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Hierarchie auf der SchieneICE vor Güterzug? Welche Bahn wann Vorfahrt hat

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Alle fahren im gleichen Netz: Wenn es um die Frage geht, wer fahren darf und wer nicht, kommt die Leitstelle ins Spiel.

Alle fahren im gleichen Netz: Wenn es um die Frage geht, wer fahren darf und wer nicht, kommt die Leitstelle ins Spiel.

Warum lässt die Regionalbahn den ICE vorbei? Und wer entscheidet eigentlich, welcher Zug zuerst fahren darf? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.

Regionalverkehr, Fernverkehr und Güterzüge fahren in Deutschland auf demselben Schienennetz, das längst an vielen Stellen durch das hohe Verkehrsaufkommen überlastet ist. Wenn dann auch noch Verspätungen dazukommen, muss in der Leitstelle entschieden werden, welcher Zug weiterfahren darf und welcher warten muss. Doch nach welchen Regeln läuft dieses Prozedere eigentlich? Warum haben Fernzüge dabei oft Vorrang? Und welche Rolle spielen gebuchte Trassen? Die wichtigsten Antworten im Überblick:

Wer hat auf Deutschlands Gleisen eigentlich Vorfahrt?

Eine feste Vorfahrtsregelung für bestimmte Zugarten gibt es nicht. Entscheidend ist immer die jeweils gebuchte Trasse. „Weil im Fernverkehr häufiger sogenannte Express-Trassen gebucht werden, die Vorrang haben, kommt es in der Praxis oft so rüber, als hätte der Fernverkehr Vorfahrt – vor dem Nahverkehr und erst recht vor dem Güterverkehr“, erklärt Bernhard Knierim, Verkehrsexperte beim Verein Pro Schiene. Dieser Vorrang funktioniert allerdings nur dann, wenn es auf der Strecke überhaupt Möglichkeiten zum Überholen gibt – etwa durch Ausweich- oder Überholgleise.

Warum lassen Regionalzüge den ICE überholen?

Regionalbahnen müssen ICEs oft überholen lassen, weil Fernzüge meist teurere Express-Trassen buchen. Außerdem würden sich Verspätungen im Fernverkehr über große Distanzen viel stärker auswirken. Zwischen Regionalverkehr und Güterverkehr gibt es weniger Konflikte. „Sie fahren im ähnlichen Tempo und kommen sich daher nicht so oft in die Quere”, sagt der Experte.

Wie funktioniert das Trassensystem?

Wer auf der Schiene fahren will, muss dafür eine Trasse buchen – das ist das Fahrrecht eines Zuges zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Strecke unterwegs zu sein. Diese Trassen kosten Geld, das sogenannte Trassenentgelt, das alle Eisenbahnunternehmen an die DB-Infrastrukturtochter DB InfraGo zahlen, die das deutsche Schienennetz im Auftrag des Bundes betreibt. Man kann Trassen in unterschiedlichen Kategorien buchen.

Eine Express-Trasse ist teurer, dafür dürfen aber die anderen Züge überholt werden. Jede Strecke kann prinzipiell zur Express-Trasse werden – entscheidend dafür ist allein, welchen Tarif ein Unternehmen bucht.

Was passiert bei Verspätungen oder „Stau“?

Anders als auf der Autobahn sieht man Stau auf der Schiene nicht auf den ersten Blick. Stattdessen dürfen Züge bestimmte Streckenabschnitte gar nicht erst befahren, weil es dort bereits zu voll ist. Bei der Disposition der DB InfraGo wird entschieden, welcher Zug zuerst fahren darf. Mitarbeiter schauen darauf, welche Trasse gebucht wurde, wie viele Anschlussreisende betroffen wären und welche Entscheidung das Gesamtnetz am wenigsten belastet. „Der Güterverkehr muss deshalb meistens am längsten warten, da kann es auch zu Verspätungen von Tagen kommen“, sagt Knierim.

Gibt es überhaupt genug Platz für alle Züge?

Immer weniger. Viele Strecken sind bereits jetzt so stark ausgelastet, dass dort bis zu 50 Prozent mehr Züge unterwegs sind, als eigentlich von der Kapazität her sinnvoll wäre. „Das ist einer der Gründe für die vielen Verspätungen“, sagt Knierim und erklärt: „Die Antwort kann dann aber nicht sein, einfach weniger Züge fahren zu lassen – im Gegenteil: Wir müssen das Schienennetz so ausbauen, dass die Kapazitäten für alle Züge ausreichen.“

Aktuell gelten 1321 Kilometer des rund 33.000 Kilometer langen deutschen Schienennetzes als überlastet.