Der Umgang mit dem Erbe und inwieweit der Staat davon profitieren soll wird zum Zankapfel der schwarz-roten Koalition. Experten sehen dringenden Reformbedarf bei der Steuer. Doch wie gut sind die Ideen, die aktuell zur Debatte stehen?
Rundschau-Debatte des TagesWie ungerecht ist die Erbschaftsteuer wirklich?

Erbrechts-Experten Anton Steiner ist davon überzeugt, dass die Erbschaftsteuer dringend reformiert werden muss.
Copyright: dpa
Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes dürften die Debatte um die Erbschaftsteuer weiter befeuern. Zwar wurde mit 13,3 Milliarden ein neuer Rekordwert für 2024 festgesetzt, gezahlt wurden wegen Verschonungsregeln aber nur 9,9 Milliarden Euro.
Die Zahlen treffen mitten in einen politischen Richtungsstreit zwischen Union und SPD um die künftige Besteuerung hoher Vermögen. Während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Erbschaftsteuer regionalisieren und senken will und Friedrich Merz jegliche Änderungen bislang ablehnt, schwebt SPD-Chef Lars Klingbeil eine höhere Besteuerung großer Vermögen vor. Spitzenpolitiker aller Parteien beteiligen sich rege mit Behauptungen über die Erbschaftsteuer.
Wir haben den Erbrechts-Experten Anton Steiner, Präsident des „Deutschen Forums für Erbrecht“, einem Verein, der Veranstaltungen und Publikationen zum Erbrecht begleitet, um Einschätzungen geben, was davon eigentlich stimmt.
Alles zum Thema Markus Lanz
- Streit um Richterwahl Brosius-Gersdorf kontert Plagiatsvorwurf und bekommt Lob für Lanz-Auftritt
- „Nicht gut aufeinander zu sprechen“ Franz Müntefering rechnet mit Gerhard Schröder bei Markus Lanz ab
- Verwackeltes Feindbild Spahn und Reichinnek sorgen mit Zusammenarbeit für Spott und Spekulationen
- Politische Manipulation Inszenierung in der Alten Feuerwache hinterfragt Talkshow-Kultur
- „Wir werden groß“ Neue Staffel von Vox-Langzeit-Doku mit Euskirchener Teenager läuft an
- „Ständig erschöpft“, Wie sich die Ex-Frau von Markus Lanz nach dem Ehe-Aus neu aufgestellt hat
- „Ging schon einmal schief“ Thomas Gottschalk stichelt gegen Markus Lanz und Markus Söder
Experte zur Erbschaftssteuer: Höchste Zeit für eine Reform
Seiner Meinung nach ist es höchste Zeit für eine grundlegende Reform. Die Erbschaftsteuer treffe eine Gruppe besonders hart und andere gar nicht. Und noch etwas kritisiert Steiner: „Die Erbschaftsteuer erreicht heute ein Rekordniveau, weil Freibeträge nicht angepasst werden. Der Wert von Grundstücken und Immobilien ist aber in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Staat nimmt ständig automatisch mehr ein, es ist schon jetzt eine heimliche Steuererhöhung.“ Gerecht, so meint er, sei das nicht.
