StilkolumneWas ist, wenn mir der bestellte Wein nicht schmeckt, Vincent Moissonnier?

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24.03.2020   Vincent Moissonnier; Restaurant und Vinothek Le Moissonnier
Copyright: Max Grönert

Wirte sind auch Krisenmanager – vor allem, wenn plötzlich alle Gäste gleichzeitig kommen. Vincent Moissonnier versucht dabei, entspannt zu bleiben.

Klar gibt es Regeln, welcher Wein zu welchem Essen passt, aber vor allem soll er dem Gast schmecken, sagt der Sterne-Gastronom.

Welcher Wein passt zu welchem Essen? Darüber ist schon so viel gesagt und geschrieben worden. Das Wichtigste und Entscheidende ist: Ihr Genuss. Wenn Sie einen Wein trinken, der Ihnen schmeckt, haben Sie alles richtig gemacht.

Natürlich gibt es einige Regeln für die passende Weinbegleitung zum Essen. Die ergeben sich ganz einfach aus dem Miteinander der vier Geschmacksrichtungen – süß, sauer, salzig, bitter – und deren Wahrnehmung durch unsere Zunge. Manche verstärken, andere schwächen einander. Ersteres kann man sich bei der Weinauswahl zunutze machen, letzteres kann man umgehen.

Daraus folgen die ersten Grundregeln: Ein süßer Wein passt zu süßen Speisen, aber nicht zu salzigen oder säuerlichen Gerichten. Ausnahme: Leberpasteten, mit denen ein Süßwein perfekt harmoniert. Ein säurebetonter Wein dagegen macht sich gut zu salzigem oder bitterem Essen, verliert aber in Kombination mit süßen Aromen. Ein schwerer, tanninreicher Wein wird den feinen Geschmack etwa eines weißen Fischs erschlagen. Umgekehrt hält ein leichter Weißwein den ausgeprägten Aromen eines dunklen Bratens schwerlich stand.

Der Wein muss auch zum Budget passen

Eine weitere Faustregel berücksichtigt das Erfahrungswissen regionaler Kulturen: Was die Menschen einer bestimmten Gegend von jeher zu den dort typischen Gerichten getrunken haben, das passt einfach auch dazu: Elsässer Riesling zu Flammkuchen, ein Rotwein aus Württemberg zu den Maultaschen, ein Lugana zu italienischen Antipasti.

Die letzte Regel stammt aus meiner eigenen Praxis als Kneipier. Sie hat damit zu tun, dass der „passende Wein“ immer auch eine Frage des passenden Budgets ist, und basiert darauf, dass ich ungern mit der Kreditkarte meiner Gäste spiele.

Kleine Hinweise an den Wirt helfen bei der Auswahl der Empfehlung

Tatsächlich ist die Weinbestellung der Schlüsselmoment für den weiteren Verlauf und – finanziell gesehen – auch das Ergebnis des Restaurantbesuchs. Hier kann die Preiskurve am weitesten nach oben ausschlagen, hier drohen mithin unliebsame Überraschungen. Und leicht ist der Kunde dabei nicht König, sondern der Dumme, wenn er unbesehen trinkt, was der Wirt empfiehlt. Denn er muss es am Ende auch bezahlen.

Mit kleinen Hinweisen können der Wirt und seine Gäste die vielleicht etwas ungeschlachte Frage umgehen, „was darf die Flasche denn kosten?“ Wenn sich der Gast nach einem „vollen, schweren Wein“ erkundigt, ist damit normalerweise auch ein üppigerer Preis gemeint als bei der Frage nach einem „leichten, unkomplizierten Wein“. Ein guter Indikator, was ein Gast auszugeben bereit ist, ist auch die Frage nach einzelnen Angeboten auf der Weinkarte. Möchte er zum Beispiel wissen, ob der Badener Riesling für 35 Euro eine gute Wahl wäre, werde ich ihm als Alternative keinen Chardonnay für 70 Euro empfehlen. Ein charmanter Hinweis auf den Deckel nach oben kann auch lauten: „Ich hätte gern noch einen Armagnac – aber vielleicht nicht gerade für 60 Euro.“

