Ford und die chemisch-pharmazeutische Industrie befinden sich in der Krise – Im Rheinischen Revier nimmt der Umbau hingegen Fahrt auf. Ein Rückblick auf die wirtschaftliche Lage in Köln und der Region
Das war 2025 - WirtschaftSorgen um Jobs und Hoffen auf neue Stellen im Rheinland

Beim Streik vor den Fordwerken in Köln bekundeten die Mitarbeiter ihren Frust über die krisenhafte Lage beim Autohersteller.
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Das ist wohl ein verpatztes Jubiläum. Im August 1925 kommt Ford nach Deutschland, aber 100 Jahre später gibt es keine rechte Feierlaune. Denn im November 2024 schickt Marcus Wassenberg, der neue Geschäftsführer der Ford-Werke, die Mitarbeitenden mit der Ankündigung in die Weihnachtszeit, 2900 Stellen zu streichen.
Dabei läuft bei dem Kölner Autobauer noch ein Abbauprogramm. Arbeitnehmervertreter und Management ringen um einen Sozialplan. Nach vielen Betriebsversammlungen und einem eintägigen Streik gibt es im September eine Einigung. Wer freiwillig geht, kann Abfindungen von über 200.000 Euro bekommen, in Einzelfällen auch rund 300.000 Euro.
Weil sich die in Köln gebauten E-Autos deutlich schlechter verkaufen als geplant, legt Ford einen neuen Sparplan auf: Im neuen Jahr wird die zweite Schicht in der Fertigung in Niehl gestrichen. Damit müssen 250 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer gehen – sowie rund 750 Ford-Mitarbeitende. Gerade einmal 9636 Explorer kommen in den ersten elf Monaten des Jahres erstmals auf die bundesdeutschen Straßen sowie 3450 Capris.
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Wenn die Kooperation mit Renault läuft, kann es gehen wie bei Opel.
Wegen einer hohen Exportquote dürfte sich der Absatz in den europäischen Hauptmärkten um die 50.000 bewegen. Jedenfalls liegt er deutlich niedriger als die Jahreskapazität von 200.000 Fahrzeugen der beiden Modelle. Fords Marktanteil in Europa von Januar bis Oktober ist mit 3,3 Prozent halb so hoch wie 2017.
Die Nachfrage nach den Abfindungen ist ausgesprochen hoch, hört man aus dem Werk. Der Stellenabbau in der Kölner Fertigung ist unter Dach und Fach. Ende 2027 dürfte Ford in Köln so noch etwa 7500 Mitarbeitende haben. Dazu kommen 750 in Saarlouis, die Ersatzteile fertigen. Der letzte Focus lief hier Mitte November vom Band.
Mehr Arbeit in die Werke bringt auch eine frische Kooperation mit Renault nicht. Entwickelt werden sollen zwei E-Autos, die im Renault- Werk in Nordfrankreich vom Band laufen – das erste Anfang 2028. Sie sollen kleiner und günstiger sein als die beiden Kölner E-Autos. Dafür wird die Renault-Plattform namens Ampere genutzt. Gemeinsam entwickelt werden Design und die Fahrwerksabstimmung.

Damaliger Hoffnungsträger: Ein Ford Explorer in der Montage bei der Vorab-Eröffnungsfeier des Ford Cologne Electric Vehicle Center im Juni 2023.
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Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist das der Beginn einer weitergehenden Zusammenarbeit. Ford sei bei Pkw in Europa zu klein und brauche einen Partner. „Wenn die Kooperation mit Renault läuft, kann es gehen wie bei Opel“, so Dudenhöffer. Opel wurde vom US-Autobauer GM an Stellantis mit Marken wie Citroën, Chrysler Fiat und Peugeot verkauft.
Chemische Industrie schwächelt Auch eine weitere Branche hat in der Region zu kämpfen. Die Lage von Chemie- und Pharmaunternehmen hat sich weiter verschärft, zieht Markus Steilemann, Vorsitzender des Branchenverbands VCI und Chef des Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro, Mitte Dezember Bilanz. „Die Industrie funkt SOS. 2025 war für unsere Branche erneut sehr schwierig und der Blick nach vorn wird nicht rosiger“, so Steilemann. Er verlangt „die richtigen, verlässlichen Rahmenbedingungen. Vor allem weniger Regeln und niedrigere Kosten“.
Ineos rechnet das Problem vor. Am Standort Köln koste Erdgas 100 Millionen Euro pro Jahr mehr als in den USA. Die Stromkosten seien um 40 Millionen pro Jahr höher, die CO-2-Abgaben seien auf 100 Millionen pro Jahr gestiegen.
Das bremst. In der Chemie geht die Produktion 2025 um 2,5 Prozent zurück, der Umsatz um drei Prozent. Nur zu 70 Prozent seien die Produktionsanlagen ausgelastet – „ein historischer Tiefpunkt und weit entfernt von Rentabilität“, so Steilemann. In der Region gibt es über 260 Unternehmen mit über 70.000 Beschäftigten, so das Branchennetzwerk ChemCologne. 2024 erzielen die einen Umsatz von 35,7 Milliarden.
Die Industrie funkt SOS. 2025 war für unsere Branche erneut sehr schwierig und der Blick nach vorn wird nicht rosiger.
CABB hat für Mitte 2027 die Schließung eines Werks im Chemiepark Hürth-Knapsack angekündigt. Sozialverträglich fallen etwa 80 Jobs weg. Dabei ist die Anlage für hochreine Monochloressigsäure, die für die Herstellung von Lebensmittelzutaten, Pflanzenschutzmitteln oder Kosmetik gebraucht wird, auf dem neusten Stand.
Besser sieht es bei Pharma aus. So sinkt der Umsatz beider Sparten zusammen wohl um ein Prozent auf 220 Milliarden. Und die Zahl der Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie geht um 0,5 Prozent oder bundesweit 2400 Menschen auf 478.000 zurück. Dabei streicht Bayer kräftig Stellen durch ein neues Organisationsmodell, bei dem Hierarchie-Ebenen wegfallen.
Für die seit Jahren leidgeprüften Aktionäre gestaltet sich der Blick auf das Börsentableau aktuell erfreulich. Das Papier notiert über 35 Euro, 15 Euro höher als zu Jahresbeginn. Ein Grund: Die Chancen, das Thema Glyphosat 2026 abzuschließen, sind gestiegen. Bayer setzt auf einen Befreiungsschlag durch den Obersten Gerichtshof der USA. Immerhin hat der Generalanwalt der US-Regierung dem Gericht empfohlen, den Fall anzunehmen.
170.000 Kläger insgesamt machen das Mittel, das sich Bayer mit der Übernahme des US-Konzerns Monsanto 2018 ins Haus geholt hat, für ihre Krebserkrankung verantwortlich. Rechtsstreits und Vergleiche kosten Bayer bereits rund zehn Milliarden Dollar, nach letzten Angaben sind noch 65.000 Fälle offen.

