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Keine ZügeWarum der Kölner Hauptbahnhof trotz Vollsperrung nicht still stand

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Bauarbeiter sind am gesperrten Gleis drei unterwegs.

„Gleis gesperrt“ leuchtete auf den Anzeigen in der Haupthalle des Kölner Hauptbahnhofs.

Zwölf Stunden lang war einer der größten Bahnhöfe der Republik am Samstag für den Fern- und Regionalverkehr gesperrt. Verloren wirkte der Kölner Hauptbahnhof jedoch trotzdem nicht.  

Auf den ersten Blick war kaum etwas zu spüren von der Vollsperrung des Hauptbahnhofs. Geisterstimmung? Fehlanzeige. Da die beiden S-Bahn-Gleise auf der Nordseite am Breslauer Platz regulär geöffnet waren, herrschte reger Betrieb zwischen dem Flatterband, mit dem die Aufgänge zu den Gleisen für den Regional- und Fernverkehr abgesperrt waren. Hier und da musste das Sicherheitspersonal jedoch Reisenden erklären, dass in der Haupthalle bis 18 Uhr kein Zug fährt.

Die Sperrung ist eine wichtige Etappe für die zweite Baustufe des neuen Elektronischen Stellwerks (ESTW), das seit 2020 im Kölner Hauptbahnhof entsteht. Seit 2021 regelt dieses bereits den Verkehr der S-Bahnen, bis Ende 2025 soll auch der Fern- und Regionalverkehr auf die digitale Technik umgestellt werden – bislang wird dieser noch von elektromagnetischen Relais geregelt.

Auswirkungen auf ganz NRW

„Das geschieht überwiegend im laufenden Betrieb, während der nächtlichen Sperrzeiten und an Wochenenden, um den Zugverkehr so wenig wie möglich zu stören“, sagt Stefan Deffner, Pressesprecher der Deutschen Bahn für NRW. „Der Kölner Hauptbahnhof ist ja bekanntlich ein wichtiger Knotenpunkt im Bahnnetz, gut 1300 Zugfahrten zählt man hier jeden Tag. Wenn man diesen Flaschenhals zudreht, hat das Auswirkungen auf ganz NRW.“

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Darum sollen in den zwölf Stunden der Sperrung zwischen 6 Uhr morgens und 18 Uhr abends so viele Arbeiten wie möglich über die Bühne gebracht werden: Acht neue Signalmasten müssen montiert werden, außerdem drei neue Signalausleger. Die Antriebe von 30 Weichen müssen ausgetauscht, verschiedene Tiefbau-Arbeiten ausgeführt werden, wie etwa ein 200 Meter langer Kabelkanal, drei Gleisquerungen für Kabeltrassen und der Einbau von 13 Fertigteil-Fundamenten für die neuen Signale des EWST.

Hunderte Meter Kabel

Hunderte Meter Kabel werden an diesem Tag verlegt „Daneben nutzen wir die Sperrung auch für Arbeiten, die unter normalen Bedingungen gar nicht möglich wären“, meint Deffner. „Das Säubern der Bahnsteigkanten etwa. Auch das Galeriedach auf der Nordseite kann nur bei gesperrten Gleisen gesäubert werden.“

Fünf externe Firmen und insgesamt gut 100 Mitarbeitende sind an der Aktion beteiligt. Daher mag die gähnende Leere der Bahnsteige und Gleise der Bahnhofshalle rein optisch an Zeiten des Lockdowns oder an den Streik der Lokführer vor kurzem erinnern – doch durch den Baulärm, der permanent von irgendwo her hallt und die Putzmannschaften wirkt die Atmosphäre eher wie bei einer Inventur als in einem Geisterschloss.

Gleisarbeiten im Kölner Hauptbahnhof.

Gleisarbeiten im Kölner Hauptbahnhof am 17. Juni.

Eine konzertierte Aktion wie diese erfordert minutiöse Planung, wie Dieter Baier ausführt, der Projektleiter für den Bau des Stellwerks. „Die Vorbereitungen brauchen zwei bis drei Jahre Vorlauf“, sagt er. „Nicht nur die Sperrzeit an sich muss rechtzeitig angemeldet werden, auch die Logistik muss geregelt sein; Die Baufirmen müssen beauftragt werden, die müssen sicherstellen, dass Material und Personal bereitstehen. Auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die den Bahnhof nutzen, müssen sich auf die Sperrung einstellen und entsprechend unterrichtet werden.“

Abstellgleis freigehalten

Und die Uhr tickt: Mit dem Ende der Sperrzeit um 18 Uhr rollt der Betrieb wieder an. Dafür wird eigens ein ganzes Abstellgleis frei gehalten, auf dem sich die Arbeitszüge und Baukolonnen aufstellen. „Die Reihenfolge ist genau festgelegt, damit sie sich nicht auf den Füßen stehen, sondern bereit sind, wenn sie gebraucht werden“, sagt Baier. Gut eine Stunde vor Ablauf der Sperrzeit müssen die Arbeiten erledigt sein – dann fahren die Baukolonnen zurück, die Oberleitungen werden wieder eingeschaltet, und der Bauüberwacher kontrolliert noch einmal die Gleise, bevor die ersten Züge wieder einrollen.

Reisende im Kölner Hauptbahnhof während der Sperrung.

Reisende im Kölner Hauptbahnhof informieren sich während der Sperrung beim Servicepersonal über Alternativen.

Mit dem Ablauf des Tages ist Baier zufrieden. „Alles hat reibungslos funktioniert“, sagt er. Die meisten weiteren Arbeiten könnten nun wieder während des Zugbetriebes stattfinden – erst Ende 2025 soll es eine weitere Sperrung geben, um die Umstellung auf die neue digitale Technik zu ermöglichen. „Das wird uns ermöglichen, die Gleise nach durchfahrenden Zügen schneller wieder freizugeben und die Kapazität deutlich zu erhöhen“, sagt Deffner. „Also mehr Züge in kürzerer Zeit – eben das, was wir für die Verkehrswende brauchen.“