Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

JugendschutzAustralien führt strenge Alterskontrollen im Internet ein

4 min
Neuer Inhalt

Den ersten Porno sehen viele Jugendliche ungewollt. Sie stoßen im Internet darauf oder bekommen ihn von Freunden gezeigt.

Als erstes Land weltweit verbietet Australien Kindern unter 16 Jahren den Zugang zu sozialen Medien wie Instagram und TikTok. Zusätzlich müssen Pornoseiten ab Dezember Altersverifikationen einführen, um Minderjährige zu schützen.

Australien zieht die Zügel im Internet deutlich an: Ab Dezember dürfen Nutzer pornografische Angebote im Netz nur noch nach einer Altersverifikation aufrufen. Damit will die Regierung Kinder und Jugendliche besser vor schädlichen Inhalten schützen. Der Schritt ist Teil einer breiten Offensive zum Kinderschutz, die Australien international zu einem Vorreiter macht – und das Netz für Millionen Menschen grundlegend verändern wird.

Sicherheitskodex und mögliche Strafen

Der jetzt vorgestellte Sicherheitskodex verpflichtet die Betreiber einschlägiger Seiten, technische Barrieren einzuführen, die den Zugang Minderjähriger verhindern sollen. Wie genau das funktionieren soll, bleibt vorerst offen. Diskutiert werden Lösungen, die von der Vorlage amtlicher Ausweisdokumente bis hin zu biometrischen Verfahren wie Gesichtserkennung reichen. Wer die Vorgaben nicht umsetzt, muss mit drastischen Strafen rechnen: Bußgelder bis zu 49,5 Millionen australische Dollar (knapp 28 Millionen Euro) oder die komplette Blockade im Netz sind möglich.

Das Büro der E-Safety-Beauftragten erklärte, dass Altersbeschränkungen für Pornografie und andere potenziell schädliche Inhalte ähnlich wie bei Zigaretten, Alkohol oder öffentlichen Glücksspielen funktionieren. Sie ermöglichen der Gesellschaft, Kinder vor Dingen zu schützen, die ihre unmittelbare Sicherheit gefährden oder ihre langfristige Gesundheit und Entwicklung beeinträchtigen könnten.

Erschreckende Statistiken über Kinder und Pornografie

Studien der Behörde zeigen, dass etwa zehn Prozent der Kinder bis zum Alter von zehn Jahren bereits unbeabsichtigt auf Pornografie gestoßen sind – bis zum Alter von 13 steigt dieser Anteil auf fast 30 Prozent. Pornoseiten müssten daher genauso Verantwortung übernehmen wie andere digitale Plattformen. Die Alterskontrollen bei Pornoseiten sind nicht der erste Schritt dieser Art. Schon zuvor hatte die Regierung einschneidende Maßnahmen beschlossen: Ab dem 10. Dezember dürfen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren keine Konten mehr auf TikTok, Instagram, Facebook, Snapchat, X – und überraschenderweise auch auf YouTube – betreiben.

Bindende Altersgrenze für soziale Medien eingeführt

Verbindliche Altersgrenze Kommunikationsministerin Anika Wells begründete den Kurswechsel bei YouTube damit, dass „vier von zehn australischen Kindern ihren letzten schädlichen Online-Kontakt“ dort erlebt hätten. Australien ist damit das erste Land weltweit, das eine verbindliche Altersgrenze für soziale Medien einführt.

Hinzu kommt ein weitreichender Kodex für Suchmaschinen wie Google oder Bing, der ab Ende des Jahres greifen soll. Künftig sollen auch sie Altersnachweise verlangen, wenn Kinder oder Jugendliche Dienste nutzen. Gleichzeitig müssen Suchmaschinen Inhalte stärker filtern: Pornografie, Gewaltvideos oder Suchvorschläge mit sexualisiertem Material dürfen Minderjährigen nicht mehr angezeigt werden. Bei sensiblen Themen wie Suizid oder Essstörungen müssen prominente Hinweise auf Hilfsangebote eingeblendet werden.

Datenschutzbedenken und praktische Herausforderungen

Diese Maßnahmen markieren einen drastischen Kurswechsel in Australien. Der öffentlich-rechtliche Sender ABC sprach bereits von einem „Kurswechsel bei der Internetnutzung“. Während viele Eltern die Pläne begrüßen, äußern Datenschutz- und Technikexperten Zweifel an der praktischen Umsetzung. Bisher kündigte eSafety-Kommissarin Julie Inman Grant an, dass die Plattformen ein „mehrschichtiges Wasserfall-Modell“ zur Altersüberprüfung einführen sollen, bei dem ein amtlicher Ausweis nie die einzige oder letzte Möglichkeit bleibt.

Vorrangig sollen die Unternehmen zunächst Konten von unter 16-Jährigen löschen oder deaktivieren. Zusätzlich müssen sie verhindern, dass Jugendliche das Verbot mithilfe von VPN-Diensten umgehen. Erste technische Lösungen sind bereits angekündigt: Tinder will künftig Gesichtskontrollen einführen, die Spieleplattform Roblox setzt auf sogenannte „Age Assurance“-Technologien, und Apple plant, Plattformen präzisere Altersinformationen zur Verfügung zu stellen – etwa, ob Nutzer über 13, 16 oder 18 Jahre alt sind.

Bumerang-Effekt und Umgehung durch VPN-Dienste

Gleichzeitig warnt der Digitalexperte Robert Gerlit – gerade mit Blick auf die Barrieren für Pornoseiten – vor einem möglichen Bumerang-Effekt in Australien. In Großbritannien hätten pornografische Seiten mit Alterskontrollen nach Einführung vergleichbarer Regelungen zwar einen deutlichen Besucherrückgang verzeichnet. Doch: „Gleichzeitig erlebten unkontrollierte Angebote einen regelrechten Boom, und immer mehr Nutzer wichen in unregulierte Bereiche des Internets aus.“

So hat einer der weltweit größten Anbieter pornografischer Inhalte den Zugang für alle Nutzer in mehreren US-Bundesstaaten komplett gesperrt – mutmaßlich, um die hohen Kosten technischer Alterskontrollen zu umgehen. Dies habe dann dazu geführt, dass immer mehr Menschen VPN-Dienste nutzten, um die Sperren zu umgehen. Auch in Großbritannien seien die Downloadzahlen solcher Anwendungen bereits sprunghaft angestiegen. Gerlit betont: „Es gibt keine einfache, magische Lösung, die alle Probleme auf einmal beseitigt und das Internet von heute auf morgen sicherer macht. Jede Maßnahme bringt neue Herausforderungen mit sich.“.