Das Werk der Bayer AG im Chemiepark in Leverkusen.
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Auch die Pharmapipeline von Bayer füllt sich. Da gibt es etwa einen Zelltherapie-Kandidaten und eine mögliche Gentherapie gegen Parkinson. Ein neues Mittel gegen Plaque im Herzen hat das Zeug zu einem Jahresumsatz von einer Milliarde. Für andere Medikamente gibt es neue Anwendungen oder neue Dosierungen wie beim Augenmittel Eylea, so dass das Mittel weniger oft gespritzt werden muss. Das kurbelt den Absatz an.
Dennoch: Auch 2026 dürfte herausfordernd enden. Der VCI erwartet für die chemisch-pharmazeutische Branche insgesamt eine stagnierende Produktion, für die Chemie einen Rückgang von einem Prozent und ein Umsatzminus.
Lanxess-Chef Matthias Zachert sieht aber Silberstreifen am Horizont. Im zweiten Halbjahr sollte die Zollunsicherheit abnehmen. Das Sondervermögen in Deutschland sollte die Baubranche anschieben und damit die Lanxess-Geschäfte mit Produkten für Baustoffe. Sein Ziel sei es, die deutschen Werke zu verteidigen. Er macht aber auch deutlich, dass er dabei Unterstützung braucht.
Große Umwälzungen im Revier
Größer sind die Umwälzungen im Rheinischen Revier. Bis 2030 wird noch Braunkohle gefördert, dann sollen sich die Tagebaue in Hambach und Garzweiler durch Grundwasser sowie über eine Transportleitung von Dormagen bis 2070 mit Rheinwasser füllen.
Nicht nur die Landschaft wird umgekrempelt. Auch noch rund 10.000 Jobs in der Braunkohle sollen ersetzt werden. Bislang läuft das nicht schlecht, findet NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). „Die 2020 gestartete Strukturförderung von Bund und Land zeigt spürbare Effekte“, so Neubaur. Nach einem Ende November vorgestellten Bericht eines Gutachterkonsortiums unter Leitung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung gibt es mehr Arbeitsplätze und auch mehr Erneuerbare Energien.
870.000 Menschen sind demnach im Rheinischen Revier beschäftigt. Trotz des Rückgangs im Bergbau sind das 4,5 Prozent mehr als 2020. Das liegt über dem Landesschnitt. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am örtlichen Stromverbrauch ist mit 27,5 Prozent ebenfalls deutlich über dem Landesschnitt. Dafür sorgen Windräder und Photovoltaik-Anlagen am Rande der Tagebaue oder Autobahnen. 5 Gigawatt Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren soll es im Rheinischen Revier bis 2028 geben.

Bagger im Braunkohletagebau Garzweiler.
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Und auch bei Hightech-Gründungen pro Einwohner liegt das Rheinische Revier über dem Landesschnitt. Eine Heimat finden die etwa im Brainergy Park in Jülich, einem Gewerbegebiet, in dem die Themen „Neue Energie“ und „Energiewende“ zentral sind. Synhelion stellt hier etwa die Vorstufe von synthetischen Treibstoffen her und nutzt dafür Solarwärme.
4000 Arbeitsplätze soll es einmal im Brainergy Park geben. Ebenfalls 4000 Arbeitsplätze sollen im Aero-Park Würselen-Aachen geschaffen werden, rund um grünen Treibstoff oder Elektroflugzeuge. Und stetig wächst das Forschungszentrum Jülich. Hier arbeiten inzwischen über 7500 Menschen.
Ein Paukenschlag war die Ankündigung von Microsoft, Rechenzentren im Rheinischen Revier zu errichten. Die Standorte sind Bergheim, Bedburg und Elsdorf. Auch ein Großteil der Microsoft-Investitionen von 3,2 Milliarden in Deutschland soll ins Revier fließen. Was noch fehlt, ist eine große Industrieansiedlung mit vielen gut bezahlten Arbeitsplätzen. Jobs sind eine der Voraussetzungen dafür, dass die Zahl der Einwohner 2038 wirklich zwischen 2,50 und 2,54 Millionen liegt, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung prognostiziert. 2023 waren es 2,52 Millionen.
