Abo

Interview

Chef des Kölner Motorbauer Deutz
„Unsere Wachstumsstory ist mehr als intakt“

8 min
Deutz-Chef Sebastian C. Schulte in der Motorenfertigung in Köln-Porz.

Deutz-Chef Sebastian C. Schulte in der Motorenfertigung in Köln-Porz. 

Sebastian C. Schulte krempelt Deutz um. Der Service-Bereich wird gestärkt, ebenso der Rüstungssektor des Unternehmens. Über Zukunftpläne und eine Bewerbung der Region um Olympische Spiele sprach Ralf Arenz mit dem Manager.

Herr Schulte, der Blick auf den Börsenkurs ist jetzt nicht mehr ganz so erfreulich wie noch vor einigen Wochen. Wie sehen Sie das?

Die Deutz-Aktie ist seit Jahresbeginn um fast 100 Prozent gestiegen. Unsere Wachstumsstory ist mehr als intakt. Insofern ist das aktuelle Niveau, eher eine gute Möglichkeit zuzukaufen. Das habe ich im Übrigen auch selbst gemacht - zweimal in den letzten drei Wochen. An der Börse geht es immer in Wellen. Mich interessiert die langfristige Entwicklung. Und da bin ich überzeugt von Deutz.

Hat das Thema Rüstung weniger Zugkraft?

Wir spüren immer noch ein großes Interesse an Produkten und Lösungen für Sicherheit und Verteidigung. Das zeigt sich natürlich auch im Aktienkurs. Entscheidend aber ist unsere breitere Aufstellung insgesamt, zum Beispiel mit dem Bereich dezentrale Energieversorgung. Das ist ein globaler Megatrend, der als sehr stabil gesehen wird.

Welchen Umfang hat Ihr Rüstungsgeschäft inzwischen?

Wir sind jetzt im laufenden Jahr bei einem mittleren zweistelligen Millionenbereich im Umsatz und gehen von einem signifikanten Wachstum in den nächsten Jahren aus.

Können Sie das präzisieren?

Wir sind im Motorenbereich bei einigen namhaften Kunden gut platziert und durch die Akquisition von Sobek liefern wir schon jetzt und perspektivisch auch in 2026 eine große Zahl an elektrischen Antriebssystemen für militärische Drohnen. Die von der Politik bereitgestellten Budgets werden jetzt zu Ausgaben und Investitionen führen. Wir sind gut aufgestellt, genau davon zu profitieren.

Vor fünf Wochen ist Deutz auch eine Partnerschaft mit Arx Robotics, einem Spezialisten für unbemannte Verteidigungssysteme eingegangen, und hat sich im Rahmen der letzten Finanzierungsrunde als Lead Investor an Aex beteiligt. Was streben Sie hier an?

Wir sehen verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Auf der einen Seite geht es um Stromgeneratoren, Speicherlösungen und auch Wechselbatterien für elektrisch angetriebene, unbemannte Militärfahrzeuge. Letztlich geht es um Energieinfrastruktur im Feld. Wir werden ARX zudem als Partner für die industrielle Fertigung unterstützen. Noch geht es um kleine dreistellige Stückzahlen pro Jahr. Sollte es ARX aber gelingen, von der Bundeswehr oder anderen Armeen im NATO-Umfeld größere Aufträge zu erhalten, müssen Produktionskapazitäten schnell hochgefahren werden. Genau das können wir. In Ulm, aber natürlich auch hier am Standort in Köln.

Ein Projekt bei Ihnen war auch die Stromversorgung von Luftverteidigungssystemen.

Ja, wir liefern über unseren Partner Vincorion in Ulm produzierte Motoren, die in der Stromversorgung der Patriot-Systeme eingesetzt werden.

Das größte Segment bei Deutz sind Motorenbau und Service. Ist die Nachfrage aus der Bauindustrie und der Landwirtschaft nach Motoren weiter gedämpft?

