Kürzen, streichen, aufgeben: All das ist sicher kein gutes Rezept für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Debatte über Renten und Sozialleistungen muss neu ausgerichtet werden.
Debatte sollte versachlicht werdenFür eine große Linie in der Sozialpolitik

Für Sozialleistungen wie zum Beispiel das Wohngeld braucht es eine politische große Linie auf der Basis von Menschlichkeit.
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Kranken Arbeitnehmern den Lohn sofort kürzen, den Kündigungsschutz aufweichen, strengere Vorschriften bei der Unterstützung Arbeitsloser – die Liste der sozialpolitischen Grausamkeiten, die derzeit diskutiert werden oder schon beschlossen sind, ist lang. Nur beim Thema Rente wird auf dem Status Quo beharrt. Wahrscheinlich, weil eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler inzwischen im Rentenalter und somit betroffen ist. Immerhin gibt der Unions-Nachwuchs der jüngeren Generation eine Stimme und macht deutlich, dass die Einschnitte für die Bürgerinnen und Bürger jenseits der kommenden Wahlperioden immer heftiger werden.
Risiko für die Regierung
Das ist nachvollziehbar und lässt sich nicht so einfach wegschieben. Diese Lage wiederum ist ein Risiko für die Regierungskoalition, die über die Rentenfrage zu zerbrechen droht. Bundeskanzler Friedrich Merz ist bemüht, ein solches Schreckensszenario als unrealistisch darzustellen. Aber das hatte sein Vorgänger Olaf Scholz vor dem Ende der Ampel-Koalition auch stets versucht. Machen wir uns doch bitte nichts mehr vor: In wesentlichen Bereichen der Sozialpolitik werden im Moment so viele Einschnitte diskutiert, dass ganz offensichtlich bei den Regierenden die Lage viel ernster eingeschätzt wird als in weiten Teilen der Bevölkerung.
Kürzen, streichen, aufgeben: All das ist sicher kein gutes Rezept für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Trotzdem wird es wohl ohne spürbare oder sogar schmerzhafte Einschnitte nicht gehen. Unsere Infrastruktur ist marode, Krisen verursachen Kosten.
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Sorgen bei vielen Menschen
In der Folge wächst sowohl bei Menschen, die Rente beziehen, als auch bei Empfängern von Transferleistungen oder Leuten in prekär bezahlten Arbeitsverhältnissen die Sorge, mit dem Geld nicht mehr auszukommen. Selbst die vermeintlich gut verdienende Mittelschicht trifft das. Es geht längst nicht mehr um das zweite Auto, die All-Inclusive-Fernreise oder den neusten Plasmafernseher. Für viele geht es um grundlegende Dinge wie gesunde Ernährung, Wohnen, Mobilität oder gesellschaftliche Teilhabe, die finanzielle Verrenkungen erfordern.
Bei all den Diskussionsbeiträgen zu Sozialthemen ist eine große Linie kaum erkennbar. Genau die bräuchten wir nun aber: Eine Debatte darüber, wie wir auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten können, welche Mindeststandards einfach aus humanitären Gründen nicht in Frage gestellt werden dürfen.
