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Rundschau-DebatteDiese vier Haken hat die Idee einer Aktivrente

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Münzen liegen auf einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung.

Münzen liegen auf einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung. (Symbolbild)

Die Koalition will mit der Aktivrente gegen Arbeitskräftemangel vorgehen: Wer nach dem Rentenalter weiterarbeitet, soll bis zu 2000 Euro steuerfrei verdienen. Doch die Maßnahme ist teuer, hilft wenig – und könnte sogar verfassungswidrig sein.

Dass es schwierig werden würde, wenn die Boomer in Rente gehen, ist lange klar. Was man gegen diese Schwierigkeiten tut, eher weniger. Der Wegfall dieser großen Alterskohorten sorgt unter anderem dafür, dass Arbeitskräfte knapper werden und stellt viele Unternehmen vor Probleme.

Die Koalition will Abhilfe schaffen, indem sie zum längeren Arbeiten aufruft. Das soll unter anderem mittels der sogenannten Aktivrente geschehen. „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag.

Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich bei der Aktivrente also nicht um eine Rente, sondern um einen Steuervorteil. Aktuell können Rentner wie alle anderen bis zur Minijobgrenze von 556 Euro steuerfrei dazuverdienen. Das Gesetz zur Aktivrente ist gerade auf dem Weg durch den Bundestag und soll zum Jahreswechsel 2026 in Kraft treten. Aber wo ist der Haken? Es gibt gleich mehrere.

Haken 1 – Die Aktivrente ist teuer

Höhere volkswirtschaftliche Kosten – schon jetzt arbeiten laut Rentenversicherung 280.000 Menschen nach Erreichen der Regelaltersgrenze sozialversicherungspflichtig weiter und würden bei Einführung der Aktivrente weniger Steuern zahlen, ohne die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. „Die geplante Regelung würde in diesen Fällen jedenfalls hohe Steuerausfälle verursachen“, sagte die alternierende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung, Anja Piel.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beziffert den jährlichen Steuer-Ausfall auf 770 Millionen Euro. Das Institut der deutschen Wirtschaft kommt gar auf 2,8 Milliarden Euro Kosten, während die Bundesregierung mit 890 Millionen Euro rechnet.

Dabei subventionieren Bundesregierung und Rentenversicherung auch in die entgegengesetzte Richtung. Ein früherer Ruhestand wird beispielsweise durch die sogenannte „Rente mit 63“ gefördert, die einen früheren Ruhestand ohne Abschläge ermöglicht.

Haken 2 – Die Effekte der Aktivrente auf den Arbeitsmarkt könnten überschaubar sein

Tatsächlich könnten die Effekte jedoch überschaubar sein. Wie selbst die Bundesregierung zugibt, sind Erfahrungswerte rar gesät: „Die Beschäftigungseffekte der Aktivrente sind abhängig von den Verhaltensänderungen der potenziell Begünstigten, die sich nicht belastbar prognostizieren lassen“, gibt selbst die Bundesregierung zu.

Das DIW hat es trotzdem versucht. In einer Umfrage unter 60- bis 71-Jährigen kommt es beispielsweise zu dem Schluss, dass sich nur wenige durch die Aktivrente zum Weiter- oder Mehrarbeiten motivieren ließen. Demnach wären unter der aktuellen Regelung noch 47 Prozent der Befragten dazu bereit. Mit Aktivrente würden nur fünf Prozent hinzukommen.

Kein Wunder, denn viele Rentner sind gesundheitlich gar nicht in der Lage weiterzuarbeiten, ganz egal, wie wenig Steuern sie zahlen müssen. Laut DIW entspräche diese Bereitschaft rund 25.000 bis 33.000 Vollzeitstellen. Ein „moderater Beschäftigungseffekt“, wie das Institut schreibt. Damit das Unterfangen sich rechne, müssten es jedoch mindestens 40.000 Stellen sein, also fast das Doppelte.

Laut derselben Studie könnte man zudem durch bessere Aufklärung mehr Menschen aktivieren. So hätten etwa fast zwei Drittel Befragten nicht gewusst, dass sie seit 2023 zusätzlich zur Rente arbeiten dürfen, ohne auf Rentenansprüche zu verzichten.

Haken 3 – Von der Aktivrente würden vor allem Besserverdiener profitieren

Wie es bei Steuersenkungen meistens der Fall ist, würden vor allem Menschen profitieren, die viele Steuern zahlen und wegen des höheren Freibetrags einen niedrigeren Steuersatz hätten. Also Besserverdiener. Zudem profitieren ausschließlich Menschen, die in der Lage wären, weiterzuarbeiten. Wer gesundheitliche Probleme hat, oder durch Pflege und Erziehung eingespannt ist, schaut in die Röhre.

„Das birgt sozialen Sprengstoff, vor allem wenn ältere Beschäftigte steuerlich stark begünstigt werden, während jüngere Erwerbstätige weiterhin voll belastet bleiben“, findet etwa Ökonom Stefan Bach. Man müsse sich anschauen, was die Politik „da eigentlich mit viel Geldaufwand anschiebt und ob wir damit bestehende Ungleichheiten vertiefen“, warnt auch Piel.

Haken 4 – Die Aktivrente könnte verfassungswidrig sein

Von der Aktivrente würden nur sozialversicherungspflichtig angestellte Rentner profitieren. Selbstständige sind außen vor. Das könnte grundgesetzwidrig sein, wie ein Gutachten vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestag ergab. Um eine Gruppe zu bevorzugen, braucht es gute Argumente, um nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes zu scheitern. Zwischen Angestellten und Selbstständigen gebe es „keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können“, heißt es in dem Gutachten.

Selbstständige arbeiten auch deutlich öfter nach der Rente weiter als Angestellte, sodass mehr Leute, die sowieso schon arbeiten, profitieren würden. Hinzu kommt, dass dann Einkommen aus Unternehmensbeteiligungen, Zinsen und Mieten ebenfalls begünstigt werden müssten. Die Aktivrente würde also zum Steuergeschenk für Vermögende.

Auch Beamte wären außen vor. Zumindest die klagefreudige Beamtengewerkschaft DBB würde gerne von der Vergünstigung profitieren, wie ihr Präsident Geyer schon mitgeteilt hat.