SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf will die Erbschaftsteuer reformieren und schlägt einen festen „Erbdeckel“ vor: Jeder Person soll nur einmal im Leben ein bestimmter Betrag steuerfrei übertragen werden können.
SPD fordert „Erbdeckel“Lebenslanger Freibetrag soll Kettenschenkungen stoppen

Ein Bescheid über die Erbschaftssteuer liegt auf einem Schreibtisch.
Copyright: Wolfram Kastl/dpa
Unions-Fraktionschef Jens Spahn hat eine Debatte um eine Reform der Erbschaftsteuer angestoßen. Während er aus der CSU dafür heftigen Widerstand zu spüren bekam, reagierte man in der CDU positiver darauf. In der SPD versuchte man, Spahn umgehend zu einer gemeinsamen Reform zu tragen. Zu Wochenbeginn gingen die Sozialdemokraten in die Offensive. Im Tagesspiegel-Interview schlug SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf einen festen Erbdeckel für alle vor.
Worum geht es genau?
Bisher hängen die Freibeträge bei Schenkungen oder Erbschaften vom Verwandtschaftsverhältnis ab. Ehepartnern kann man alle zehn Jahre 500.000 steuerfrei übertragen, Kindern 400.000, Enkeln 200.000. Dadurch können noch zu Lebzeiten Millionen am Staat vorbei an verwandtschaftlich verbundene Personen weitergegeben werden. Viele halten das für ungerecht, weil es sich um leistungsloses Einkommen handelt.
Klüssendorf will den Betrag deckeln, den jede Person in Deutschland als Schenkung und Erbschaft über ihr gesamtes Leben gesehen steuerfrei erhalten kann. Alles darüber hinaus müsste versteuert werden. Die stetige Nutzung von Freibeträgen soll dadurch verhindert werden. Wie hoch der Lebensfreibetrag sein soll, teilte Klüssendorf auch auf Nachfrage nicht mit.
Was sagen Fachleute dazu?
Die Steuerexpertin Daniela Steinbrenner kann dem Vorschlag etwas abgewinnen. „Das würde zumindest das Problem der Kettenschenkungen lösen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Am ZEW in Mannheim forscht sie unter anderem zum Thema Erbschaftsteuer. In den Finanzverwaltungen sollte ein solcher Vorschlag umsetzbar sein.
Wie stark der Staat davon profitiert, lässt sich kaum seriös beziffern. Klüssendorf hält einen zweistelligen Milliardenbetrag für realistisch, allerdings für die gesamte Erbschaftssteuerreform, die ihm vorschwebt und zu der etwa auch Änderungen beim Vererben von Betriebsvermögen gehören würden. Zum Vergleich: Letztes Jahr hat der Staat durch Steuern auf Erbschaften und Schenkungen 13,3 Milliarden eingenommen. Durch Ausnahmen beim Erben von Betrieben oder Unternehmensanteilen gehen dem Fiskus jährlich Einnahmen von etwa 8,8 Milliarden Euro verloren.
Wen würde der Erbdeckel betreffen?
Eine lebenslange Freibetragsgrenze würde für alle Menschen in Deutschland gelten. Über die Hälfte erbt allerdings gar nichts. Auch Kettenschenkungen nutzen vor allem Vermögende. „Das betrifft weder den Mittelstand noch die breite Masse der Bevölkerung, sondern vor allem reichere Haushalte“, sagt Steinbrenner. Für das Gros der Bevölkerung würde sich durch den Vorschlag also nichts ändern.Wie ist sie im Kontext anderer Reformvorschläge zu bewerten? Viele Ökonominnen und Ökonomen fordern seit Jahren bestehende Ungerechtigkeiten bei Erbschaften und Schenkungen auszugleichen. Der DIW-Steuerexperte Stefan Bach hält die Erbschaftsteuer grundsätzlich für eine „Dummensteuer“. „Die bezahlt, wer schlecht plant und nicht gestaltet“, sagte er dem Tagesspiegel. Entsprechend lang ist die Liste möglicher Reformvorschläge.
Den Nutzen des Erbdeckel-Vorschlags wird allerdings als vergleichsweise gering betrachtet. „Die wichtigsten Schwachstellen des Erbschaftsteuerrechts werden dadurch nicht gelöst“, sagt die ZEW-Forscherin Steinbrenner. „Selbst wenn man steuerfreie Kettenschenkungen deckelt, werden reiche Haushalte kreative Wege finden, ihr Vermögen zu übertragen.“
Dass sehr hohe Millionen- sowie Milliardenvermögen teils steuerfrei übertragen werden können, geht vor allem auf die großzügigen Verschonungsregeln zurück. Auf Erbschaften über 100 Millionen Euro wurde in den letzten zehn Jahren 258-mal gar keine Steuern erhoben. Vor allem hier sehen Fachleute Reformbedarf.
Gibt es so etwas in anderen Ländern?
Generell sind die Erbschaft- und Schenkungsteuerregelungen komplex und variieren von Land zu Land. Wirtschaftsforscher vom Mannheimer ZEW haben 33 Systeme, darunter alle EU-Staaten und weitere Länder, untersucht und verglichen. Demnach wird in 14 Ländern (u.a. China, Indien, Kanada und Österreich) überhaupt keine Steuer erhoben. So muss man sie in Österreich nur melden und lediglich auf übertragene Grundstücke Grunderwerbssteuer entrichten.
Weitere zwölf Länder stellen Übertragungen an Ehegatten (u.a. Frankreich, USA) und gegebenenfalls auch Kinder (u.a. Schweiz, Polen) voll von der Steuer frei. In anderen Ländern gibt es einen jährlich nutzbaren Freibetrag, der deutlich unterhalb dem in Deutschland liegt. So kann man seinen Kindern in Dänemark jährlich rund 10.300 Euro und den Niederlanden 6000 Euro steuerfrei übertragen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel in Berlin.