangenen Jahr verkündigte Bundestrainer Nagelsmann trotzig, „dass man nun zwei Jahre warten muss, dass man Weltmeister wird.“ Damit erwies er sich im Nachhinein selbst einen Bärendienst, denn die riesige Euphorie im Land nach der EM ebbte schnell wieder ab. Die WM-Qualifikationsspiele gegen allenfalls zwei- und drittklassige Teams führte den deutschen Fans schnell vor Augen, dass die deutsche Nationalmannschaft wieder ein sehr fragiles Gebilde ist.

Nagelsmann schaffte es nicht, seine Spielphilosophie zu implementieren und auch ein Gerüst von Führungsspielern zu etablieren. Die Rücktritte der Spielerpersönlichkeiten wie Thomas Müller, Toni Kroos und Manuel Neuer wiegten schwer. Nagelsmann experimentierte viel und wurde auch aufgrund von Verletzungen oft dazu gezwungen, viel zu rotieren. Dabei blieb die spielerische Finesse auf der Strecke und eine Stammelf fand sich bislang nicht.

Trotz aller Unkenrufe beendete das DFB-Team die WM-Quali erfolgreich und der unliebsame Gang in die Playoffs blieb – anders als zum Beispiel Italien – Deutschland erspart. Das 6:0 in Leipzig gibt den deutschen Fans gerade noch rechtzeitig ein wenig Euphorie zurück und die Vorfreude auf das große Fußballspektakel steigt.

Was die eigenen Ambitionen angeht, sollte das DFB-Team zunächst kleinere Brötchen backen. Den letzten Sieg gegen eine bedeutende Fußballnation bei einer WM liegt schon elf Jahre zurück. Im Finale in Rio de Janeiro 2014 krönte sich Deutschland gegen Messis Argentinien zum Weltmeister.

Wenn alles passt, so sagte es auch Innenverteidiger Schlotterbeck, ist das deutsche Team eine sehr gute Mannschaft. Selbstbewusst schickte er hinterher: „Wir sind immer noch Deutschland! Ich will auch zur WM gehen und das Ding gewinnen.“ Dieses Mindset ist im kommenden Jahr auf jeden Fall vonnöten, wenn Deutschland zumindest einmal wieder an einem WM-Halbfinale schnuppern möchte.

Um tatsächlich in der Riege der Top-Anwärter aufzusteigen, sind Konstanz auf höchstem Niveau, die Rückkehr der Spitzenleute wie Rüdiger, Musiala und Havertz und vor allem eine nachhaltige Stabilisierung der Defensive im internationalen Vergleich notwendig. Bevor von einem Titelanspruch gesprochen werden kann, muss die Mannschaft beweisen, dass sie die gezeigte Leistung und die dazugewonnene Souveränität auch gegen die ganz großen Namen des Weltfußballs abrufen kann. Vorsichtiger Optimismus ist erlaubt, unangebrachte Euphorie ist es nicht.