Die Autobranche steckt tief in der Krise. Eine Verschiebung des sogenannten Verbrennerverbotes soll Jobs retten. Bislang war die SPD strikt gegen eine Lockerung der EU-Regeln. Im Interview sagt Generalsekretär Tim Klüssendorf nun: „Die Sicherung von Arbeitsplätzen steht im Vordergrund.“
SPD-Generalsekretär„Die Zukunft des Autos ist elektrisch“

Ein Symbol markiert einen Parkplatz mit einer öffentlichen Ladesäule für Elektroautos an einem Einkaufszentrum.
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Zwischen Generaldebatte und Richterwahl fand SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf Zeit für ein Telefoninterview mit Tobias Schmidt. Darin wirbt der 34-jährige Lübecker für die Reform der Erbschaftssteuer, um den Reichtum „gerecht“ zu verteilen, und begründet, warum er im kommenden Jahr mit der Rückkehr von Wachstum rechnet. Spannend sind auch seine Aussagen zum EU-Verbrennerverbot ab 2035.
Herr Klüssendorf, ohne höhere Abgaben für Reiche macht die SPD bei den Sozialreformen nicht mit, sagt Lars Klingbeil. Ist das nicht Erpressung?
Es ist keine Erpressung, einzufordern, dass alle ihren gerechten Beitrag leisten, um das Land voranzubringen. Nur über Leistungskürzungen zu reden, greift zu kurz, wir brauchen ein gerechtes Gesamtpaket. Wir wollen Reformen, um den Sozialstaat zu modernisieren und bürgerfreundlicher zu machen, und wir wollen die Finanzierung solidarischer machen. Da geht es zum Beispiel um die Erbschaftssteuer, denn die schützt gerade diejenigen, die die allerhöchsten Vermögenswerte weitergeben.
Zum Jahreswechsel urteilt das Bundesverfassungsgericht zur Erbschaftssteuer. Sie pochen vor dem Urteil auf grünes Licht der Union für Korrekturen an der Erbschaftssteuer?
Es ist ein gutes Signal, dass die Union selbst sich nun unseren Forderungen nach Korrekturen in der Erbschaftssteuer gegenüber geöffnet und in Teilen angeschlossen hat. Ich gehe davon aus, dass das Gericht erklären wird, dass die weitgehenden Ausnahmen für Erbschaften und Schenkungen oberhalb von 26 Millionen Euro geändert werden müssen. Aus meiner Sicht sollte die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung sogar ersatzlos aus dem Gesetz gestrichen werden, denn sie verhindert eine gerechte Erbschaftsbesteuerung. Und der Schutz der allerhöchsten Vermögen sollte aufgehoben werden.
Wo sehen Sie weiteren Änderungsbedarf?
Heute kann man die Freibeträge alle zehn Jahre voll ausschöpfen. Zwei Eltern, die das maximal ausnutzen, können über fünf Jahrzehnte bis zu acht Millionen Euro steuerfrei an ihre Kinder weitergeben. Das finde ich ungerecht. Mein Vorschlag wäre, die Stückelung des Erbes zu unterbinden und durch einen einzigen Freibetrag zu ersetzen, der für das ganze Leben gilt.
Was würde Ihr Konzept dem Staat an zusätzlichen Einnahmen bringen?
Beide Maßnahmen zusammen könnten einen zweistelligen Milliardenbetrag generieren.
Wenn die Union bei der Erbschaftsteuer mitmacht, wird es mit der SPD auch schmerzhafte Sozialreformen geben?
Es ist kein Tauschgeschäft, sondern wir tragen gemeinsam Verantwortung. Die Menschen spüren doch jeden Tag, dass es Reformen braucht, damit unser Land stark bleibt. Wir werden dafür sorgen, dass es ein gerechtes Gesamtpaket ist. Uns geht es darum, den Sozialstaat besser aufzustellen. Es ist kein guter Zustand, dass es einen Dschungel an unterschiedlichen Ansprüchen und Leistungen gibt, an Stellen, bei denen man sich melden muss, an Formularen und Bürokratie. Das frisst wahnsinnig viel Geld und Ressourcen. Das können wir verschlanken und effizient machen.
Der ersehnte Aufschwung lässt weiter auf sich warten. Die Prognosen sind auch wegen des Eindrucks trübe, die Regierung liefere nicht.
Wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen, daher bin ich zuversichtlich, dass sich der Aufschwung im nächsten Jahr einstellt. Die erleichterten Abschreibungen locken auch ausländische Investoren. Vergangene Woche haben wir das Sondervermögen scharf gestellt, das wird auch helfen, die Wirtschaft anzukurbeln und den Standort noch attraktiver zu machen.
Besonders hart trifft die Krise die Autoindustrie. Eine Verschiebung des sogenannten Verbrennerverbotes soll helfen, das fordert auch Ihr Parteifreund und Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies. Brauchen VW & Co. mehr Zeit für die E-Mobilität?
Was mich schon umtreibt, ist die Planungssicherheit, die die Unternehmen brauchen. Wenn wir Fristen und Vorgaben immer wieder ändern, schafft das Verwirrung und Unsicherheit. Und die Zukunft des Autos wird elektrisch sein. Das machen uns andere Länder vor, und auch die Verkaufszahlen deutscher E-Autos gehen ja kontinuierlich hoch. Daher sollten wir nicht leichtfertig vom Weg abrücken. Aber natürlich steht auch für uns am Ende immer der Erfolg der deutschen Industrie im Vordergrund und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Deshalb sind wir gesprächsbereit. Wir werden uns die bis Jahresende in Aussicht gestellte Überprüfung der EU-Kommission genau ansehen.
Im Koalitionsvertrag werden Kaufanreize und Unterstützung beim Leasing angekündigt, damit sich auch Familien mit einem schmalen Einkommen ein E-Auto leisten können. Im Haushalt für kommendes Jahr ist dafür kein Euro vorgesehen. Kommt da noch was?
Wir schauen uns an, was vor dem Hintergrund der extrem angespannten Haushaltslage, gerade für das Jahr 2027, noch möglich ist. Unser Ziel ist klar: eine starke deutsche Automobilindustrie und sichere Arbeitsplätze.