Wir sind da weiterhin auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, etwa auf dem Level vom letzten Jahr. Dennoch haben wir weiter investiert und beispielsweise Motorenreihen von Daimler Truck in unser Angebot aufgenommen. Das sind Antriebe im mittleren und größeren Leistungsbereich für Anwendungen außerhalb der Straßen. Das zahlt ich jetzt aus und macht uns als Unternehmen stabiler. Genauso wie die Integration neuer Geschäfte. Im Ergebnis laufen wir dieses Jahr auf einen Umsatz von um die 2,1 Milliarden Euro hinaus und sind klar profitabel. Das ist ein Wort, bei einer Fertigung von weniger als 140.000 Motoren. Da wären wir vor noch vor fünf Jahren richtig in den roten Zahlen gewesen. Das ist das Ergebnis unseres begonnenen Umbaus zu einem breiter aufgestellten Industrieunternehmen.

Teil ihrer Strategie ist auch die Entwicklung von alternative Antrieben, wie E-Motoren. Wann wird denn in ihren Branchen elektrifiziert?

Da ist der Nutzfahrzeugbereich sicherlich langsamer als der PKW-Markt. Auch wenn wir ein deutlich größeres Interesse an batterieelektrischen Antrieben im Markt spüren. Ein Hersteller einer schweren Baumaschine zum Beispiel will aufgrund der hohen Entwicklungskosten und den im Vergleich zur Autoindustrie geringen Stückzahlen der produzierten Produkte, ungerne in der gleichen Fähigkeitsklasse ein batterieelektrisches und ein mit Verbrennungsmotor betriebenes Produkt parallel haben. Vielmehr wünscht der Kunde sich Flexibilität. Er möchte die Maschine möglichst lange fertigen und später dann den Antrieb wechseln. Das ist vom Design zwar nicht optimal, aber durch die Übernahme des niederländischen Innovationsführers in dem Bereich, können wir unseren Kunden genau das anbieten. Dann bauen wir den Verbrenner aus und machen einen Retrofit mit einem batterieelektrischen System. Teilweise ergänzen wir noch einen Range Extender, also einen Verbrennungsmotor, der als Backup Strom erzeugt. Selbst dieser hybride Weg kann mehr als 80 Prozent Emissionen einsparen.

Sie haben den Service stark ausgebaut. Wohin soll die Reise gehen?

Service bei Deutz vor zehn Jahren war im Wesentlichen Ersatzteilhandel. Das war lukrativ, aber wir können eben auch die Maschine warten. Und zwar nicht nur eine Deutz-Maschine, sondern auch Maschinen von Wettbewerbern. Kernmärkte dafür sind für uns Europa und die USA. Hier wachsen wir deutlich stärker als der Markt. In den USA haben wir mittlerweile 14 eigene Service-Zentren. Hinzu kommen 40 mobile Werkstätten. Die Mitarbeitenden operieren mit eigenem Service-Truck und sind schnell beim Kunden.   Wenn eine Erntemaschine zum Beispiel mitten in der Ernte kaputt geht, dann muss die schnell repariert werden. Wenn der Kunde eine Woche auf die Reparatur warten muss, dann ist die Ernte hin. Das ist bares Geld wert.

Wie groß ist das Potenzial?

Allein Deutz hat weltweit aktuell rund zwei Millionen Motoren im Feld. Das ist für uns potenzielles Geschäft. Und jedes Jahr werden es mehr Motoren. Denn ein DEUTZ-Motor läuft gerne mal 40 Jahre. Da sind zum Beispiel auch Motoren in Schneefräsen dabei, die in unseren Breiten nur wenige Tage im Jahr laufen. Dann müssen sie aber einsatzbereit sein. Andere Motoren laufen in Bau- oder Landmaschinen hunderttausende Stunden. Mit dem Austauschgeschäft können wir die immer wieder flott machen und alte Motoren auf den Stand von neuen bringen.

Wie groß soll das Servicegeschäft werden?

