Bei den KVB hat sich der Ton verändert. Sandra Rosenthal ist seit einigen Wochen die neue Stimme des Verkehrsbetriebs. So kam die Moderatorin von Radio Köln zu dem Job.
Charme-Offensive der KVBDarum werden Verspätungen nun mit sanfter Stimme verkündet

Sandra Rosenthal kann an den Haltestellen und in den Bahnen der KVB ihrer eigenen Stimme lauschen.
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Sie kann den Frust über Verspätungen von Stadtbahnen natürlich nicht vergessen machen, aber die Stimme von Sandra Rosenthal hat das Potenzial, der Wut darüber die Spitze zu nehmen. Sanft und warm kommt alles rüber, was sie sagt. Immer schwingt ein Grundton von Gelassenheit mit. Genau das, was die Kölner Verkehrs-Betriebe gebrauchen können. Kein Wunder also, dass die Betriebsleitung schnell auf die Nachrichtenchefin von Radio Köln verfiel, als sie auf der Suche nach einer Stimme für die KVB waren. Und anderseits stand für das „kölsche Mädche“ direkt fest: „Da sage ich Ja, das ist ein toller Job.“ Da ahnte sie allerdings nicht, welche Dimensionen der Auftrag annehmen sollte.
Ein Auftrag mit besonderer Herausforderung
„Ich hatte mir das so vorgestellt, dass ich mal eben ein paar Haltestellen einspreche, locker vom Studio aus“, lacht sie. Weit gefehlt. Denn die KVB wollten die professionelle Sprecherin beileibe nicht nur dafür, alltägliche Widrigkeiten beruhigend zu verkünden. Sandra Rosenthal sollte ihre Stimme vielmehr für alle nur erdenklichen Betriebslagen, Alltäglichkeiten, Aktionen und Kampagnen hergeben – selbst für die, von denen die KVB heute noch gar keine Vorstellung hat. Doch wie soll das gehen? Wie kann eine echte, menschliche Stimme heute einsprechen was in ferner Zukunft verkündet werden soll, wovon zurzeit noch keiner weiß? In dem die Stimme „synthetisiert“ wird. Spätestens an diesem Punkt war die Vorstellung von „mal eben ein paar Haltestellen einsprechen“ obsolet. Sandra Rosenthal standen drei „heraufordernde“ Wochen in Heidelberg bevor.
Synthetisiert heißt in diesem Fall, dass von der Stimme so viele Sprechbeispiele digital erfasst werden, dass mit dem Datensatz jeder nur erdenkliche Text „gesprochen“ werden kann – ohne das auch nur eine Ahnung entsteht, Sandra Rosenthal könnte das nicht genau so gesagt haben. „In Heidelberg stand ein Studio des Softwareherstellers, ein kleiner schwarzer Raum“, berichtet die Redakteurin über das Verfahren. Und in diesem Raum sollte sich trotz jahrelanger Erfahrung als Sprecherin nochmals an neue Grenzen herangeführt werden. Natürlich mussten auch die Haltestellennamen und Umsteigemöglichkeiten eingesprochen werden. Das Selbstverständliche eben, was dann doch nicht so selbstverständlich ist: „Dabei kommt es auf die richtige Betonung an“, erklärt die Sprecherin. Rein digitale Sprachausgaben würden einmal „Körner“ und dann „Straße“ sprechen. Doch die menschliche Stimme spricht: „Körnerstraße“, in einem durch. Bei vielen Navigationsgeräten wird aus der langgesprochenen Clever Straße eine englische Clever Straße im Sinne von klug, pfiffig. Um alle Varianten von Betonungen bei der Synthetisierung ihrer Stimme abzudecken, musste Sandra Rosenthal aller nur erdenklichen Texte einsprechen. „Auf Englisch, auf Französisch, Texte aus Schweizer Bahnzeitungen, wobei nicht immer alles, was ich vorlesen musste auch Sinn ergab. Selbst Kochrezepte waren dabei.“, berichtet sie. „Bis ich manchmal gerufen habe. Schluss jetzt, ich bekomme Hunger.“
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30.000 Einheiten eingesprochen
Rund viereinhalb Stunden am Tag ging das so, über drei Wochen hinweg. Bis rund 30.000 sogenannte Einheiten digitalisiert vorlagen. „Ich bin wirklich zäh“, sagt Sandra Rosenthal über sich selbst. „Aber das war dann doch manchmal eine Herausforderung für mich: Ein Piepen als Einsatzzeichen, dann sprechen, dann eine Sekunde Pause – und immer so weiter.“ Da sei sie nach über vier Stunden gerädert aus dem Studio gekommen.
Im vergangenen Oktober ist „Die Stimme der KVB“ in Bahnen, Bussen und an Haltestellen „auf Sendung“ gegangen. Sandra Rosenthal ist selbst Stadtbahnkundin und hat mittlerweile schon öfter ihre eigenen Ansagen gehört. Befremdlich ist das für sie nicht. „Ich bin es ja aus dem Radio gewohnt, da höre ich mich manchmal auch selbst mit einem aufgezeichneten Beitrag.“ Vielleicht würde es sie verwundern, wenn sie erstmals eine Ansage von sich hört, die sie so nie eingesprochen hat. Aber bisher sei das nicht der Fall gewesen. Anfänglich seien ihre Ansagen allerdings etwas zu schnell gewesen. „Aber da scheinen die KVB nachjustiert zu haben. Jetzt sind sie langsamer – und selbst mein sehr kritischer Vater sagte letztens zu mir: Ich konnte dich gut verstehen“, berichtet sie über die Erfahrungen mit ihren Ansagen. Und natürlich kommen auch schon mal die kleinen ironischen Spitzen. Kolleginnen und Kollegen, die etwas zu spät zum Schichtbeginn kommen, begründen das nun schon mal gerne so: „Sandra hat mir gesagt, dass meine Bahn zehn Minuten später kommt.“ Doch grundlegend sei die Resonanz aus ihrem Freundes- und bekanntenreist positiv.
Vertragliche Grenzen gesetzt
Aber macht es ihr nicht ein bisschen Sorge, dass die KVB sie nun alles sagen lassen können, was sie wollen. „Alles können sie mich nicht sagen lassen, vertraglich haben wir das etwas eingegrenzt“, berichtet Sandra Rosenthal. Als Beispiel nennt sie politische Aussagen. Wobei es abwegig erscheint, dass die KVB politisch motivierte Statements über ihre Lautsprecher verkündet. Aber es könnte sich ja jemand Zugriff verschaffen und Sandra Rosenthals Stimme missbrauchen. „Es haben nur wenige Menschen Zugriff auf das Programm“, fühlt sie sich sicher.
Mit Sandra Rosenthal hat nicht nur eine neue Stimmlage bei den KVB Einzug gehalten, es hat sich auch der Umgangston verändert. Die KVB „dutzen“ nun ihre Kunden. Genauer gesagt, sie „ihr-zt“ und „euch-zt“ sie (siehe Infokasten). „Ich selbst habe das noch nicht gehört, aber die Reaktionen, die ich darauf bekommen habe, besagen alle, das wirke ,sehr sympathisch‘“, berichtet die Moderatorin. Wen wunderts: Durch die warme und sanfte Stimme von Sandra Rosenthal entsteht unweigerlich der Eindruck, als spreche dort eine gute Freundin zu einem.
