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40 Millionen Euro weg?Deutsches Fintech-Start-Up Savedroid schockt Anleger mit PR-Gag

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Ist er nun weg oder nicht? Diese Frage hat viele Investoren von Savedroid rund um CEO Yassin Hankir einen Tag lang sehr nervös gemacht.

Die Blockchain-Technologie ist der neue Stern am Technologie-Himmel. Eine dezentrale Alternative zum derzeitigen Währungssystem, Verbesserungen in der Datenspeicherung und Logistik und andere Innovationen im Bereich automatisierter Prozesse, all das stellt die neue Technologie in Aussicht.

Es gibt allerdings auch Schattenseiten, die mit dem Aufkommen der neuen Technologie in den letzten Jahren aufgetreten sind. Die nahezu euphorische Goldgräber-Stimmung, die zur Zeit bei Investoren im Kryptowährungs-Universum herrscht, hat, auch im Zusammenhang mit bisher fehlenden Regulierungen, das Interesse von Betrügern geweckt.

In sogenannten Initial-Coin-Offerings (ICO) bieten Blockchain-Firmen ihre neu erstellten Kryptowährungen und digitalisierten Firmenanteile an Investoren an. Die stellen im Gegenzug Kapital in Form von anderen Kryptowährungen, oder auch Fiat-Geld, wie Euro oder Dollar, für die Finanzierung des Projektes im Tausch zur Verfügung.  

Aufgrund des frühen, größtenteils unregulierten Stadiums des Marktes gibt es jedoch keine Garantien für die Anleger, außer das Vertrauen in den Wert der ausgegebenen Coins und der Seriosität des dahinterstehenden Teams. Ein sogenannter „Exit-Scam“, also eine Art von Betrug, bei dem von Anfang an geplant ist, mit dem eingesammelten Kapital zu verschwinden und die Investoren mit wertlosen Coins zurückzulassen, ist eine reale Gefahr.

PR-Stunt von deutscher Fintech-Firma Savedroid sorgt für Wirbel

Die Savedroid AG, ein im Jahr 2015 gegründetes deutsches Fintech-Unternehmen mit Sitz in Frankfurt, hat sich dieser Problematik angenommen und eine kontroverse Botschaft gesendet: Im März 2018 hatte die Firma selbst ein erfolgreiches ICO durchgeführt. Dabei wurden 6 Milliarden Coins zu einem Gegenwert von umgerechnet 40 Millionen Euro verteilt. Am 18. April kam der Schock für die Anleger: Die Website der Firma war plötzlich nicht mehr erreichbar. Die Social Media Kanäle, allen voran der Telegram-Channel mit 50.000 Mitgliedern, in denen das Team sonst in regem Austausch mit ihrer Community stand und regelmäßig Updates zum Projekt lieferte, waren nicht mehr moderiert und von Spam-Accounts mit dubiosen Links und Spam-Nachrichten zugepflastert.

Die Gemüter der Investoren waren wenige Stunden nach Bekanntwerden des Verschwindens von Savedroid sichtlich erhitzt. Teilweise wurden sogar Morddrohungen gegen den CEO und Gründer der Firma, Yassin Hankir, auf den sozialen Kanälen verbreitet.

Die Krönung lieferte der CEO dann selbst, in dem er beim Kurznachrichtendienst Twitter zwei Bilder von sich veröffentlichte – eines am Flughafen Frankfurt mit ausgestrecktem Daumen und eines mit einer Flasche Bier in der Hand an einem Strand von Ägypten. Dazu die besorgniserregende Nachricht: „Thanks guys! Over and out...“ Danke Leute! Lebt wohl...

Erst circa 24 Stunden später löste er die Situation auf: Via Twitter meldete sich Hankir in einer Video-Botschaft zurück, in der er den Coup als PR-Stunt darstellte und die Investoren beruhigte. Die Botschaft, die er senden wollte: Die Gefahr von unregulierten ICOs aus Anlegersicht ist hoch. Bisher fehlende ICO-Standards lassen potentiellen Betrügern viel Spielraum, sich mit dem eingesammelten Geld aus dem Staub zu machen.

In einem Interview mit dem Start-up-Portal gründerszene.de hat der CEO ausführlicher Stellung bezogen. „Meiner Meinung nach ist der ICO-Markt mit hoher Geschwindigkeit im Selbstzerstörungs-Modus unterwegs. Zu vielen geht es lediglich darum zu schauen, wer kann wen über den Tisch ziehen.“ Laut Meinung Hankirs biete der Markt jedoch ein „großes Potential“ und sei „superspannend“. Um den Markt zukünftig vor Schaden zu bewahren und nachhaltig zu gestalten, bräuchte es „hohe Qualitätsstandards“. Mit dem inszenierten PR-Gag wollte Savedroid die Nutzer dafür sensibilisieren.

Ob die durchgeführte Aktion für Savedroid als Erfolg zu verbuchen ist, muss die Zeit zeigen. In den Blockchain-spezifischen Medienportalen, aber vor allem von Seiten der Investoren, hagelte es massive Kritik. Viele sehen den PR-Stunt von Savedroid als Rufschädigung für den deutschen Fintech-Bereich und befürchten eine gegenteilige Wirkung von dem, was beabsichtigt wurde, nämlich, dass bisher unentschlossene Investoren das Vertrauen in den Markt und die Technologie verlieren.

Konsequenzen für die Aktion bahnen sich jedoch nicht nur in Form der dargebrachten Kritik durch Investoren und Fintech-Vertreter an. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat angekündigt, die Vorfälle bei Savedroid zu überprüfen, um eine Entscheidung für eine Einleitung eines Verfahrens zu treffen. Gegenüber gründerszene.de gibt sich der CEO jedoch zuversichtlich: „Wir gehen fest davon aus, dass die positiven Emotionen überwiegen.“ Man arbeite derzeit daran, dass sich die inhaltliche Botschaft durchsetzt.

Was ist die Idee von Savedroid?

Ursprünglich hat das Start-Up eine App entwickelt, die es Nutzern mittels Algorithmen ermöglicht, kleine Geldbeträge mit ihrem Girokonto zu sparen. Das kann zum Beispiel ein simples Aufrunden von Zahlungen über das Konto sein, die Nutzer können aber auch eigene Spar-Regeln nach Wenn-Dann-Regeln erstellen. Beispielsweise „spare 2 Euro, wenn deine Fitness-App misst, dass du 5 km gelaufen bist“ oder auch „spare 50 Cent, wenn Donald Trump einen neuen Tweet absetzt“. Die App benötigt dabei Zugriff auf das Girokonto des Nutzers und viele der Apps auf dem Smartphone. Die gesparten Beträge werden dann automatisch auf ein Sparkonto der Wirecard Bank, die Kooperationspartner des Unternehmens ist, transferiert, können aber jederzeit wieder ausgezahlt werden.

Die Idee der App soll nun auf den Blockchain- und Kryptowährungsbereich adaptiert werden. Neben Euro sollen in Zukunft auch Kryptowährungen gespart werden. Die App soll dabei genauso funktionieren wie vorher, nur mit dem Unterschied, dass der Nutzer entscheiden kann, ob und wie viel des gesparten Betrages in Kryptowährungen umgewandelt werden soll. Die Umwandlung und Verwaltung liegt dabei in der Verantwortung von Savedroid.

Während des Initial Coin Offerings im März wurden sechs Milliarden sogenannter „SVD-Tokens“ ausgegeben, zu einem Gegenwert von etwa 40 Millionen Euro. Der Token soll in Zukunft von den Nutzern als Zahlungsmittel für die Dienste der App verwendet werden.