CSU-Chef Markus Söder sagte bei Markus Lanz: „In Bayern müssen reihenweise Familienangehörige ihre Häuser – und dabei geht es nicht um Luxuserben – verkaufen, um die Erbschaftsteuer zu bezahlen. Und das ist einfach unfair.“
Der CSU-Chef will aus diesem Grund die Erbschaftsteuer regionalisieren – und in seinem Bundesland halbieren. Experte Steiner sagt: „Reihenweise ist übertrieben. Aber natürlich ist es ein Riesenunterschied, ob ich ein Haus in der Nähe von München erbe, wo die Immobilienpreise sehr hoch sind, oder auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern. Die Freibeträge sind bundesweit die gleichen. Und deshalb gibt es in Bayern schon einen erheblichen Verkaufsdruck auf Erben. Man kann ja schließlich von einem Häuschen nichts abbeißen.“ In Deutschland gelten Freibeträge je nach Verwandtschaftsgrad von 20.000 Euro bei Geschwistern bis hin zu 500.000 Euro bei Ehepartnern. Auch die Steuerklassen variieren je nach Verwandtschaftsgrad und vererbter Summe.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagt: „Man kann in diesem Land 300 Wohnungen erben, ohne einen Cent Steuern zu zahlen.“
Erbrechtsexperte Steiner gibt Katharina Dröge recht. „Wer so viele Wohnungen erbt, zahlt in der Regel keine Erbschaftsteuer, wohl aber derjenige, der ein bis drei Wohnungen erbt.“ Die 300 Wohnungen etwa könnten nach jetziger Rechtslage als vergünstigtes Betriebsvermögen geltend gemacht werden. „Wir haben wahnsinnig viele Ausnahmen. Es ist ein zerfleddertes Gesetz, das von Grund auf reformiert gehört“, sagt Steiner.
Reformiert wurde das Erbschaftsteuerrecht seit 2015 nicht. Vor allem der gehobene Mittelstand zahle Erbschaftsteuer: „Bei 800.000 Euro Erbe müssen Sie 19 Prozent aus der Substanz zahlen. Das kann schon dazu führen, dass man eine Immobilie verkaufen muss.“ Die Finanzwissenschaftlerin der Universität Eichstätt-Ingolstadt, Dominika Langenmayr, wird in der FAZ grundsätzlich: „Die Erbschaftsteuer ist eine Steuer für ärmere Reiche.“ Steiner bestätigt ihre These.
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD, Saarland) in der „Bild am Sonntag“: „Die Erbschaftsteuer bietet sehr viele Gestaltungsspielräume, die oft zu einer ganz geringen Steuerlast führen.“
Stimmt, sagt Steuerexperte Steiner. „Für die wirklich Reichen ab 100 bis 200 Millionen Euro Erbe gibt es viele Ausnahmen.“ Der Hintergrund: Der Gesetzgeber will die Betriebsvermögen schonen, damit Betriebe und Arbeitsplätze erhalten bleiben können. Die Verschonungsregelungen hält auch Steiner zwar für grundsätzlich notwendig, nicht aber im bisherigen Ausmaß. Fairer, meint Steiner, wäre ein niedriger Steuersatz von 3 bis 5 Prozent, der dann aber für alle gilt.
CDU-Finanzpolitiker Carsten Brodesser bangt um die Zukunft der Betriebe. In der „Welt“ sagt er: „Wenn jetzt noch Erbschaftsteuern anfallen würden, finden sich noch schwerer Nachfolger. Denn in vielen Fällen müsste dann vor einer Übernahme Betriebsvermögen veräußert werden. Das kann an die Substanz gehen und den Bestand gefährden.“
Stimmt, sagt Steiner. Die Schonung von Betriebsvermögen habe seine Berechtigung. Allerdings käme es darauf an, wie eine neue Erbschaftsteuer ausgestaltet wäre. Er sieht die Lösung in moderaten Steuersätzen und großzügigen Stundungen für Betriebserben. Erben großer Unternehmensvermögen von mehr als 26 Millionen Euro können derzeit einen Erlass beantragen. Sie müssen dazu nachweisen, dass sie die Steuer nicht begleichen können, ohne dass das Unternehmen Schaden nimmt.
Laut Statistischem Bundesamt wurde 2024 in 45 Fällen von der Regelung Gebrauch gemacht.
Das Problem bei einer Änderung: Die Unternehmenssteuern sind insgesamt in Deutschland bereits deutlich höher als in anderen Ländern. Wenn man Befreiungen streiche, müsste man die Steuersätze insgesamt schon deutlich senken, meint Steiner. Auch unter Ökonomen ist weitgehend unstrittig, dass die Erbschaftsteuer reformiert werden sollte. Steiners Fazit auf bayerisch: „Fast alles, was vorgeschlagen wird, ist besser als das jetzige depperte System.“ Die AfD will die Erbschaftsteuer übrigens komplett abschaffen.