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Rundschau-DebatteWer ist der Mann, der Charlie Kirk erschoss?

4 min
Sitzt seit Freitag in Untersuchungshaft: Tyler Robinson.Utah Governor's Office

Sitzt seit Freitag in Untersuchungshaft: Tyler Robinson.Utah Governor's Office

33 Stunden, nachdem er vermutlich einen der einflussreichsten rechten Influencer der USA getötet hatte, wurde Tyler Robinson festgenommen. Donald Trump nennt ihn einen Linksradikalen, der die Todesstrafe verdient habe. Doch so einfach ist die Sachlage nicht.

Wer ist Tyler Robinson, der mutmaßliche Schütze, der den ultrakonservativen Aktivisten Charlie Kirk mit nur einem einzigen Distanzschuss getötet haben soll? Bei der Suche nach dem Motiv stehen die Ermittler in den USA vor einem Rätsel. Neue Details werfen Licht auf einen jungen Mann, der nur schwer einzuordnen ist. Der 22-Jährige wuchs laut US-Medien in einem republikanischen Elternhaus auf, hatte früh Kontakt zu Waffen – und soll ausgerechnet einen bei jungen Leuten beliebten konservativen Meinungsführer getötet haben.

Charlie Kirk: Einst ein Einserschüler

Robinsons Elternhaus ist das typische Wohnhaus einer US-Mittelstandfamilie, der Rasen im Vorgarten ist akkurat gestutzt und von Schotter- und Kieselflächen gesäumt. Im gleichen Viertel wohnt Kris Schwiermann, die früher an Tylers Grundschule arbeitete. Er sei ein „ruhiges und respektvolles Kind“ gewesen, berichtet die Rentnerin, „wirklich sehr intelligent“.

Robinson sei ein herausragender Schüler gewesen, berichtet die „New York Times“ unter Berufung auf frühere Klassenkameraden. Als pünktlich und fleißig beschrieben sie ihn. Er habe zwar nicht zu den angesagtesten Schülern gehört, aber man habe ihn gemocht, sagte Jaida Funk, die mit Robinson die Grund- und Mittelschule besuchte.

Viel Zeit habe Robinson schon damals mit Videospielen und Comics verbracht, interessierte sich aber auch für aktuelle Ereignisse. In der Schule sei er eher zurückhaltend gewesen, berichteten Mitschüler. Doch Keaton Brooksby, der mit ihm die Highschool besuchte, erinnerte sich auch daran, wie Robinson sich in politische Debatten eingemischt habe. „Es ist wirklich traurig, dass jemand mit seinem Verstand so etwas daraus gemacht hat“, sagte er der Zeitung.

Als Kind mit Waffen posiert

Aufgewachsen ist Robinson in einem republikanischen Umfeld im Bundesstaat Utah. 2021 ging er mit sehr guten Noten von der High School ab und begann ein Studium, wechselte jedoch nach einem Semester zu einer Elektrikerausbildung an einem Technik-College. Er habe keine Vorstrafen und keine Vorgeschichte von Gewaltdelikten, so der Sender CBS. Robinsons Vater verkauft Küchen-Arbeitsplatten aus Granit, seine Mutter arbeitet im Gesundheitswesen. Tyler ist der älteste von drei Söhnen. Wie viele Bewohner Utahs gehört die Familie der Glaubensgemeinschaft der Mormonen an, praktiziert ihren Glauben allerdings offenbar nicht mehr aktiv.

Die Eltern besitzen laut „New York Times“ Jagdscheine. Die Zeitung fand Familienfotos in sozialen Medien, die Robinson und seine Brüder beim Schießen und Posieren mit Waffen zeigten. Auch Fotos von Reisen nach Puerto Rico, Alaska, Hawaii und Disneyland seien zu sehen, schrieb die „Washington Post“. Auf der Jagd hat Tyler vermutlich auch die Präzision gelernt, mit der er Charlie Kirk durch einen einzigen Schuss aus einem Jagdgewehr aus einer Distanz von rund 180 Metern in den Hals getötet haben soll.

Zunehmend politischer geworden

Kirk (31) war ein einflussreicher Vertreter der „Make America Great Again“ (MAGA)-Bewegung von Präsident Donald Trump. Millionen folgten seinen Social-Media-Kanälen und Podcasts. Robinsons Eltern sind eingetragene Republikaner, er selbst war im Wählerverzeichnis eingetragen, aber nicht als Anhänger einer bestimmten Partei. Bei der jüngsten Wahl im vergangenen Jahr gab er seine Stimme laut amtlichen Aufzeichnungen nicht ab. Laut Utahs Gouverneur Spencer Cox wurde Tyler jedoch in den vergangenen Jahren „zunehmend politischer“. Bei Gesprächen in der Familie soll er sich kritisch zu Kirk und dessen geplantem Auftritt an der Utah-Valley-Universität in der Stadt Orem geäußert haben.

Rechtsgerichtete Kommentatoren bezeichneten Robinson nach dessen Festnahme als „Linksextremen“, konkrete Hinweise auf eine extreme politische Gesinnung liegen bisher aber nicht vor. Frühere Mitschüler beschrieben den 22-Jährigen in der „New York Times“ als Auto- und Videospiel-Fan, der gerne Shooter-Spiele wie „Halo“ oder „Call of Duty“ spielte.

Tylers funkelnder grauer Dodge Challenger ist denn auch das Einzige, was seine Nachbarn in einem Apartmentgebäude im zehn Minuten von seinem Elternhaus entfernten St. George bisher von ihm kannten. Sie habe Robinson mehrfach beim Ein- und Aussteigen gesehen, berichtete Heather McKnight. „Wer hätte gedacht, dass dieser schmächtige kleine Kerl in der Lage wäre, solch eine schreckliche Tat zu verüben?“

„Hey Faschist! Fang“

Neben der Tatwaffe fanden Ermittler auch Munition mit eingravierten Sprüchen, die teilweise auf die Internet- und Gaming-Kultur anspielten. Darunter „Hey Faschist! Fang“ und „Wenn du das liest, bist du schwul, lmao“ – das Kürzel heißt sinngemäß „Ich lache mich kaputt“ („laughing my ass off“). Auf einer unbenutzten Patrone sei auch „Bella Ciao“ zu lesen gewesen, der Titel eines antifaschistischen Lieds, das italienische Partisanen im Kampf gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg sangen.

Als das FBI am Tag nach dem Attentat Fahndungsfotos veröffentlichte, erkannte der Vater des Verdächtigen laut CNN seinen Sohn. Doch auch Freunde glaubten, Robinson wiederzuerkennen. Wo er sei, fragte einer von ihnen in einem von der „New York Times“ veröffentlichten Chat. Sein „Doppelgänger“ wolle ihm „Ärger machen“, antwortete Tyler. (dpa/mit afp)