Interview

Erweiterung der Hohenzollernbrücke
Dombaumeister sieht Köln-Panorama in Gefahr

Lesezeit 7 Minuten
Die geplante Erweiterung der Hohenzollernbrücke in Köln.

Um die Hohenzollernbrücke für den Fuß- und Radverkehr zu erweitern, will die Stadt Köln eine schlanke Bogenkonstruktion davor setzen (Visualisierung).

Die Stadt Köln will die denkmalgeschützte Hohenzollernbrücke um eine neue Brücke für den Fuß- und Radverkehr erweitern. Im Interview übt Dombaumeister Peter Füssenich Kritik an den Plänen.

Herr Füssenich, Sie sehen die von der Stadt geplante Vorzugsvariante kritisch und betonen: Dieser Entwurf gefährdet das ikonische Köln-Panorama mit dem Dom und der Hohenzollernbrücke. Eine Erweiterung in Form der historischen Eisenbahnbrücke wäre aus Ihrer Sicht besser. Stadtkonservator Thomas Werner sagt, der Denkmalschutz fordere die historische Variante nicht. Im Gegenteil, sie sei sogar optisch kontraproduktiv. Hat Sie das auch überrascht?

Die Denkmalpflege hat Grundprinzipien. Eine Möglichkeit ist, sich bewusst vom Original abzusetzen, um Eingriffe an einem Denkmal sichtbar zu machen, damit man ablesen kann, was original ist und was nicht. Eine andere Möglichkeit ist die Rekonstruktion eines vergangenen oder beschädigten Bauteils.

In den 1980er-Jahren hat man sich bei der Ergänzung der S-Bahn-Gleise an der Hohenzollernbrücke für eine Erweiterung um einen Bogen entschieden und den nördlichen Bogen bewusst so an die Brücke angepasst, dass sie ein einheitliches Bauwerk bleibt. Was dem Stadtkonservator und der in diesem Fall denkmalrechtlich zuständigen Bezirksregierung – wir stehen ja in engem Austausch – am Herzen liegt, glaube ich, ist, dass möglichst wenig in die Originalsubstanz des Denkmals Hohenzollernbrücke eingegriffen wird. Das Ideal wäre aus meiner Sicht, dass man überhaupt keine neue Brückenbogen-Konstruktion sieht.

Aber wie sollen dann die Kapazitäten für Fußgänger und Radfahrer erweitert werden?

Das könnte mit Hilfe einer Auskragung an der bestehenden Brückenkonstruktion geschehen. Auf der Nordseite wäre das möglich. Der nördliche Bogen wäre statisch dazu in der Lage, der wesentlich ältere südliche Bogen ist es nicht. Deshalb wird argumentiert, man brauche eine weitere Bogenkonstruktion, um mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Doch was die Erscheinungsform der Brücke betrifft, wäre eine verbreiterte Auskragung die denkmalpflegerisch idealtypische Lösung.

Sie haben deutlich gemacht, dass es hier um den sensibelsten Bereich von Köln geht. Dom, Hohenzollernbrücke und Altstadtpanorama als untrennbare Einheit. Die Stadt will jetzt einen Ratsbeschluss, um ihre Vorzugsvariante weiterplanen zu können. Damit wäre eine Erweiterung in Form der historischen Eisenbahnbrücke vom Tisch. Ein Fehler?

Der Fokus liegt im Moment auf der Erweiterung der Brücke selbst, weniger auf den Folgen, die das hat. Nämlich: Wie kommt man von dieser elf Meter breiten Brücke herunter? Auf der linksrheinischen Seite sind noch viele offene Fragen zu klären. Es gibt zum Beispiel den Engpass zwischen den Abluftschächten der Philharmonie und den Hochbeeten mit den Bäumen. Der Zwischenraum ist dort nur rund 2,60 Meter breit. Das ist sehr eng, das ist schon heute ein Engpass. Die Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern werden sich verstärken, wenn man hier eine elf Meter breite Brücke ankommen lässt.

Was schlagen Sie vor?

Ich finde, diese offenen Fragen muss man zuerst lösen, bevor man die eigentliche Brücke weiterplant. Aus meiner Sicht braucht es eine Gesamtbetrachtung, um zu klären: Ist das eine gute Lösung oder nicht? Es geht nicht nur um den weiteren Verlauf der Verkehrsführung, sondern auch um die Auswirkungen, die das auf die Gesamtsituation am Dom hat.

Was ist dabei besonders zu beachten?

Zum einen ist die Hohenzollernbrücke ein national wichtiges Baudenkmal. Sie war die erste feste Rheinbrücke in Köln. Das Ensemble zwischen Dom und Hohenzollernbrücke ist zudem ein ikonisches Gesamtensemble. Historisch betrachtet waren der preußische König und später der Kaiser sehr daran interessiert, an genau dieser Stelle die Brücke auf den Dom auszurichten.

Schon zu der Zeit, als die Dombrücke als Vorläuferin der Hohenzollernbrücke entstand, gab es Diskussionen, an welcher Stelle sie gebaut werden sollte. Die Stadt Köln war damals ganz anderer Auffassung als der preußische König und wollte die Brücke etwas südlicher anordnen. Am Ende hat sich der preußische König Friedrich Wilhelm IV. durchgesetzt und die Hohenzollernbrücke axial auf die Achskapelle des Doms ausgerichtet. Das ist auch etwas, das bei der Betrachtung des Welterbestatus des Kölner Doms mit berücksichtigt werden muss.

