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Tanzbrunnen KölnReinhold Messner am Nanga-Parbat: „Wir waren mehr tot als lebendig“

3 min
Reinhold Messner

Reinhold Messner, 81, erzählt voller Respekt von den Bergen.

Im Tanzbrunnen berichtet Reinhold Messner über seine größten Abenteuer und Expeditionen.

Es ist still im Saal, doch auf der Bühne des Tanzbrunnens lodert ein inneres Feuer. Reinhold Messner, 81 Jahre alt, sitzt in einem schweren Ledersessel, als hätte man ihn direkt aus einer Berghütte in den Saal getragen. Hinter ihm flimmern Aufnahmen von Dolomitengipfeln, Eislandschaften, Felsrippen und Gebirgspässen. Der Extrembergsteiger war  in Köln zu Gast, um Geschichten aus den mehr als sieben Jahrzehnten voller Abenteuer und extremer Gefahren zu erzählen, die hinter ihm liegen. Zwei Stunden lang nahm er das Publikum im fast ausverkauften Saal mit an Orte, „wo der Mensch eigentlich nicht hingehört“.

Messner führte zurück in seine Kindheit auf einer Südtiroler Alm, „in einer archaischen Welt ohne Lehrer, ohne Regeln, ohne Befehle“. Dort, erzählt er, habe er gelernt, die Natur zu lesen und die Regeln der Berge zu verstehen: „Wir haben die Berge gegriffen, um sie zu begreifen.“ Über sein Elternhaus sagt er: „Sie hatte Angst, aber sie hat sie für sich behalten. Sie hat uns ziehen lassen.“ Hinter ihm leuchten dabei Bilder der Dolomiten, „die mein schönstes Lehrbuch waren“. Dank der Aufstiege in diesen habe damals angefangen, was bis heute wirke: „Ich bin horizontsüchtig.“

Später beschreibt er den Weg vom Felskletterer zum Höhenbergsteiger, vom Dolomitenjungen zum Grenzgänger in Eiswüsten und Gipfelregionen. Auf den Leinwänden laufen Schwarz-Weiß-Bilder früher Expeditionen, später Filmsequenzen aus dem Himalaya und der Antarktis. „Je mehr wir wagen, desto mehr Wachstum haben wir“, erklärt er. Und: „Das Können ist das Wirkungsmaß. Ich darf nur das tun, was ich auch beherrsche.“ Bei seiner Erzählung über die gefährlichsten Gebirgswände der Welt wird spürbar, wie nah Glück und Abgrund im Alpinismus beieinander liegen. „Angst und Mut müssen sich verbinden“, sagt er. „Nur dann ist man in den Bergen sauber unterwegs.“

So schnell und selbstverständlich, und ein bisschen kauzig, wie Messner von seinen Expeditionen erzählt, vergisst man schnell, wer eigentlich da vor einem sitzt: Er ist einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt, stand als erster Mensch auf den Gipfeln aller vierzehn Achttausender und durchquerte die Antarktis sowie Grönland.

Ohne Kocher bei minus 40 Grad

Dann wird der Saal still. Messner erzählt von der verhängnisvollen Nanga-Parbat-Expedition im Jahr 1970, vom Verlust seines Bruders Günther, den der Gletscher erst 35 Jahre später freigab. Er erinnert sich an die Nacht in fast 8000 Metern Höhe, ohne Zelt, ohne Kocher, bei minus 40 Grad. „Wir waren mehr tot als lebendig“, sagt er. „Ich sah mich selbst von außen. Ein echtes Nahtoderlebnis.“ Messner erzählt das ohne Pathos, dafür mit einer Klarheit, die viele der Anwesenden unter die Haut geht.

Mahnt die Berge zu respektieren: Reinhold Messner

Trotz der Tragik wird der Abend nicht düster. Messner spricht über das Glück des Überlebens, über das Gefühl, „als Wiedergeborener aus einer großen Tour heimzukehren“. Er mahnt, die Berge zu respektieren, schließlich sei „die Natur absichtslos, aber wir Menschen haben immer Absichten.“ Das große Glück im Alpinismus sei das „Hier und Jetzt des Tun“. Deutlich wird er, als es um den heutigen Massentourismus im Himalaya geht: „Der Everest ist heute ein Reisebüro-Berg. Das hat mit traditionellem Alpinismus nichts zu tun.“

Am Ende des Abends gehen die Saallichter an und Messner bedankt sich bei dem Publikum, was zuvor gebannt zugehört hat. Mit großem Applaus verabschiedet der Saal den Mann, der für einen Abend die höchsten Berge ganz nah an Köln gebracht hat.