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453 Parkplätze verschwindenStadt nutzt Rettungswege als Scheingrund für Parkplatz-Wegfall

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In der Maybachstraße werden künftig 30 Parkplätze wegfallen

In der Maybachstraße werden künftig 30 Parkplätze wegfallen

Die Stadt begründete den Parkplatz-Schwund in der Innenstadt mit blockierten Rettungswegen. Recherchen zeigen: Die Gründe sind andere.

Dramatischer kann eine Maßnahme wohl kaum begründet werden: „Im Notfall kommt es auf jede Sekunde an.“ So stand es in einer Presseinformation der Stadt Köln im vergangenen Mai, mit der ein geplanter Wegfall von Parkplätzen in der Innenstadt angekündigt wurde. Überschrift: „Freie Fahrt für Rettungsfahrzeuge.“ Basierend auf Hinweisen der Feuerwehr und aus der Bürgerschaft habe man die Mindestfahrbahnbreite in Bewohnerparkgebieten kontrolliert und sei so zu dem Schluss gekommen, dass 453 Parkplätze in nicht weniger als 25 Innenstadtstraßen wegfallen müssen – damit Engstellen im Ernstfall nicht für Rettungsdienste zum Hindernis würden.

Wer wollte da widersprechen? Allein, nach Informationen der Rundschau hatte die Feuerwehr für die benannten Straßen kaum Hinweise auf Engstellen gegeben. Und von Seiten der Bürgerinnen und Bürger sind überhaupt keine Hinweise verbrieft.

Feuerwehrbeispiel Humboldt/Gremberg: Tragischer Vorfall als Präzedenzfall?

Um die Dramatik noch zu steigern, kann die Verwaltung in der besagten Mitteilung, die im Mobilitätsdezernat ihren Ursprung hat, einen Beispielfall anführen. Im vergangenen März kam es zu einem Feuerwehreinsatz in Humboldt/Gremberg. Eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus brannte (die Rundschau berichtete). Doch die Feuerwehr hatte große Probleme, vorzudringen. Ein Falschparker verengte die Straße. Der Einsatz verzögerte sich dadurch.

Ein 64 Jahre alter Mann wurde durch den Brand so schwer verletzt, dass er drei Wochen später an den Folgen verstarb. Ob sein Leben hätte gerettet werden können, wären die Hilfskräfte damals schneller an Ort und Stelle gewesen, ist spekulativ. Doch kann dieser Fall tatsächlich als Präzedenzfall für den Rückbau von 453 Parkplätzen der Innenstadt angeführt werden?

Einwohnerbeschwerden und Feuerwehrhinweise: Zwei konkrete Fälle

Nichts passiert in einer Verwaltung ohne schriftliche Vorgänge. Und nach Informationen der Rundschau hat es zu den 25 Straßen in Bewohnerparkgebieten der Innenstadt, in denen nach und nach die 453 Parkplätze wegfallen sollen, nach Aktenlage ganze zwei Hinweise von der Feuerwehr gegeben. In einem Fall habe demnach ein Laternenmast im Rettungsweg gestanden. In einem anderen hinderte – wie in Humboldt/Gremberg – ein Falschparker die Feuerwehr an der schnellen Durchfahrt. Zudem sollen sich in den Unterlagen keinerlei Bürgerhinweise befinden. Des Weiteren sei nicht belegt, dass das Mobilitätsdezernat „mildere Mittel“ geprüft habe, um die gesetzlich vorgeschriebene Mindestfahrbahnbreite von 3,05 Metern durchzusetzen.

Verwaltung bestätigt Feuerwehrhinweise: Widerspruch zur Pressemitteilung

Tatsächlich bestätigt die Verwaltung auf Nachfrage der Rundschau: „Es gab Hinweise der Feuerwehr für die Reinoldstraße (Bewohnerparkgebiet Griechenmarktviertel), Heinrichstraße (Bewohnerparkgebiet Pantaleonsviertel), Am Rinkenpfuhl (Bewohnerparkgebiet Griechenmarktviertel). Nach Überprüfung stellte sich heraus, dass die Reinoldstraße breit genug ist.“ In Summe also zwei Hinweise, die ein Eingreifen erforderlich machten, um Rettungswege zu sichern.

Auf die Nachfrage zu den Bürgerhinweisen lautet die Antwort der Verwaltung: „Es gab gelegentlich mündliche Hinweise aus der Bürgerschaft über zu enge Straßen, die jedoch nicht schriftlich festgehalten worden sind.“ Die Information, es seien keine „milderen Mittel“ geprüft worden, weist die Verwaltung zurück: Bei allen 25 Straßen sei untersucht worden, ob Stellplätze an einer der beiden Straßenseiten oder in einem Straßenabschnitt bei sich verändertem Querschnitt im Verlauf erhalten bleiben können.

Interne Verstimmung im Kölner Rathaus: Kommunikationsprobleme

Dass das Mobilitätsdezernat dennoch in einer ersten Pressemitteilung zu der Maßnahme vordergründig mit der Parole „Freie Fahrt für Rettungsfahrzeuge“ argumentierte, obwohl es nur zwei wirksame Hinweise der Feuerwehr und keine schriftlich niedergelegten Hinweise aus der Bevölkerung zu eingeengten Rettungswegen gab, hat innerhalb der Verwaltung für Verstimmung gesorgt. Im Dezernat der Stadtdirektorin Andrea Blome, die auch oberste Verwaltungschefin der Feuerwehr ist und der ebenfalls der Bereich „Ordnung“ mit der Kontrolle von parkenden Autos untersteht, war man wenig erfreut über das eigenmächtige Vorgehen des Mobilitätsdezernates.

Eine Rücksprache zu der Pressemitteilung soll es nach Rundschauinformation nicht gegeben haben. Die Verstimmung nahm noch zu, als es in der Folge zu besorgten Anrufen von Bürgerinnen und Bürgern kam, ob denn Rettungskräfte im Ernstfall noch rechtzeitig zu ihnen durchkommen könnten.

Die Verwaltung bestätigt nun: „Die erste Pressemitteilung hat zu Missverständnissen geführt und ein höheres Aufkommen von Nachfragen bei der Feuerwehr verursacht. Aus diesem Grund haben wir die weitere Kommunikation auf den Schwerpunkt der rechtlichen Vorgabe von 3,05 Meter fokussiert.“ In weiteren Pressemitteilungen zur Umsetzung der Maßnahme spielen die Rettungswege keine Rolle mehr.