Warum ist das so wichtig?

Zu der Zeit, als die erste Eisenbahnbrücke gebaut wurde, liefen parallel die Arbeiten zur Vollendung des Doms. Der preußische König hatte wesentlichen Anteil an der Vollendung der Kathedrale und er wollte dieses historische Monument mit dem verbinden, was damals als ganz modern galt, nämlich die Eisenbahn, die ja in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfunden worden war. Die Brücke betont die Verbindung zwischen Historie und Modernität an genau dieser Stelle. Deshalb ist die Erweiterung der Brücke oder die Frage ihrer Gestaltung etwas, das man mit großer Sensibilität betrachten sollte.

Ein schmaler Durchgang am Museum Ludwig zwischen Hochbeeten und Lüftungsschächten.

Der Engpass für Fußgänger und Radfahrer zwischen den Hochbeeten (l.) und den Lüftungsschächten von Museum Ludwig und Philharmonie (r.).

Gibt es Alternativen?

Es gibt regelmäßige Gespräche zwischen der Deutschen Bahn und der Stadtverwaltung. Vielleicht ließen sich künftige Sanierungsbedarfe der Deutschen Bahn an der Hohenzollernbrücke mit den Belangen der Erweiterung für den Fußgänger- und Radverkehr in Zukunft verknüpfen und es ließe sich dann auch eine denkmalgerechte Auskragung an der südlichen Seite verwirklichen. Dann würde die Hohenzollernbrücke in ihrer Form erhalten, und man hätte ganz andere Möglichkeiten für den Radverkehr.

Und wenn das nicht geht? Die Grünen und andere im Rat machen Druck, sie wollen die Vorzugsvariante vorantreiben.

Ich bin selbst Radfahrer und habe jegliches Verständnis dafür, dass der wachsende Radverkehr in Köln Raum benötigt. Man muss dabei aber auch die Frage stellen: Was passiert denn mit den Radfahrern um den Dom herum? Sollen die alle durch den Engpass um das Römisch-Germanische Museum oder an der fußgängerstarken Nordseite des Doms vorbeifahren? Soll es da überhaupt Fahrradverkehr geben? Oder gibt es da nicht ohnehin schon genug Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern, die man nicht noch verstärken muss durch solche Achsen?

Wie empfinden Sie als Dombaumeister die Situation heute?

Wenn man aufeinander achtgibt, ist das alles kein Problem. Aber ich stelle allzu oft fest, das ist einfach nicht der Fall. Die Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern sind jetzt schon offensichtlich und dürften zunehmen – jetzt, da der Autoverkehr am Dom abgeschwächt wird und den Radfahrern mehr Platz eingeräumt wird. Und was ist künftig geplant, wenn ich von einer elf Meter breiten Brücke komme? Soll man dann absteigen? Soll der Verkehr auf das Rheinufer geführt werden? Alles offene Fragen.

Welche Varianten sehen Sie?

Man könnte den Radverkehr über eine Rampe ans Rheinufer führen und von dort aus weiter. Aber dann reden wir über Eingriffe in das Urheberrecht sowohl der Architekten Peter Busmann und Godfrid Haberer als auch des damaligen Landschaftsplaners. Das sind ebenfalls Fragen, die noch geklärt werden müssen. Möglich wäre auch eine Erweiterung an der Nordseite, mit Anbindung ans Rheinufer und den Breslauer Platz. Das wäre zur Führung des Radverkehrs möglicherweise viel besser geeignet. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Stadt zwei weitere Fahrradbrücken an der Bastei und am Ubierring plant.

Das Hauptargument gegen eine Lösung in Form der historischen Eisenbahnbrücke lautet, sie benötige wesentlich mehr Stahl und koste zu viel.

Das kann ich natürlich nachvollziehen. Auf der anderen Seite reden wir hier über das Gesamtensemble mit dem Kölner Dom und der Brücke. Er ist immerhin eines der bekanntesten Bauwerke in Deutschland. ICOMOS, die Beobachterorganisation der UNESCO, wird bei diesem Projekt genau hinschauen, ob die Pläne mit dem Welterbestatus des Doms vereinbar sind oder nicht. Eine Kulturerbe-Verträglichkeitsprüfung ist immer ein guter Weg, solche Fragen zu klären.

Was wäre aus Ihrer Sicht die beste Lösung?

Ideal wäre eine Konstruktion, die man gar nicht sieht. Falls die Deutsche Bahn irgendwann zu dem Schluss käme, dass es wirtschaftlicher wäre, den ältesten Teil der Brücke an der Südseite zu erneuern, statt ihn zu sanieren, dann hätten wir ganz andere technische Voraussetzungen. Dann ließe sich eine Erweiterung für Fahrräder sicher viel leichter konstruktiv lösen, vielleicht auch kostengünstiger. Falls sich hier noch Möglichkeiten ergeben könnten, sollten die meiner Meinung nach erst ausgelotet werden, bevor man beschließt, diese Fahrradbrücke weiter zu planen.

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