Statt Schönreden braucht Deutschland endlich Ehrlichkeit über die kommenden Zumutungen.
KoalitionsausschussDie Regierung ist besser als ihr Ruf

Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (l, CDU), Lars Klingbeil (r, SPD), Bundesminister der Finanzen, Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender nehmen an der Presseunterrichtung zu den Ergebnissen der Beratungen nach dem Koalitionsausschuss im Kanzleramt teil.
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Ein bemerkenswertes Eingeständnis kam dieser Tage vom Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Peter Leibinger räumte ein, dass er mit seiner Analyse, die deutsche Wirtschaft befände sich „in freiem Fall“ übertrieben und dem Wunsch nach Aufschwung und Zuversicht damit keinen Dienst erwiesen habe.
„In freiem Fall“ – das bedeutet schließlich quasi unaufhaltsam. Da ist nichts mehr zu machen. Warum sich noch anstrengen, gegensteuern, Neues wagen, wenn der Stab über die Zukunft der Wirtschaft von einem ihrer führenden Köpfe längst gebrochen ist? Nun korrigierte sich Peter Leibinger. Die Substanz für den Erfolg sei noch immer da. Man müsste nur auch wieder daran glauben.
Einen derartigen Erkenntnisfortschritt möchte man auch der Bundesregierung wünschen. Noch bei seiner ersten Regierungserklärung äußerte Friedrich Merz die Erwartung, die Stimmung möge sich schon in den ersten Monaten seiner Regierung aufhellen, das Land sich mit Zuversicht an die Arbeit machen. Er selbst hat von Koalitionsstreit zu Koalitionsstreit aber immer mehr an Zuversicht eingebüßt.
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Trotzig stellte er nun fest, dass es so umfangreiche Reformen wie in den letzten Monaten in Deutschland noch nie gegeben habe. Das ist übertrieben. Verglichen mit der Reformagenda von Gerhard Schröder sieht seine Regierung bislang noch alt aus. Aber sie ist trotzdem besser als ihr Ruf.
Was die Vielzahl der Reformen angeht – vom Wehrdienst über Investitionsanreize für Unternehmen bis zur Rente –, war sie durchaus fleißig, wenn auch nicht mutig genug. Umfangreich in ihrer Wirkung waren die Reformen noch nicht, viele sind aber auch noch gar nicht in Kraft getreten. Der Praxistest steht also noch aus. Einige dicke Bretter sind – siehe Rentenkommission – erstmal aufgeschoben. Das Vertrauen, dass diese Bundesregierung zu wirklich weitreichenden Reformen fähig ist, hat sich die Regierung noch nicht verdient.
Da hilft kein Schönreden à la Markus Söder, sondern Ehrlichkeit. Besser wäre es, den Menschen zu sagen, dass die Talsohle noch nicht durchschritten ist und Zumutungen für alle kommen müssen, bevor es besser wird. Dass die Regierung um Lösungen ringt, aber noch nicht erreichen konnte, was sie sich vorgenommen hat. Und wäre der Satz nicht so vorbelastet, könnte man dem Land auch mal zurufen: Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das!