Der Job des Sommeliers ist, den Gast glücklich zu machen – zumindest mit dem passenden Wein

Ganz wichtig: Äußern Sie Ihre Wünsche! Ich erlebe es häufig bei Fischgerichten, dass Gäste leicht verschämt sagen: „Eigentlich würde ich lieber einen Rotwein trinken, aber das macht man ja nicht, oder?“ Hier gilt, was ich eingangs festgestellt: Was „man“ macht oder nicht, spielt keine Rolle. Wenn Sie einen Rotwein trinken möchten, ist es Sache des Wirts oder seines Sommeliers, einen geeigneten zu finden. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn der Sommelier zum Zensor wird. Sein Job ist es, Sie glücklich zu machen. Zumindest mit dem passenden Wein.

Nach dem Servieren rate ich – was Sie vielleicht überraschen wird – dazu, einen strukturierten Weißwein nicht die ganze Zeit in den Eiskübel stellen zu lassen. Sie werden schnell merken, dass er sein volles Aroma bei einer Temperatur von etwa zwölf Grad entfaltet, also deutlich über Kühlschrank-Temperatur. Rotweine schmecken am besten bei 16 Grad, können also bei hohen Raumtemperaturen sogar eine leichte Kühlung vertragen. Teurere Weiße wie Rote verdienen eine Karaffe. Es ist wie mit Hape Kerkeling und dem Titel seiner Autobiografie: „Der Junge muss an die frische Luft.“

„Der Wein schmeckt mir nicht“ – schwierige Situation

Bei den dekantierten Weinen habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, jede Flasche noch für zehn Minuten oder eine Viertelstunde auf dem Tisch stehen zu lassen. Die Etiketten bieten über die Optik hinaus eine Fülle von Informationen, die die Gäste interessieren dürften: Name des Weinguts und des Winzers, Herkunftsregion, Jahrgang, Alkoholgehalt oder biologischer Anbau.

Was aber tun, wenn Ihnen der gewählte oder empfohlene Wein partout nicht behagt? Um ehrlich zu sein: eine heikle Situation. Es ist nicht einfach zu sagen: „Der Wein schmeckt mir nicht.“

Ein fehlerhafter Wein muss selbstverständlich ausgetauscht werden. Typischer Fall: Der Wein hat Kork. Das Problem ist nur, nicht jeder Gast erkennt das ohne Weiteres. Umgekehrt haben ausgefallene Weine häufig – sagen wir: ungewohnte – Duft- und Geschmacksnoten. Die sind dann völlig einwandfrei, können die Gäste aber irritieren. Das lässt sich aber schlecht mit ihnen erörtern. Man sollte als Wirt keine rechthaberische Debatte mit den Gästen beginnen.

Wenn es dem Gast nicht zusagt, bekommt er etwas anderes

Wenn man sich nicht gerade im Raritätenbereich bewegt, sondern bei den gut laufenden Weinen, lasse ich persönlich den Abend ohnehin nicht an einem Glas oder einer Flasche Wein scheitern: Wenn es dem Gast nicht zusagt, bekommt er etwas anderes. Da sollte man, finde ich, auch nicht lang diskutieren. Das ist ja auch eine Sache des Vertrauens: Der Gast vertraut mir bei der Weinauswahl. Also gebe ich ihm die Möglichkeit, sich anders zu entscheiden.

Dabei muss ich aber spüren, dass der Gast es gut meint. Was ich damit sagen will: Auf eine bekümmerte Rückmeldung von der Art „Es tut mir sehr leid, aber ich habe mir ganz was anderes vorgestellt“ hin nehme ich die fragliche Flasche umstandslos wieder mit. Ganz ehrlich: Die bekomme ich glasweise auch nochmal verkauft. Im allerschlimmsten Fall erhalten meine Leute im Service die einmalige Chance, einen der Weine selbst zu verkosten, die sie ständig servieren.

Wenn sich aber jemand aufspielt oder glaubt, er müsse die Nummer mit der Reklamation bei jeder Flasche abziehen, dann werde ich sauer und schalte auf stur: Sie haben gewählt. Ich habe serviert. Und fertig. Aufgezeichnet von Joachim Frank

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