Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident widerspricht Merz beim umstrittenen Thema Verbotsverfahren. Ein Interview über Politikwechsel – und den Umgang mit extremen Parteien.
CDU-MinisterpräsidentWarum wollen Sie ein AfD-Verbot, Herr Günther?

„Es ist meine feste Überzeugung, dass ein Staat sich selbst schützen muss“, sagt Daniel Günther zu seiner Forderung nach einem AfD-Verbotsverfahren. dpa
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Spüren Sie nach zehn Tagen Kanzler Friedrich Merz schon den Politikwechsel?
Ja. Die Ampel hat es uns allerdings auch leicht gemacht, einen Unterschied spürbar zu machen. Aber ich finde, dass Friedrich Merz der Auftakt mit außenpolitischen Akzenten und seiner Regierungserklärung zu den Herausforderungen in Deutschland gelungen ist.
Merz erwartet eine „gewaltige Kraftanstrengung“ vom ganzen Land, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Riskiert er damit nicht eine Abwehrreaktion von allen, die jetzt schon von früh bis spät arbeiten, Kinder großziehen, Eltern pflegen?
Nein, ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Den Menschen in Deutschland ist klar, dass wir nicht die Hände in den Schoß legen und sagen können, allein die Politik solle dafür sorgen, dass es in unserem Land wieder aufwärts geht. Es wissen alle, dass es einer gemeinsamen Kraftanstrengung bedarf, unseren Wohlstand in Deutschland zu sichern und unsere Rolle in der Welt wiederzufinden. Wichtig ist, dass wir wieder das Gefühl haben, dass alle an einem Strang ziehen.
Nach dem Vorstoß von Bärbel Bas zur Rente und den Reaktionen aus der Union konnte man den Eindruck haben, das wird in punkto Streit eine neue Ampel…
CDU, CSU und SPD sind immer noch unterschiedliche Parteien. Wir haben klare Vereinbarungen dazu im Koalitionsvertrag. Und wenn die SPD darüber hinaus mal über Dinge nachdenkt, dann muss man das eben ertragen. Von daher: Gelassen bleiben, vertrauensvoll zusammen- und den Koalitionsvertrag abarbeiten. Und nicht jedes Mal aufgeregt Debatten führen, bloß, weil mal eine Meinung nicht hundertprozentig der eigenen entspricht – zumal manche Debatte auch eher medial geführt wird.
Sie werben schon lange für einen pragmatischen Umgang mit der Linken. Was meinen Sie damit genau – und verfängt der Vorwurf der AfD „alle gegen uns“ nicht umso mehr, wenn auch noch die Linke ein Partner ist und damit in die Mitte gerückt wird?
Zur Mitte zähle ich die Linke ganz sicher nicht. Was ich unter Pragmatismus verstehe, hat sich bei der Kanzlerwahl gezeigt. Wenn es im Bundestag um Absprachen zur Geschäftsordnung geht oder notwendige Zwei-Drittel-Mehrheiten gefordert sind, muss man miteinander reden. Denn ohne Linke und AfD gibt es diese Mehrheit nicht – und die AfD ist für uns kein Ansprechpartner. Das ist die Linke über die eben genannten Beispiele hinaus aber auch nicht.
Was ist an der Linken anders als an der AfD?
Die AfD ist mittlerweile in vier Ländern und auch auf Bundesebene gesichert rechtsextremistisch. Ihre Protagonisten arbeiten daran, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Die AfD nutzt jede Gelegenheit, um demokratische Institutionen verächtlich zu machen. Sie behindern die demokratische Arbeit. Das ist eine Partei, die eine ernsthafte Gefahr für unsere Demokratie ist. Diese Partei ist mit keiner anderen Partei in den deutschen Parlamenten vergleichbar.
Sie haben sich dafür ausgesprochen, ein AfD-Verbotsverfahren zu beantragen. Warum sind Sie davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist?
Es ist meine feste Überzeugung, dass ein Staat sich selbst schützen muss. Das war auch die Idee der Väter und Mütter des Grundgesetzes aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches. Wir müssen diese Möglichkeit, ein Parteiverbot anzustreben, dann auch nutzen. Diese Auffassung teile ich mit vielen. Immer mehr Menschen sehen die Gefahr, die von der AfD ausgeht.
Wollen Sie sich also konkret dafür einsetzen, dass der Bundesrat, der das könnte, einen Verbotsantrag auf den Weg bringt?
Mein Ziel ist, dass ein solcher Antrag auf Bundesebene gestellt wird, da sich das Verfahren gegen die Bundespartei richten würde. Wir werden die Bundesregierung nach Kräften dabei unterstützen.
Wäre es nicht auch gefährlich für die Demokratie, wenn zehn Millionen Wähler sich verboten fühlen müssten?
Wir haben doch dann ein großes Problem, wenn in einem Rechtsstaat Verfassung und Gesetze nicht konsequent angewendet werden. Ich glaube, auch das ist ein Grund für den Vertrauensverlust – dass Menschen das Gefühl haben, der Staat handele in bestimmten Bereichen nicht konsequent und greife zu wenig durch. Es wäre also eher vertrauensbildend für den Großteil die Bevölkerung, nicht einfach zuzugucken, wie eine Partei sich immer weiter radikalisiert, offen rechtsextremistisch ist, sich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wendet, weil wir Angst haben, vor einem Gericht zu scheitern. Ich glaube, das wäre genau das falsche Signal.
Ein anderes Thema: Die Länder erwartet ein Geldregen für ihre Infrastruktur aus dem Schuldenpaket. Wie schnell sollte das Geld fließen?
Ich hoffe, dass wir uns jetzt nicht im Klein-Klein von Regelungen verlieren, sondern der Bund uns Ländern vertraut, dass wir am besten wissen, wo das Geld gebraucht wird: Schulen, Kitas, Straßen, Schienen. Wir werden das Geld gemeinsam mit dem Kommunen sinnvoll investieren und dem Bund gegenüber auch dokumentieren, dass wir damit sorgsam umgehen.
Dazu braucht aber noch einen Beschluss im Bundestag, um die Kredite freizugeben…
Der Gesetzentwurf kommt hoffentlich noch vor der Sommerpause. Wir werden uns bis dahin auf Länderebene und bei uns in Schleswig-Holstein auch mit unseren Kommunen über die Verteilung der Mittel verständigen. Und dann geht es los. Wir wollen, dass die Infrastruktur in Land und Kommunen in Schleswig-Holstein möglichst zügig wieder in Schuss kommt, und so wird es sicher auch in den anderen Ländern sein.
Also wird Deutschland in Kürze ein Land der Baustellen?
Deutschland ist ein Land der Zukunft. Baustellen gehören dazu, auch, wenn das eine zusätzliche Belastung ist. Ich glaube aber, dass wir alle bereit sind, solche Einschränkungen auf uns zu nehmen, wenn wir gleichzeitig sehen, dass sich etwas bewegt, die Infrastruktur innerhalb der nächsten zehn Jahre besser wird und wir das Gefühl haben, dass es wieder vorangeht.