Ein redaktioneller Fehler bringt die britische Rundfunkanstalt ins Wanken. US-Präsident Donald Trump droht mit einer Milliardenklage wegen eines manipulierten Videos aus seiner Rede vom 6. Januar 2021.
Nach Trump-VideoBBC stürzt in schwerste Krise seit Jahrzehnten

Die älteste Rundfunkanstalt der Welt, die BBC, steht wieder unter Druck.
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Es brauchte nur wenige Sekunden Fernsehmaterial, um die BBC, die älteste und bekannteste Rundfunkanstalt der Welt, ins Wanken zu bringen. Was als redaktioneller Fehler begann, hat sich binnen Tagen zu einer dramatischen institutionellen Krise ausgeweitet: Rücktritte in der Führung, politische Forderungen nach Aufklärung und die Drohung einer Milliardenklage durch US-Präsident Donald Trump haben den Sender in eine seiner schwersten Bewährungsproben seit Jahrzehnten gestürzt.
Manipulationsvorwürfe nach geschnittenem Trump-Video
Ihren Ursprung nahm die Kontroverse in einer Dokumentation des Senders, die kurz vor der US-Wahl 2024 ausgestrahlt wurde. Darin wurden Szenen aus Trumps Rede vom 6. Januar 2021 so geschnitten, dass zwei Sätze, die in Wahrheit etwa 50 Minuten auseinanderlagen, unmittelbar ineinander übergingen – der Aufruf, „zum Kapitol zu marschieren“, und die Kampfansage, man müsse „wie die Hölle kämpfen“. Dies vermittelte den Eindruck, Trump habe seine Anhänger in dieser Form direkt zur Gewalt angestachelt. Dabei hatte er an anderer Stelle ausdrücklich betont, der Marsch solle „friedlich und patriotisch“ erfolgen.
Kritiker sprechen von gezielter Manipulation, sehen darin den Versuch, ihn bewusst zu diskreditieren. Viele Briten schäumen vor Wut, sprechen von einer Schande und fordern eine Abschaffung der Rundfunkgebühren. Die Debatte läuft immer heißer, wo sie doch ruhig geführt werden sollte.
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Unbestreitbar ist: Das Video war geschnitten. Das an sich ist jedoch nichts Ungewöhnliches, denn jeder Fernsehbeitrag wird bearbeitet, um ihn zu straffen und verständlicher zu machen. BBC-Mitarbeiter, die an der Produktion beteiligt waren, geben jedoch zu, es sei ein Fehler gewesen, Trumps Aussagen so zu montieren, dass sie wie ein einziges, zusammenhängendes Zitat wirken.
Juristische Erfolgsaussichten gering
Zugleich verweisen sie auch darauf, dass sich die Passage ebenso gut vom Ende der Rede her hätte schneiden lassen, wo Trump sagt: „Kämpft wie die Hölle“, sonst „werdet ihr kein Land mehr haben“, um nur wenige Sekunden später anzukündigen: „Wir werden die Pennsylvania Avenue hinuntermarschieren.“ Jene Straße also, die zum US-Kapitol führt. Mit anderen Worten: Der Schnitt war unsauber, der inhaltliche Zusammenhang jedoch vorhanden.
Doch, statt dies klar herauszuarbeiten, reagierte die BBC zögerlich und defensiv und ließ die öffentliche Deutung kippen. Der Rücktritt der Nachrichtenchefin des Senders, Deborah Turness, wirkte weniger wie ein Akt der Verantwortung als wie ein Schuldeingeständnis, und Trumps Drohung einer Milliardenklage hängt mittlerweile wie ein Damoklesschwert über der BBC. Unter den Briten wächst die Sorge, dass am Ende die Gebührenzahler für den Schaden aufkommen müssen.
Viele Juristen winken indes ab. Eine Klage hätte vor US-Gerichten nur wenig Aussicht auf Erfolg, betonen sie. Trumps Status als öffentliche Person setzt die Hürden hoch, denn nur der Nachweis von Vorsatz oder sogenannter „actual malice“, also bewusster Täuschung oder rücksichtsloser Missachtung der Wahrheit, könnte eine Verurteilung rechtfertigen.
Auch in den Vereinigten Staaten gelten journalistische Fehler, selbst grobe, nicht automatisch als Verleumdung. Ähnliche Verfahren, etwa gegen den US-amerikanischen Nachrichtensender CNN, sind in der Vergangenheit gescheitert.
Politisierte Medienlandschaft unter Druck
In Wahrheit geht es jedoch längst um mehr als einen Schnittfehler oder Schadenersatzzahlungen. Die Affäre offenbart, wie verletzlich öffentliche Institutionen in einer politisierten Medienlandschaft geworden sind. Die BBC sieht sich seit Jahren zwischen den Fronten. Insbesondere konservative und rechtspopulistische Kreise werfen ihr eine linksliberale Schlagseite vor.
Die Labour-Regierung hält sich in der Auseinandersetzung aktuell deshalb auffällig zurück. Sie will weder den Eindruck politischer Einflussnahme erwecken noch sich in eine Auseinandersetzung hineinziehen lassen, die ihr angesichts eigener Skandale zusätzlichen Schaden zufügen könnte.
„Wichtig für unsere Demokratie“
Chris Patten, konservativer Politiker und einst Vorsitzender des BBC Trust, eines früheren Aufsichtsgremiums der BBC, mahnt in der hitzig geführten Debatte zu Maß und Vernunft. Die Anstalt, so sagt er, sei keine perfekte, aber eine lernfähige Organisation. Anstatt Missgriffe zu vertuschen, stelle sie sich der Kritik. Diese sei bis zu einem gewissen Grad legitim, ihre politische Instrumentalisierung jedoch gefährlich. Denn hinter vielen Angriffen gegen die Institution, etwa durch Trump, stehe weniger der Wunsch nach Transparenz oder Ausgewogenheit, sondern das Ziel, die Glaubwürdigkeit unabhängiger Medien zu zerstören.
„Wenn man bedenkt, wie wichtig die BBC für unsere Demokratie ist, dann macht es mir Sorgen, wenn sie ständig in Verruf gebracht wird“, so Patten. Die Behauptung der US-Regierung, die BBC verbreite Fake News, solle Briten hellhörig machen. „Wir sollten uns nicht dazu drängen lassen, zu glauben, dass die BBC nur dann einen Wert hat, wenn sie das Vorurteil der letzten lautstarken Person widerspiegelt“, betont er. Eine Demokratie brauche keinen makellosen, sondern einen aufrechten Rundfunk, einen, der sich kritisch hinterfragt, ohne sich zu beugen.
