6 Leute auf 9 x 5 MeternFreilichtmuseum Lindlar baut Tiny House aus 1831 wieder auf

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Das Freilichtmuseum baut ein Kleinsthaus aus Hilden von 1831 wieder auf.

Das Freilichtmuseum baut ein Kleinsthaus aus Hilden von 1831 wieder auf.

Lindlar – Leben und arbeiten unter einem Dach – für viele Menschen früher der Normalfall. Oft ging es dabei sehr beengt zu. Wie das aussieht, lässt sich im Freilichtmuseum Lindlar im Kleinsthaus aus Hilden nachvollziehen.

Das Ensemble wird jetzt um ein zweites, im Jahr 1831 errichtetes Gebäude erweitert, das ebenfalls in Hilden stand, und zwar in direkter Nachbarschaft.

Freilichtmuseum Lindlar holt altes Hildener Fachwerk-Minihaus aus der Versenkung

Beide Häuser sollten 1990 abgerissen und entsorgt werden. Der Landschaftsverband zerlegte die Gebäude fachmännisch und lagerte sie im damals gerade neu gegründeten Freilichtmuseum Lindlar ein.

Kleinsthaus Nummer 1 wurde dort in 2013 bis 2015 wieder aufgebaut, Haus Nummer 2 blieb in paar Jahre länger im Depot. „Im Rahmen des Projekts ,Bauhaus 100’ haben wir jetzt Fördermittel für den Wiederaufbau bekommen“, sagt Petra Dittmar, Volkskundlerin im Freilichtmuseum.

Freilichtmuseum Lindlar muss Eichenbalken von Kleinsthaus Nummer 2 ersetzen

Die Mitarbeiter des Museums haben als erstes eine Bodenplatte gegossen und eine Feuchtesperre eingebaut, um zu verhindern, dass das knapp 200 Jahre alte Fachwerkhaus nasse Füße bekommt. Die Original-Eichenbalken waren in schlechtem Zustand und mussten zum Teil ersetzt werden, vor allem die tragenden Teile.

So sah das Haus am Originalstandort in Hilden damals aus.

So sah das Haus am Originalstandort in Hilden damals aus.

Im nächsten Schritt wird das Dach gedeckt und die Wände werden mit Lehmziegeln ausgefacht und dann innen und außen verputzt. Ganz originalgetreu sei das nicht, erklärt Dieter Wenig, Bauhistoriker des Museums.

Doch würde man die Wände, wie früher zumeist üblich, mit einer Mischung aus gewickeltem Stroh und Lehm ausfachen, werde das zum einen deutlich teurer. Und zum anderen würde man damit viel Feuchtigkeit in den Bau bringen.

Die Geschichte der Bewohner

1831 erbaut

Dr. Martina Gass, eine Historikerin, hat die Geschichte der früheren Bewohnerinnen und Bewohner detailliert erarbeitet. Beide Häuser gehörten zeitweise einer Familie. 1831 wurde das Gebäude von Helena Maria Geiger (geborene Sandbach, 1806-1863) und ihrem Mann Andreas gebaut.

Kleine Werkstatt im Haus

Im kleinen Nachbarhaus lebte ihr Vater Johann Peter Sandbach. Er war früh verwitwet, zog vier Kinder groß und hatte und ein bescheidenes Einkommen als Woll- und Leinweber. Andreas Geiger (1799-1874) der aus Frankenberg/Eder stammte, war Schreiner und richtete in dem Haus eine kleine Werkstatt ein.

Das Paar bekam vier Kinder, die Familie betrieb die Schreinerei bis in die 1880er Jahre. Aus den Archivunterlagen geht hervor, dass Andreas Geiger unter Tuberkulose litt, schwer erkrankte, diese jedoch überlebte.

Sohn lernt ebenfalls Schreinerhandwerk

Der einzige Sohn Wilhelm (1835-1886) erlernte ebenfalls das Schreinerhandwerk, blieb mit seiner Schwester Alwine im Haus wohnen und heiratete 1864 eine Frau aus der Nachbarschaft, Wilhelmine Ohsenbühn, die jedoch früh, im Alter von 33 Jahren, verstarb.

Mit Unterstützung seiner ledigen Schwester Alwine zog er seine beiden Söhne Karl und Ernst Wilhelm groß. Andreas Geiger starb bereits mit 51 Jahren. A

lwine betrieb eine kleine Landwirtschaft, die die Familie von ihrem Großvater geerbt hatte, bis zu ihrem Tod 1917 weiter. Sie hatten zudem das Nachbarhaus vom Großvater geerbt, das dann vermietet wurde.

Nach dem Auszug der Brüder lebten verschiedene Untermieter mit Alwine Geiger in dem Haus, so der Maurer August Knipprath mit Frau und Tochter.

Wochenendhaus und Schrebergarten

Nach dem Tod der Tante Alwine verkaufen die Brüder in den 1920er Jahren die beiden Häuser an die Nachbarfamilie Thiele, die eine größere Landwirtschaft bewirtschafteten. In den 1920er und 1930er Jahren lebte die Witwe Katharina Bürgel in dem Haus, weitere Zimmer wurden an Tagelöhner und Fabrikarbeiter untervermietet.

Ab 1961 lebte das Ehepaar Likic für 15 Jahre in dem Gebäude. Ab 1976 standen beide Kleinstwohnhäuser mehr oder weniger leer, sie dienten der Familie Thiele als Wochenendhaus und Schrebergarten, bevor sie 1990 vor dem Abriss gerettet wurden und in Freilichtmuseum Lindlar kamen.

Leben auf neun mal fünf Quadratmetern im 19. Jahrhundert

Das Haus hat eine Grundfläche von 9 mal 5 Meter. Im Erdgeschoss waren auf 45 Quadratmetern Fläche sowohl die Wohnräume und Küche der sechsköpfigen Familie, als auch eine Schreinerwerkstatt untergebracht.

Unterm Dach gab es zwei Schlafkammern, mit schrägen Wänden und ohne Stehhöhe. Das Kleinsthaus zeigt eindringlich, unter welchen Bedingungen im 19. Jahrhundert viele Menschen leben mussten.

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Doch nicht nur beengte Wohnverhältnisse, auch die Untervermietung war weit verbreitet. In dem Kleinsthaus Nummer 2 soll künftig die Ausstellung „Land – Frauen – Arbeit“ gezeigt werden, die derzeit noch in der Umweltwerkstatt im ersten Stock des Müllershammers zu sehen ist.

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