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Rügenwalder-Chef im Interview„Für uns ist das vegetarische Geschäft keine Mission“

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Rügenwalder

Michael Hähnel sieht im Veggie-Boom nicht bloß einen kurzfristigen Trend.

Bad Zwischenahn – Mit klassischen Wurstprodukten wurde das Unternehmen „Rügenwalder Mühle“ bekannt. Doch es zeichnet sich ab, dass die Niedersachsen in diesem Jahr erstmals mehr Geld mit Fleischersatzprodukten verdienen werden. Das erzählt Chef Michael Hähnel im Interview.

Herr Hähnel, die Corona-Pandemie betrifft eigentlich alle Lebensbereiche. Wie sieht es bei Rügenwalder Mühle aus?

Das war ein Wahnsinnsjahr für uns. Wir konnten den Umsatz um 22 Prozent auf 233,7 Millionen Euro steigern. Ein neuer Rekord. Ich sage das durchaus mit Demut, wir wissen um die Probleme in anderen Unternehmen. Die Krise trifft uns aber zum Glück nicht so hart. Wir konnten sogar beim Personal auf mittlerweile 820 Mitarbeiter aufstocken.

Wo rührt das Wachstum her? Sind es die veganen und vegetarischen Produkte aus Ihrem Sortiment?

Unser Erfolg fußt in beiden Geschäftsfeldern: Klassische Fleischprodukte und entsprechender Ersatz in Form pflanzlicher Proteine. Im vergangenen Jahr lagen die Erlöse hier etwa auf Augenhöhe, das Fleisch vielleicht ein ganz kleines Bisschen weiter vorn. Ich gehe davon aus, dass sich das in diesem Jahr dreht, weil wir weiter stark im Segment Vegan/Vegetarisch wachsen. Unser Umsatz ist hier 2020 um gut 73 Prozent gestiegen. Damit liegen wir noch ein gutes Stück über dem Branchenschnitt.

Was bedeutet das für das Unternehmen? Steuern Sie auf eine fleischfreie Zukunft zu?

Für uns ist das vegetarische und vegane Geschäft keine Mission. Wir orientieren uns da am Verbraucherwunsch. Weite Teile der Bevölkerung wollen sich bewusster ernähren. Das kann heißen, gar kein Fleisch mehr, oder aber weniger Fleisch zu essen. Wir als Unternehmen machen allen ein Angebot. Dieses Thema ist jedenfalls nach meiner Wahrnehmung kein kurzfristiger Trend, sondern wird den Markt dauerhaft und nachhaltig verändern.

Die Diskussion über Fleisch oder nicht Fleisch ist stark polarisiert, Fleischkonsum ist politisch. Das zeigt doch letztlich auch die Diskussion um die Produktnamen

Unsere jungen Mitbewerber aus den USA setzen stark auf Polarisierung. Da wird schnell mit dem Finger auf nicht-vegane Produkte gezeigt. Ich halte nichts von Glaubenskriegen. Es geht da häufig ums Diskreditieren und Diskriminieren. Das ist nicht unser Ansatz. Bei uns findet jeder etwas: der Fleischesser, der Flexitarier, der Veganer. Wir bringen die Leute sozusagen mit unseren Produkten an einen Tisch. Damit werden wir auf Dauer erfolgreicher sein als mit Polarisierung.

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Weil der Absatz der Veggie-Produkte steigt, wurden zuletzt die Rohstoffe knapp. Inwieweit hat sich das bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Wir wollen uns hier möglichst unabhängig aufstellen. Zu unserer Marke passen regional angebaute Rohstoffe. Weizen, Erbsen, Lupine, Kartoffeln und so weiter sind tolle alternative Proteinlieferanten. Wir suchen da perspektivisch strategische Partnerschaften mit Landwirten und Verarbeitern.

Es zeichnet sich ja bereits die nächste große Entwicklung ab: echtes Fleisch aus der Petrischale. Die Forschung macht hier Fortschritte. Ist das etwas für ein Unternehmen wie die Rügenwalder Mühle?

Wir beobachten das, aber ich bin da eher skeptisch, was die Akzeptanz auf dem deutschen Markt angeht. Wie Sie schon sagten, es gibt diese Skepsis gegenüber Dingen, die man nicht mehr einfach so begreift. Und bei Fleisch aus der Petrischale komme ich schnell an Verständnisgrenzen. Da verstehe ich nicht mehr, wie das hergestellt wird. Ob so etwas zu unserer Marke passt, die für Authentizität steht? Ich habe Zweifel.