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EnergiekriseEU setzt Gaspreisdeckel in Kraft

Lesezeit 3 Minuten
Rohre mit der Aufschrift „Erdgas nass“ verlaufen an einer technischen Anlage zur Kühlung von Erdgas auf dem Gelände des Erdgasspeichers Rehden der astora GmbH.

Neuer Schutzmechanismus: Der Gaspreisdeckel soll verhindern, dass die Großhandelspreise über längere Zeit deutlich über den Weltmarktpreisen liegen.

Der Marktkorrekturmechanismus – in diesem Falle der „Gaspreisdeckel“– soll Bürger und Wirtschaft vor zu hohen Preisen schützen. Wie er funktioniert, erklären wir hier.

Mal eben 1000 Prozent mehr: Infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine kam es im vergangenen Jahr zu einem drastischen Anstieg der Großhandelspreise für Erdgas, mit noch heute spürbaren Folgen für Verbraucher und Wirtschaft. Die Wiederholung einer solchen Situation soll von heute an ein dynamischer EU-Preisdeckel verhindern. Kann das Instrument funktionieren?

Worum geht es beim Gaspreisdeckel?

Der sogenannte Marktkorrekturmechanismus soll Bürger und Wirtschaft vor überhöhten Preisen schützen. Konkret geht es darum zu verhindern, dass die Großhandelspreise für Gas in der EU über längere Zeit deutlich über den Weltmarktpreisen liegen.

Wie soll das Ziel erreicht werden?

Die EU wird bestimmte Gasgeschäfte verbieten, wenn ihr Preis ein vorab festgelegtes Niveau erreicht und der Preisanstieg nicht einem ähnlichen Preisanstieg auf regionaler Ebene oder auf dem Weltmarkt entspricht. Ausgelöst wird der Korrekturmechanismus, wenn der Preis drei Arbeitstage lang 180 Euro pro Megawattstunde übersteigt und gleichzeitig 35 Euro über einem internationalen Durchschnittspreis für flüssiges Erdgas (LNG) liegt.

Wird der Mechanismus sofort greifen?

Nein. Der relevante europäische Gaspreis lag zuletzt zwischen 50 und 60 Euro und damit deutlich unter dem Grenzwert von 180 Euro pro Megawattstunde. Damit ist er meilenweit von den Höchstständen im vergangenen August entfernt, die den Anstoß zu einer Debatte über einen Preisdeckel gegeben hatten. Damals erreichten die europäischen Erdgaspreise nach Angaben der EU-Kommission ein Niveau, das 1000 Prozent über den bis dato in der Union verzeichneten Durchschnittspreisen lag. Bewegten sich die Preise in den vergangenen zehn Jahren zwischen 5 und 35 Euro pro Megawattstunde, kletterten sie im vergangenen Sommer auf Rekordstände von deutlich über 300 Euro pro Megawattstunde.

Wie kam es zu dem drastischen Preisanstieg?

Nach Analyse der EU-Kommission stiegen die Preise vor allem, weil Russland seine Gaslieferungen als Waffe einsetzte und durch vorsätzliche Unterbrechungen den Markt manipulierte. Im August war dann das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage besonders angespannt, weil zu einer Verringerung der Pipelineflüsse das Bestreben der EU-Staaten kam, vor dem Winter die Speicher zu füllen.

Zudem spielte der Analyse zufolge die Angst vor weiteren Lieferunterbrechungen eine Rolle – und auch der Preisbildungsmechanismus, der nicht auf solche extremen Nachfrage- und Angebotsveränderungen ausgerichtet war.

Wie sieht die Prognose für die Großhandelspreise aus?

Nach Einschätzung von Gasmarktexperten dürfte die Preisentwicklung in erster Linie vom Wetter im Rest der Heizsaison abhängen. Wenn es die Temperaturen zulassen, dass größere Gasreserven in den Speichern übrig bleiben, könnte es ein Sommerloch bei den Preisen geben.

Warum war die deutsche Regierung erst dagegen?

Sie befürchtete Versorgungsprobleme, weil sie das Risiko sah, dass Lieferanten den Preisdeckel nicht akzeptieren und einfach kein Gas mehr nach Europa liefern. Im Dezember stimmte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aber doch zu. Hintergrund waren vor allem strenge Sicherheitsregeln. Sie sehen vor, dass der Marktkorrekturmechanismus nur in Situationen ausgelöst wird, in denen die europäischen Preise über einen längeren Zeitraum erheblich höher sind als die Preise auf den Weltmärkten. Zudem wird der Mechanismus deaktiviert, wenn sich der Unterschied zu den europäischen Preisen verringert.

Was ist der Unterschied zur deutschen Preisbremse?

Die im März startende deutsche Gaspreisbremse betrifft direkt die Endverbraucher und soll die Folgen der rasant gestiegenen Energiepreise abfedern. Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen bekommen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Für die restlichen 20 Prozent soll der ganz normale Vertragspreis gelten – so soll ein Sparanreiz für die Bürger erhalten bleiben. (dpa)


Kritik der Industrie

Die Industrie sieht den neuen Mechanismus kritisch. Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht gar ein Risiko für die Versorgungssicherheit. „Gaspreisdeckel lösen keine Versorgungskrise, sondern riskieren grundsätzlich die Versorgungssicherheit in Europa“, sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Gas gehe in die Regionen, die bereit seien, die durch die Gasknappheit hervorgerufenen Preise zu bezahlen. (dpa)