Wir haben den Umsatz im Servicegeschäft in den letzten vier Jahren um rund 40 Prozent gesteigert. Bis 2030 wollen wir das Servicegeschäft bei einer Milliarde Umsatz haben. Ein Herzstück ist das zentrale Ersatzteillager hier in Köln-Kalk, in das wir dieses Jahr signifikant investiert haben. Es wird jetzt durch moderne KI-unterstützte Roboter gemanagt, damit wir immer in Rekordzeit Zugriff auf die Teile haben. Auch die Zahl der vorrätigen Teile konnten wir so erhöhen. Von dort gehen Ersatzteile dann zum Beispiel per Luftfracht ab Köln/Bonn nach Amsterdam und werden dann direkt in die Service-Trucks unserer Mitarbeitenden geliefert, mit denen es morgens zum Kunden geht. So halten wir Maschinen am Laufen. Das ist unsere Stärke, auf die wir in all unseren Geschäftsbereichen setzen.

Nutzt ihre US-Tochter Blue Star inzwischen auch Deutz-Motoren für ihre Stromgeneratoren?

Genau das testen wir gerade. Für den Erfolg unseres Energiegeschäfts ist das aber zweitrangig.

Sie haben betont, dass sie deutlich breiter aufgestellt sind. Müssen Sie auch die Organisation anpassen?

Natürlich ändert sich mit der Umsetzung der Strategie auch die Organisationsstruktur. Wir waren in der Vergangenheit letztlich ein Ein-Produkt-Unternehmen. Mit einer sehr starken Konzernzentrale, wo von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb – alles gesteuert wurde. Das ändern wir zum 01. Januar. Mit separaten Geschäftseinheiten, die deutlich eigenständiger und unternehmerischer agieren können. Das heißt: Schnellere Entscheidungen und mehr Nähe zum Kunden. Und damit schaffen wir die Voraussetzung, weitere Geschäfte zu integrieren und DEUTZ bis 2030 zu verdoppeln: auf vier Milliarden Euro Umsatz.

Sie sind nicht nur Deutz-CEO, sondern auch Ruder-Weltmeister im Achter und Olympia-Teilnehmer. Wie finden Sie die Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region für die Olympische Spiele?

Also ich würde mir sehr wünschen, dass die Olympischen Spiele wieder nach Deutschland kommen. Köln hätte gemeinsam mit der Region als Austragungsort einiges zu bieten. Zum einen begeisterungsfähige Menschen. Die sind die Grundvoraussetzung für den Erfolg von Olympischen Spiele. Die Menschen müssen die Spiele mittragen. Als früherer Ruderer verbinde ich viele schöne Momente mit der Regattastrecke in Fühlingen. Und wenn Platz für Olympia gebraucht wird, haben wir ja noch das alte Deutz-Gelände. Vielleicht kann man da endlich mal was draus machen. Insofern, Olympia in Köln wäre schön.

Was machen Olympische Spiele mit einer Stadt?

Sie wecken Begeisterung. Das war in Paris zu sehen. Ich habe es selbst bei den Olympischen Spielen in Rio gesehen, wo ich 2016 gelebt und gearbeitet habe. Die Menschen – so dachten wir - sind wenn überhaupt, Fußball und Beachvolleyball verrückt. Aber auf einmal sind die dann auch zum Schwimmen, zum Rudern, zum Fechten gegangen. Es gab einen positiven Spirit. Es war so als wäre die Stadt auf einmal aufgewacht.

Und das brauchen wir auch als Land?

Genau das brauchen wir als Land. Eine positive Zukunftserzählung. Olympia hat eine enorme Strahlkraft und vereint Menschen. Nicht nur im Olympia-Sommer selbst, sondern vor allem auf dem Weg dahin. Wir setzen uns als Land ein Ziel, das Aufbruchstimmung kreiert und gegen das wir arbeiten können: mit Blick auf Infrastruktur und Digitalisierung, bei denen wir dringend ein Update benötigen, aber auch mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen ganz unterschiedlichen Menschen und Interessensgruppen. Diese Kraft sollten wir nicht unterschätzen.

Sie würden sich also im Rahmen der Bewerbung engagieren?

Mit Sicherheit. Ich glaube an Olympia. Und diesen Standort.