Interview mit Kölner RechtsexperteWelche Folgen haben Trumps Verurteilungen?

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Donald Trump steht vor einem Mikrofon.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump bei einer Rede in Mar-a-Lago

Wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdungen muss der frühere US-Präsident Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen. Und es drohen noch weitere Prozesse. Doch seine Anhänger ficht das nicht an.

Ex-US-Präsident Donald Trump ist wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt worden. Jetzt drohen ihm weitere Prozesse. Wie wirkt sich das auf seine erneute Kandidatur aus? Professor Dr. Kirk W. Junker lehrt an der Universität Köln US-amerikanisches Recht. Hans Peter Brodüffel hat mit ihm gesprochen.

Herr Professor Junker, welche politischen Auswirkungen könnte Donald Trumps jüngste Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs in einem New Yorker Zivilprozess haben?

Die Geschworenen verhängten Schadensersatz und Strafschadensersatz, weil Trump „böswillig, aus Hass, bösem Willen, Bosheit oder vorsätzlicher Missachtung der Rechte eines anderen“ gehandelt habe, als er sagte, die Klägerin habe die Geschichte erfunden. Das ist eine juristische Schlussfolgerung, nicht nur eine politische. Seit Trump den Prozess verloren hat, haben prominente Republikaner – die Senatoren Mitt Romney, Bill Cassidy, John Thune, Mike Rounds und John Cornyn sowie die ehemaligen Gouverneure Chris Christie und Asa Hutchinson – erklärt, dass Trump ihre Partei nicht anführen sollte.

Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl 2020 hatte Trump den Wahlleiter in Georgia telefonisch aufgefordert, ihm fehlende 11780 Stimmen zu verschaffen. Wie gefährlich ist diese versuchte Wahlmanipulation?

Dies war ein so eklatanter Versuch, der scheiterte, weil der Beamte in Georgia sich weigerte, die Idee auch nur in Betracht zu ziehen. Es könnte gefährlich werden in Bundesstaaten, in denen der zuständige Politiker (Secretary of State) ein glühender Anhänger von Donald Trump ist. Selbstverständlich ist eine solche versuchte Wahlmanipulation gefährlich. Andererseits muss man auch beachten, dass es ein System von Kontrollen in diesen Bundesstaaten gibt bzw. theoretisch geben soll, das solches rechtswidriges Verhalten verhindert.

Wie hoch schätzen Sie die Chance auf eine mögliche Anklage wegen Trumps Verwicklungen in den Sturm seiner Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 ein?

Es mag unwahrscheinlich erscheinen, eine Verbindung zu Trump selbst herzustellen. Aber das US-Bundesjustizministerium berichtet, dass 335 Personen im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 6. Januar 2021 verurteilt worden sind, und etwa 185 von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Unter ihnen befand sich zuletzt Enrique Tarrio, der Chef der rechtsextremen neofaschistischen Organisation „Proud Boys“, der zusammen mit drei weiteren Personen bereits wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und durch seinen Anwalt bei seinem Prozess wegen Volksverhetzung klarstellte, dass seine aufrührerischen Handlungen auf Befehl von Trump erfolgten. Es könnte gut sein, dass das Bundesjustizministerium langsam sein Fundament an Verurteilungen aufbaut, um den Beweis für eine Verbindung zu Trump zu erbringen.

Wie erklären Sie sich ungeachtet all dieser Anschuldigungen und Verurteilungen Trumps nahezu ungebrochene Popularität bei den Republikanern?

Jüngste Indikatoren würden Trumps Popularität nicht als „ungebrochen“ bezeichnen. Andere Republikaner, vor allem Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, haben erhebliche Unterstützung. Selbst sein eigener Generalstaatsanwalt, William Barr, sagte kürzlich, dass eine Wiederwahl Trumps eine „Horrorshow“ wäre und zu „Chaos“ führen würde. Die Washington Post kam am Ende der Trump-Administration zu dem Schluss, dass sich Trumps falsche oder irreführende Behauptungen über vier Jahre auf insgesamt 30573 belaufen. Diejenigen, die ihn weiterhin zu unterstützen scheinen, sind nicht die Mehrheit aller Wähler. Ich würde stark bezweifeln, dass sein Verhalten Demokraten angezogen hat, und Umfragen zeigen, dass er die Unterstützung unabhängiger Wähler und die Unterstützung einiger Republikaner verloren hat. Die Unterstützung, die er hat, ist laut und schrill, und die Medien berichten gerne darüber, denn Trumpismus verkauft sich. Das bedeutet jedoch nicht, dass dies einen großen Prozentsatz der politischen Meinung der US-Bevölkerung repräsentiert. Die lautesten Positionen sind oft nicht die Mehrheitspositionen. Als beispielsweise im Jahr 2021 der mit drei Trump-Kandidaten besetzte Oberste Gerichtshof der USA (US Supreme Court) den 48 Jahre alten Präzedenzfall Roe v. Wade aufhob, in dem das verfassungsmäßige Recht der Frau auf Abtreibung anerkannt worden war, schrieb Richter Alito, dass die Amerikaner die Abtreibung nicht unterstützen, konnte aber keinen empirischen Beweis dafür vorlegen, dass die Mehrheit der US-Bürger das Recht auf Abtreibung ablehnt. Im Gegenteil: Umfragen zeigen, dass mehr als sechzig Prozent der US-Bürger das Recht der Frau auf Abtreibung unterstützen.


Neuer Streit mit Trump

Jean Carroll mit Sonnenbrille

Jean Carroll, Autorin aus den USA, trifft vor dem Bundesgericht in New York ein.

Knapp zwei Wochen nach der Verurteilung Donald Trumps zu einer Entschädigung in Millionenhöhe wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung geht die US-Autorin E. Jean Carroll erneut gerichtlich gegen den ehemaligen US-Präsidenten vor. Grund dafür seien Beleidigungen, die Trump am Tag nach dem Urteil im Sender CNN gegen die Schriftstellerin ausgesprochen hatte, berichteten US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf die Unterlagen, die Carroll bei einem Gericht in New York eingereicht hatte. Demnach fordert sie nun eine weitere „sehr substanzielle“ Summe. Eine New Yorker Geschworenenjury hatte es am 9. Mai als erwiesen angesehen, dass Trump Carroll 1996 in einem New Yorker Nobelkaufhaus angegriffen und sexuell missbraucht hatte. Die Jury ordnete auch wegen Verleumdung an, dass Trump (76) insgesamt fünf Millionen Dollar (rund 4,56 Millionen Euro) an die heute 79-Jährige zahlen muss. Trump legte Berufung gegen das Urteil ein.

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